01 Mai 2004

Jamtal-Urteil rechtskräftig: DAV muss zahlen....

Die Klägerin bekommt Recht - mit einem Kommentar von Luidger Röckrath...

Jamtal-Urteil rechtskräftig: DAV muss zahlen

Der Deutsche Alpenverein muss Schmerzensgeld und Schadenersatz (Geldrente) zahlen, über die Höhe der zu zahlenden Summe wird in einem gesonderten Verfahren entschieden.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Revision des DAV Summit Club nicht zur Entscheidung angenommen, weil diese weder grundsätzliche Bedeutung, noch Aussicht auf Erfolg hat - Urteil des OLG München vom 24. Januar 2002 rechtskräftig.

Der Mann der Klägerin war umgekommen

Die Klägerin war beim Rückweg von einer vom DAV Summit Club ausgeschriebenen Ski- und Schneeschuhtour kurz vor der Jamtal-Hütte von einer Lawine verschüttet worden. Sie überlebte das Unglück, ihr ebenfalls durch die Lawine verschütteter Mann aber nicht. Es starben noch 8 weitere Personen unter den Schneemassen.

Keine "sichere Tour" und Fehler der Bergführer

Die Richter in München schlossen sich der Meinung der Klägerin an und meinten in der Urteilsbegründung, dass der DAV Summit Club entgegen der Darstellung im Prospekt keine sichere Tour durchgeführt hätte.

Auch die verantwortlichen Bergführer hätten den Lawinenlagebericht mit Warnstufe 4, also "großer" Lawinengefahr, nicht beachtet. Weiteres seien der Sicherheitsabstand der Teilnehmer nicht eingehalten worden, die Gruppe wäre "pulkartig" gegangen.

Wortlaut des Urteils in diesen Punkten:

Denn der Beklagten (Anmerkungen der Redaktion: DAV-Summit Club) ist es im vorliegenden Fall - entgegen ihrer eigenen Beurteilung - keineswegs möglich nachzuweisen, ihre Bergführer als Erfüllungsgehilfen hätten uneingeschränkt sorgfältig und in keiner Weise vorwerfbar gehandelt. Ein solcher Nachweis völlig unverschuldeten Zustandekommens des Lawinenunglücks im Sinne eines unvermeidbaren Naturereignisses ist der Beklagten nicht gelungen und kann insbesondere auch nicht auf der Grundlage des von ihr beigebrachten Privatgutachtens des Sachverständigen Munter als geführt angesehen werden. Ebensowenig kann dafür ins Feld geführt werden, daß die Feststellungen des Sachverständigen Larcher und die übrigen Beweiserhebungen im Strafverfahren gegen die drei österreichischen Bergführer vor dem Landesgericht Innsbruck zu einem rechtskräftigen Freispruch geführt haben.

Entlastungsabständen hätte möglicherweise - wobei diese Feststellung in dem hiesigen Zusammenhang ausreicht - ebenfalls das Unglück vermeiden können. So wird die Einhaltung von Entlastungsabständen unter dem Stichwort ,,gestaffeltes Gehen" u.a. nunmehr in den eigenen verbindlichen Standards der Beklagten (Anlage K 18 Seite 2) gefordert. Gleiches gilt für das Einholen des Lawinenlageberichts, dessen genaue Kenntnis auch in den Einzelheiten die Bergführer möglicherweise von der Durchführung dieser Tour abgehalten hätte. Vor allem wäre das Unglück vermieden worden, wenn die Bergführer die jetzt aufgestellten verbindlichen Standards befolgt hätten, wonach bei Lawinenwarnstufe drei nur Hänge mit weniger als 40 Grad und bei Lawinenstufe vier nur Hänge mit weniger als 30 Grad Neigung begangen werden dürfen.

Bergführer wurden in Österreich freigesprochen.

Im November 2000 sind die drei Tiroler Bergführer am Innsbrucker Landesgericht freigesprochen worden. Eine Begehung des Hanges war nach den Worten der Richterin "gerade noch verantwortbar". Weiters sei die "Nichteinhaltung" von Entlastungsabständen nicht "kausal" gewesen. Ausschlaggebend für die Sichtweise der Richterin war damals ein umfangreiches Gutachten von Mag. Michael Larcher . Verteidigt wurden die Bergführer damals von Dr. Andreas Ermacora und Dr. Stefan Beulke.

Hat das Urteil Auswirkungen auf die Bergführer ?

Anwort von Dr. Luidger Röckrath, LL.M. (Rechtsanwalt):

Die Klägerin im jetzt vom BGH entschiedenen Musterfall (Frau Sch. aus Schondorf) hatte versucht, ihre Klage in der ersten Instanz auf die Bergführer zu erstrecken. Die Bergführer können nur zusammen mit dem DAV-Summit Club in Deutschland verklagt werden, ansonsten aber nur in Österreich (Wohnsitz der Bergführer und Unfallort). Die Klageerweiterung ist aber gescheitert, da das LG die Klage zuvor abgewiesen hat, ohne die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Eine äußerst intrikate Frage ist, ob der DAV-Summit Club bzw, dessen Haftpflichtversicherung bei den Bergführern Rückgriff nehmen kann, wenn er zahlen muss. Das OLG nimmt sowohl ein Verschulden der Bergführer (für das der DAV-Summit Club als Reiseveranstalter einstehen muss) als auch ein eigenes Organisationsverschulden des DAV-Summit Club an. Ich vermute aber, dass die Haftpflichtversicherung des DAV-Summit Club und die seiner Bergführer bei der gleichen Versicherung bestehen und sich daher ein Innenausgleich erübrigt.

Klagen für 2 weitere Hinterbliebene erhoben

Ein Dortmunder Anwalt hat Klagen für 2 weitere Hinterbliebene erhoben. Die Verfahren wurden auf Antrag des DAV-Summit Club im Hinblick auf das Musterverfahren ausgesetzt. Man darf wohl hoffen, dass der DAV-Summit Club jetzt bereit ist, alle Ansprüche der Hinterbliebenen zu regulieren; im formellen Sinne bindend ist die Entscheidung des BGH für diese Parallelverfahren nicht.

Außer den drei Klägern haben weitere Hinterbliebene und Sozialversicherungsträger, die mit Witwen- und Waisenrenten in Vorlage getreten sind, außergerichtlich Ansprüche angemeldet und mit dem DAV-Summit Club im Hinblick auf das Musterverfahren Abreden getroffen, um die Verjährung, die ansonsten zwischenzeitlich eingetreten wäre, hinauszuschieben.



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