Unser Koch Ghasan Khan beim abendlichen Abschieds-Barbecue Unser Koch Ghasan Khan beim abendlichen Abschieds-Barbecue
03 August 2007

Der K2 wollte uns nicht

Es hat erstmal nicht sollen sein – der K2 wollte uns nicht....

Zu schön wäre es gewesen, gleich beim ersten Anlauf ganz oben stehen zu dürfen. Aber irgendwie war uns das Wetter nicht wohl gesonnen. Die Kräfte hatten wir gut eingeteilt, alle vier waren wir in Topform als wir bei Sturm und wenig Sicht gestern früh nach einer Nacht auf der Schulter des K2 in 7800 m Höhe uns für den Abstieg entschieden.

Ghasan Khan, unser pfiffig-jugendlicher Koch, hatte uns um 3:00 Uhr morgens mit einem Grüntee mit Zitrone geweckt. Gegen 4:00 Uhr am 28. Juli waren wir von unserem kleinen Basislager auf dem Godwin-Austen-Gletscher gestartet. Nur 30 Minuten zu gehen sind es bis zum Einstieg der „Cesen“-Route. Steil und wild gezackt zieht sie neben einem breiten Couloir fast 3000 Höhenmeter bis zur Schulter des K2. Erstmals durchstiegen bis zur Schulter hatte die Route 1986 der nicht ganz unumstrittene slowenische Bergsteiger Tomo Cesen. Bis zum Gipfel über diese fantastisch steile Linie waren dann erstmals Spanier 1994 aufgestiegen, darunter unsere baskischen Freunde Alberto Inurrategi und sein 2001 am GII verunglückter Bruder Felix. Dies der Grund warum die „Cesen“-Route inzwischen oft auch als „Basken“-Route bezeichnet wird.

Nach 300 steiler werdenden Höhenmeter am Rande des vorgenannten Couloirs gleich die erste Überraschung: in ca. 6700 m Höhe hat sich ein großes Schneebrett gelöst und donnert nun als Staublawine durch das Couloir herunter. Wir sprinten um unser Leben. Gerlinde, David und Daniel erreichen die Felsen seitlich des Couloirs, ich hänge mich an mein im Eis eingerammtes Eisgerät. Der Druck der seitlich an uns vorbei donnernden Lawine und der feine Schnee- und Eisstaub nehmen uns den Atem. Für einen Moment habe ich das Gefühl ersticken zu müssen. Endlich lässt der Sturmwind der Lawine um uns herum nach. Alle vier sehen wir aus wie Schneemänner, nur etwas betretener und trotzdem erleichtert stehen wir da. Der nächste Gedanke gilt fünf Amerikanern, die nach uns in die Route eingestiegen waren und ca. 100 m unter uns klettern. Wir sind erleichtert als sie aufwärts schreien „all ok“. Nur einer ist von einem Eisbrocken am Ellbogen getroffen worden. Sie hatten die Fixseile benutzt und sind dadurch nicht mit in die Tiefe gerissen worden.

Der weitere Aufstieg folgt steil und direkt einem zerschrundenen Pfeiler, kombiniertes Gelände in Eis, Schnee und Fels. Steile, abwärtsgeschichtete Felsplatten, zumeist mit Schnee bedeckt, machen die Kletterei anspruchsvoller als erwartet. Nachdem wir die Route zunächst frei im Alpinstil klettern wollten sind wir auf halber Strecke zum Lager II froh teilweise die Fixseile der Amerikaner benutzen zu können. Um in diesem heiklen Gelände sicher vorwärts kommen zu können hätten wir uns gegenseitig sichern müssen – was zeitlich ein zu großer Verlust gewesen wäre.

Reichlich angestrengt nach 9 Stunden Kletterei sind wir um 13:00 Uhr am engen Aussichtsbalkon von Lager II. Die Alpinstil-Rucksäcke mit 18 – 20 kg zehren an der Kondition. Der Nachmittag gehört dem Herreichten der Stellplätze für unsere beiden Mini-Biwakzelte, dem Schneeschmelzen, Trinken und Essen. Die Aussicht hinunter auf den Eisstrom des Godwin-Austen-Glestcher, zum gegenüber liegenden Broad Peak und auf die vielen 6- und 7000er des Karakorum gehört zum (st)(g)eilsten, was ich kennen lernen durfte.

Tag 2 führt uns in etwas weniger steilem Gelände – trotzdem immer interessante und abwechslungsreiche Kletterei – zum „Platz“ von Lager III. In 40° steilem Schneegelände schaufeln wir uns kleine Plattformen für die Zelte. Zum toilettieren halte ich mich mit der freien Hand am Fixseil. Wir erleichtern die Rucksäcke um etwas Essensvorräte und Gas; nach dem erhofften Gipfel möchten wir auf jeden Fall noch hierher nach Lager III absteigen.

Die Kletterei hinauf zur Schulter, zum vorgesehenen Platz für Lager IV auf ca. 7800 m, wird zur nervlichen Anspannung. Fast durchgehend klettern wir – zum Teil in knietiefem Neuschnee – im Nebel. Nur selten kommt heute die Sonne durch. Wird das Wetter halten? Kurz vor der Schulter müssen wir noch einen Felszahn überklettern, dessen uns zunächst abgewander Grat letzlich zur Schulter führt. Um 13:00 Uhr nach teilweise anstrengender Spurarbeit sind wir am Ausgangspunkt für den Gipfel. Voller Optimismus stellen wir die Zelte auf eine Verflachung. Um 18:00 reisst es endlich auf, wir sehen wo wir sind und wir sehen den steilen Weiterweg zum Gipfel. An fast gleicher Stelle wie 1994, als ich über den Abruzzengrat zur Schulter kam, haben wir hier die Zelte aufgebaut.

Ein paar Stunden schlafen wir als wir um 21:00 Uhr von aufkommendem Wind geweckt werden. Schnell entwickelt sich der Wind zum Sturm und der K2 „setzt eine Haube auf“. Schwer enttäuscht belassen wir unsere Startzeit zunächst bei 00:00 Uhr, müssen dann aber erkennen, dass wir bei fehlender Sicht trotz Vollmond und den zu hohen Windgeschwindigkeiten Selbstmord betreiben würden. Nur per Walkie-Talkie können wir uns von Zelt zu Zelt unterhalten, obwohl diese nebeneinander stehen. Wir verschieben den Startpunkt erst auf 2:00 Uhr, dann auf 4:00 Uhr. Als es um 5:00 Uhr immer noch nicht besser ist entscheiden wir uns zum Abstieg. Einen Wartetag in dieser Höhe bei zweifelhafter Wetteransage für den folgenden Tag zuzubringen, wäre Schwachsinn. Bei etwas aufklarendem Wetter und Sturm bauen wir die Zelte ab.

10 Stunden später erreichen wir wohlbehalten wieder den Einstieg. Fast 3000 Höhenmeter Abstieg und Abseilen im Sturm liegen hinter uns. Für Gerlinde, David und Daniel ist klar, dass sie bei einem evtl. auftauchenden Schönwetterfenster noch einen Versuch machen werden. Für mich wird es diesen nicht geben!

Schon 1994 konnte ich als Leiter einer kommerziellen Expedition den Gipfel des K2 erreichen. Nun durfte ich eine weitere wunderschöne Route des K2 kennenlernen – nach 25, nicht immer erfolgreichen 8000er-Versuchen, merke ich, dass ich mit den Kräften etwas haushalten muss. Die Enge des Biwakzeltes beim Alpinstil-Aufstieg, der in den letzten Jahren verstärkt aufkommende Widerwille und Würgereiz beim Essen und Trinken in den Hochlagern, drei Aufstiege auf 8000 m in den letzten 2 ½ Monaten haben mich mental etwas müde gemacht. Ich spüre, dass ich vorsichtig sein muss.

Meiner unglaublich leistungsstarken Frau Gerlinde und unseren Freunden David und Daniel wünsche ich für einen weiteren Versuch das notwendige Wetterglück, den Gipfel des K2 und - !!vor allem!! - die gesunde Rückkehr ins Basislager.

Mit besten Grüßen aus Pakistan,

Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits

Webtipp:

Gerlinde Kaltenbrunner

Amical - die "Expeditions"-Bergsteigerschule von Ralf Dujmovits mit zahlreichen Achttausendern im Programm.



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