14 September 2011

(Alb)traumbesteigung des Matterhorns

Der traurige Tatsachenbericht über das unnötige Antreiben einer geführten Tour über den Hörnligrat…

Wer auf das Matterhorn möchte, sollte sich überlegen, ob er mit einem ortskundigen Bergführer den Gipfel erreichen möchte oder lieber alleine sein Glück versuchen will. Über 800 Tote - unzählige Bergsteiger haben versucht den Gipfel zu erreichen, aber bei weitem nicht alle haben es geschafft. Dazu kommt noch die äußerst schwierige Orientierung gerade im unteren Bereich nach dem Einstieg bis zu den Mosleyplatten.

Da es ja keine Bergkameradschaft mehr gibt, "beschützt" ein Bergführer auch irgendwo seinen Gast gegen manch rüpelhaften "Bergkameraden". Dies waren die Gründe, warum wir, mein Sohn und ich, uns für einen Bergführer entschieden haben. Dagegen sprachen die enormen Kosten und dass man es nicht alleine gemacht hat. Wir haben uns trotzdem für einen Bergführer entschlossen. Schließlich steht bei aller Freude am Bergsteigen die Sicherheit im Vordergrund.

Hörnlihütte

Konditionell gut vorbereitet sind wir die 780 km vom Chiemgau nach Zermatt gefahren, haben dort eine Eingehtour auf einen 4000er gemacht und sind dann 2 Tage später nach Absprache mit dem in Zermatt ansässigen Alpincenter (AC, Anm: seit 2017 Zermatters genannt) zur Hörnlihütte (3260m) aufgestiegen, die wir so gegen 14:00 Uhr erreichten. Einchecken ab 15:00 Uhr, wir wurden vorher angemeldet (AC) und erwartet. Also langweilten wir uns erst einmal stundenlang auf der Terrasse, beobachteten das Treiben und gegen Abend unternahmen wir eine Erkundung über den Einstieg zur Route und noch etwas darüber hinaus.

Immer mehr Bergsteiger und Bergführer kamen in die Hütte und so gegen 18:00 war die Hütte gut gefüllt. Die Sitzplätze in der Gaststube sind wie folgt aufgeteilt: Die Hälfte aller Plätze für die "richtigen" Bergsteiger, ein Viertel der Plätze für die Bergsteiger die einen Führer brauchen und ein Viertel der Plätze für die Bergführer. Abgetrennt durch einen Raumteiler saßen wir nun auf den uns angedachten Plätzen und warteten, bis einer der Bergführer Kontakt mit uns aufnahm wie es durch das AC angekündigt war. Es war alles andere als ein schönes Gefühl, die "richtigen Bergsteiger" waren unter sich und warfen uns immer wieder mal einen verächtlichen Blick zu, die Bergführer in froher Laune beachteten uns erst gar nicht.

Nach dem Abendessen, 19:00 Uhr (5 Stunden nach Ankunft) kamen dann die 2 uns zu geteilten Bergführer, kurzes Vorstellen, Ausrüstungscheck und die Absprache für den nächsten Tag, das war es dann. 04:30 Uhr sollte man Aufstehen, 04:50 Uhr nach sehr einfachem Frühstück startklar sein. Bis 03:00 Uhr musste jeder von unserem 20 Betten Matratzenlager mal zum Pieseln und danach ging die "Rödelei" los. An Schlaf war also überhaupt nicht zu denken. Ich betone dies deshalb, weil die Hütte abgesperrt war und erst ab 05:00 Uhr wieder aufgeschlossen wurde, was im Vorfeld bekannt war.

Die ganze Unruhe in der Hütte war vollkommen umsonst. Da zeigte sich wieder einmal wie "Bergkameradschaft" heutzutage praktiziert wird. 04:50 Uhr wir waren startklar, unsere Bergführer hatten uns schon in der Gaststube eingebunden und so ca. 50 Leute drängelten und drückten gegen die Ausgangstür, die abgeschlossen und "bewacht" wurde.

Der Wettlauf

Dann endlich nach Abzählen 5 4 3 2 1 wurde aufgeschlossen und der "Wettkampf" begann. Alles rannte, stolperte im Stirnlampenlicht zum Einstieg (3 Minuten von der Hütte entfernt), wo es natürlich zum ersten Stau kam. Wir hatten Glück und waren im vorderen Drittel, so dass wir nicht lange warten mussten, um uns an den Fixseilen und Einstiegsfelsen hoch zuziehen. So hatten wir uns das nicht vorgestellt, obwohl wir uns im Vorfeld bei der Planung auch darüber informierten.

Als unsere Bergführer uns den Abend zuvor sagten, wir müssen spätestens in 2 bis 2 ½ Stunden an der Solvayhütte (600 HM) sein, sonst kehren sie wieder um, glaubte ich, dass sie einen Spaß machten. Nun wusste ich, dass es ernst gemeint war und genauso zackick ging es aufwärts, kaum mal Zeit für ein Foto, von einem kleinen Vidoeclip ganz zu schweigen. Wir schafften die 2 Stunden und brauchten für den ganzen Aufstieg genau 4 Stunden. Mit zwei kleinen Pausen, eine an der Solvayhütte und einmal zum Steigeisenanziehen nach ca. 750 Höhenmeter.

Ganz ohne Blessuren ging es allerdings nicht. Eine Bergsteigerin, im Abstieg, stand mit ihren Steigeisen in meinem Oberschenkel, weil ja alles rasend schnell gehen muss, wenigstens bekam ich noch im Vorbeiklettern ein "Entschuldigung" zu hören. Die Narben der 4 Löcher werde ich wohl noch eine Weile haben.

"Gipfelglück"

Um 09:00 Uhr waren wir also auf dem Gipfel, aber so richtige Freude wollte nach dem Erlebten nicht aufkommen. Nach einer Gipfelrast von ca. 5 Minuten ging es bei allerbesten Wetterbedingungen wieder hinunter. Es ist ja alles abzuklettern, wobei ich mir da auch etwas schwer tat. Wann klettert man schon mal ab, entweder es geht zu Fuß wieder runter oder es wird abgeseilt.

Ich hatte den Eindruck, dass unsere Bergführer etwas genervt waren, weil wir ebenfalls 4 Stunden für den Abstieg brauchten. An dieser Stelle fass ich mal die Zeit zusammen. 4 Stunden hoch und 4 Stunden wieder runter und dass bei 1218 HM leichtes Klettern in Fels und Eis, dabei ca. 500 HM mit Steigeisen hoch und runter. Wer also konditionell nicht fit ist, braucht erst gar nicht mit einem Bergführer aufsteigen. Ich betone an dieser Stelle "Bergführer".

Wir waren um 13:00 Uhr wieder an der Hörnlihütte. Am Abend zuvor sahen wir, dass auch um 19:00 Uhr noch Bergsteiger abkletterten. Warum also diese Hektik und Eile? Ich habe da nur eine Erklärung: Wir waren 2 von XXX Touristen! Bergführer machen ihren Job und möchten so schnell es geht wieder unten sein, schließlich wartet ja schon der nächste Gast. Die ausgehändigte Urkunde bei der Verabschiedung bestätigte meine Vermutung (am liebsten hätte ich sie gleich wieder in die Mülltonne geworfen). So können sie bei 2 bis 3 Bier im Sonnenschein auf der Hüttenterrasse noch einen schönen Nachmittag verbringen (selbst gesehen).

Auch der Preis ist ein Albtraum

Soweit alles ok, ja wenn da nicht die enormen Preise wären. Jeder Bergführer nimmt nur einen Gast mit, 1100 Euro, dazu kommt 1x Vollpension für den Bergführer und für sich selbst 150 Euro (mit DAV Ausweis).

Nun sollte man aber wissen, dass es auf der Hörnlihütte kein Wasser für die Gäste gibt. 80 Leute kommen verschwitzt jeden Tag hoch, 2 Toiletten (die sauber waren), dazu noch eine Außerhalb, die will man nicht wirklich gesehen haben), kein Wasser für Zähneputzen oder mal Händewaschen, Waschräume sind gesperrt, Matratzenlager für 20 Personen.

Ich meine da sind 75 Euro schon ein stolzer Preis, selbst bei diesen Bedingungen. Als Alternative kann man Wasser kaufen. Über die Hüttengetränkepreise will ich jetzt erst gar nichts schreiben.

Fazit: Wir waren auf dem Gipfel des Matterhorns, einem Berg von dem wir immer geträumt haben. Er ist zum Massentourismus geworden, wovon wir gehört haben, uns das aber so nicht vorgestellt haben. Nicht alle haben an diesem Tag den Gipfel erreicht, obwohl die Wetterbedingungen optimal waren.

Wäre der untere Teil der Tour nicht ein derartiges Labyrinth, würde ich sofort wieder zum Matterhorn fahren und alleine aufsteigen, so aber liegt die größte Gefahr des Berges, wenn die Kondition und das Wetter passt, bei der Orientierung. Vom Klettern her gesehen gibt es keine Probleme, man weiß ja, dass es bis III geht und das sind nur ganz kurze Stellen.

Mein Tipp: Egal ob mit oder ohne Bergführer, Kondition ist ein absolutes Muss. Wenn man mit einem Bergführer zum Gipfel möchte, sollte man sich vorher besser informieren, als wir es gemacht haben. Nichts gegen die 2 Bergführer die wir hatten, sie waren absolut verlässlich, korrekt und freundlich. Wir haben uns sicher gefühlt! Ich denke aber, dass es auch noch andere Bergführer in dieser Region gibt, die sich und dem Gast mehr Zeit geben, damit die Besteigung des Matterhorns zu einem grandiosen Bergerlebnis wird und nicht wie bei uns zu einem sportlichen Wettkampf gegen die Zeit abgestempelt wird. Mir ist das Erlebnis Berg viel zu kurz gekommen, ich hätte gerne mal inne gehalten ein paar Fotos gemacht, hin und wieder einen kleinen Videoclip aufgenommen. Schließlich hat man sich ja jahrelang auf den Berg gefreut und möchte das Erlebte noch lange in Erinnerung haben.

So muss ich leider sagen: ABGEHAKT! Schade!

Text: Rainer Jost

Anmerkung bersteigen.at: Wir waren 2010 selber am Matterhorn und können die Einschätzung von Rainer Jost bestätigen, wobei wir natürlich nicht gesehen haben zu welcher Organisation die einzelnen Bergführer gehörten!

2017 wurde das Alpincenter Zermatt mit der Ski und Snowboardschule Zermatt zur Marke ZERMATTERS fusioniert.

Info: Tourenbeschreibung Hörnligrat mit Topo

Stellungnahme des Alpincenters Zermatt (jetzt Zermatters)

Wie wir aus dem Bericht von Herrn Jost entnehmen können, war er mit unseren Bergführern zufrieden. Dies freut uns natürlich. Wir finden jedoch schade, dass der grösste Teil des Bericht- Inhaltes über die Matterhornbesteigung praktisch nur Negatives enthält. Aus unserer Sicht ist dies eine sehr subjekte Betrachtungsweise eines Einzelnen. An diesem Tage war ich ebenfalls mit einem Gast am Matterhorn, der war von diesem Tag begeistert. Auch habe ich Ihn auf die Hektik am Morgen angesprochen. Diese Hektik, so mein Gast, hat ihn nicht gestört bzw. er hat sich darauf eingestellt, da dies mit 100 Leuten nicht anders zu erwarten ist.

Das Matterhorn ist und bleibt eine sehr anspruchsvolle Tour. Viele Bergsteiger unterschätzen diese Anforderungen, da aus technichcher Hinsicht die schwierigste Kletterstelle höchstens eine III beträgt.

Beim Gipfelerfolg (nach 4 bis 5 Stunden) ist erst die Hälfte der Tour erreicht. Der Abstieg, auf der gleichen Route wie der Aufstieg, beansprucht die Bergsteiger infolge der Müdigkeit und der technischen Schwierigkeiten mehr als der Aufstieg. Auf der ganzen Route besteht das Risiko eines Absturzes, was hohe Ansprüche an die Führerqualitäten verlangt. Auch starten in der Saison 90- 150 Leute, was zu einer zusätzlichen Hektik sowie die Gefahr von Steinschlag, insbesondere morgens bei der Wegfindung, führt. Um die grösstmögliche Sicherheit für unsere Gäste zu gewährleisten, ist es wichtig, dass unsere Führer auf der gesamten Tour konzentriert arbeiten können und der physische Zustand des Gastes keine allzugrossen Risiken mit sich bringt. Bei einer Besteigen von mehr als 12 -14 Stunden ist aus unserer Sicht infolge der Müdigkeit des Gastes und der nachlassenden Konzerntration des Führers eine solche Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Dies beweist auch die zahlreichen Rettungseinsätze und Unfälle an diesem Berg.

Mit dem einheitlichen Start am Morgen soll die Gefahr von Steinschlag infolge Irrwegen von Bergsteigern auf ein Minimum reduziert werden. Klar ist, dass bei ca. 90 Bergsteigern nicht die gleiche Ruhe und Gelassenheit besteht wie dies bei anderen Touren ist.

Wir werden die Punkte aus dem Bericht von Herrn Jost aufnehmen und versuchen, diese zu Gunsten unserer Gäste zu verbessern, soweit dies möglich ist. Gerne hätten wir uns mit Herrn Jost darüber unterhalten. Wir empfehlen jedem Bergsteiger, die Matterhornbesteigung nicht zu unterschätzen und sich optimal auf die Tour, auch auf die Hütte (welche eine Bergunterkunft und kein Hotel ist) vorzubereiten.

Wir sind überzeugt, dass mit der richtigen Vorbereitung und Einstellung die Besteigung des Matterhorn eine Verwirklichung eines Traumes ist.

Reinhard Zeiter Dipl. Bergführer / Dipl. Wirtschaftsprüfer Präsident Alpin Center Zermatt (jetzt Zermatters)

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