Andreas Bindhammer in Hotel Supramonte (6. Sl), Foto: Arch. Bindhammer Andreas Bindhammer in Hotel Supramonte (6. Sl), Foto: Arch. Bindhammer
17 Mai 2008

Alle Zimmer frei – Doppelbuchung im „Hotel Supramonte“

Andreas Bindhammer und Florian Behnke bezwingen die wohl bekannteste Mehrseillängenroute Europas (400m/8b)...

Die Goroppu-Schlucht auf Sardinien ist nicht nur einer der tiefsten Canyons unseres Kontinents - sie wird auch durch eine der gewaltigsten Wandfluchten überhaupt begrenzt: 400m hoch und etwa 150m überhängend. Durch sie verläuft – neben einigen noch nicht frei gekletterten Projekten - die Route „Hotel Supramonte“, eine der schwierigsten und berühmtesten Mehrseillängenrouten der Welt. 10 Seillängen, zwei davon im Schwierigkeitsgrad 8b, eine im Grad 8a+, keine leichter als 7b. Obligatorische Schwierigkeit: etwa 7c+.

Eine echte Herausforderung also für den deutschen Spitzenkletterer Andreas Bindhammer (Team VAUDE/EDELRID) - sein Metier bisher eher extreme Sportkletterrouten - und Florian Behnke (Team MAMMUT), einen der derzeit stärksten deutschen Alpinkletterer.

Nach einer Woche Vorbereitung in den sardischen Sportklettergebieten und einem gescheiterten onsight-Versuch, schafft es Andreas am 03.05.08 alle Seillängen der Route zu punkten. Drei Tage später, am 06.05.08, wird das scharfe Seilende getauscht und Florian gelingt der Rotpunktdurchstieg - und die wohl „erste Regenbegehung“ der Route.

Interview zum deutschen Doppelerfolg in „Hotel Supramonte“:

Gratulation zu Euren erfolgreichen Begehungen! – Was hat Euch an der Route besonders fasziniert? – Es erfordert doch bestimmt eine enorme Motivation, so etwas in Angriff zu nehmen…

Andreas: Flo hatte sich ja vor einigen Jahren schon einmal die ersten 3 Seillängen der Route angeschaut und war von da ab begeistert von dieser Route. Nach der erfolgreichen Begehung durch meinen Bruder Christian vergangenes Jahr, versuchte Flo mich hartnäckig zu überzeugen, zusammen mit ihm nochmals in die Route zu gehen und vielleicht einen onsight-Versuch zu wagen. Und wenn man sich dann überreden lässt und irgendwann tatsächlich vor dieser beeindruckenden Wand steht, kommt die Motivation wie von selbst…

Florian: Als ich damals die Route versuchte, musste ich mir einfach eingestehen, dass ich von meinem Kletterniveau einfach nicht in der Lage gewesen wäre 3 Seillängen im 10ten Grad aneinanderzureihen. Dazu kam die Tatsache, dass ich einfach mehr Zeit benötigt hätte, wenn ich die Route hätte klettern wollen. Noch dazu war ich mir nicht sicher, ob es in meiner damaligen Form überhaupt möglich gewesen wäre. Dazu kommt, dass ich den anderen Urlaubsfreuden wie Strand etc. nicht gerade abgeneigt bin. - Und manchmal muss man eben ehrlich zu sich selbst sein. Scheitern gehört dazu. Zum Glück hat sich die Arbeit - vor allem an meiner Maximalkraft - ausgezahlt.

Andreas, Deine onsight-Begehung ist ja gescheitert – woran lag es Deiner Meinung nach?

Andreas: Ursprünglich dachte ich, schweres Sportklettern sei als Vorbereitung ausreichend, und ich konnte in den Sportklettergebieten auf Sardinien zuvor auch noch einige schnelle Wiederholungen von Routen bis 8c verbuchen – aber den technisch anspruchsvollen Boulderstellen mit extrem weiten Griffabständen war ich ohne vorherige Kenntnis des Routenverlaufs einfach nicht gewachsen. Ich hatte nicht erwartet, dass in einer so überhängenden Wand die Schlüsselstellen eher technische Plattenkletterei sein würden. Ich hatte auch unterschätzt, wie belastend es sein kann, in einem Schlingenstand zu hängen… - Wir waren zudem die erste Seilschaft in der Route dieses Jahr – und so waren Griffe und Tritte speziell in den weiter oben liegenden Seillängen kaum mehr als solche erkennbar und mussten erst mühsam von den Spuren der winterlichen Nässe befreit werden. So kamen wir an unserem ersten Tag in der Route nur bis ins „Hotel“, einer kleinen Plattform nach der siebten Seillänge. Beim Rückmarsch in der Dunkelheit war ich um die Erkenntnis reicher, dass die Herausforderung größer sein würde, als angenommen – keineswegs vergleichbar mit 8b beim Sportklettern.

Florian, hast Du Dich speziell auf die Route vorbereitet?

Florian: Kommt darauf an was man unter spezieller Vorbereitung versteht. Kurz davor war ich viel in Arco und eine Woche in Spanien wo ich meine Freundin besuchte. Bin ja seit fast einem Jahr mit dem Studium fertig und bis auf manche motivationsbedingte Aussetzer schon sehr viel beim Klettern gewesen. Sagen wir´s mal so: ich war sehr viel beim Bouldern den Winter über, da für mich eine gute Kraftgrundlage einfach die Basis ist. Was die Ausdauer betrifft, kann ich mich eigentlich selten beschweren und ich denke, bei mir ist es einfach die Motivation, welche in solchen Routen in mir entsteht - und ich mich manchmal selbst danach frage, wie ich das geschafft habe. Im Klettergarten würde ich mir diesen Kampfgeist umso öfters wünschen. Vielleicht gibt es hier zu viele Verlockungen.

Was ist Eurer Meinung nach die größte Schwierigkeit in der Route? – Den Schwierigkeiten der einzelnen Längen – „nur“ 8b – solltet Ihr ja ohne Probleme gewachsen sein.

Andreas: An so einer Aktion hängt wesentlich mehr, als man so vermuten mag. So ist die Schlucht nur über einen mindestens 1 ½ -stündigen Fußmarsch zu erreichen. Pro Seillänge kann man dann etwa einen Zeitbedarf von einer Stunde kalkulieren, da das „Management“ des Doppelseils und des Materialseils, an dem sich der Rucksack mit Bekleidung und Verpflegung befindet, einiges an Aufmerksamkeit erfordert. Ein „Seilverhau“ kostet schnell mal eine halbe Stunde Zeit. Zudem ist es nicht nur eine schwere Seillänge, sondern es gibt davon gleich drei (2x8b, 1x 8a+). Und auch die übrigen Längen erfordern volle Konzentration. – Alle bewegen sich im Bereich 7b bis 7c+, und vor allem in den leichteren Passagen in den oberen Längen sollte man keinen Sturz riskieren, da man wahrscheinlich Verletzungen davontragen würde, mit denen man aus eigener Kraft nicht mehr zurück an den Wandfuß kommt. Die Anforderungen an den Nachsteiger sind auch sehr hoch. Schwingt er beispielsweise an einem der teilweise längeren Hakenabstände aus der Wand, besteht die Gefahr, dass er ohne Chance auf Felskontakt am Seil baumelt und nur durch den Einsatz von Prusik-Schlingen wieder an die Wand kommt. Das kostet Zeit, die man eigentlich nicht hat. Das Abseilen über die Route ist auch sehr speziell. Wenn man die Route mal kennt, kommt man durchaus in 2 Stunden vom Ausstieg zum Wandfuß – anfangs dauert es wahrscheinlich doppelt so lang. Und der Rückmarsch dauert wieder 1 ½ h. Für eine Tagesaktion ist das alles also ausgesprochen knapp. Wir sind auch nie bei Tageslicht zurück gelaufen.

Florian, Deine Begehung wäre wegen des Dauerregens fast gescheitert. Andreas hat erzählt, dass die letzten beiden Seillängen der „ersten Regenbegehung“ der Route sehr riskant waren. Wie hat sich die Ungewissheit angefühlt, entweder durch den Regen auf den letzten Metern doch noch zu scheitern oder es zu versuchen und dabei das Risiko einzugehen, sich bei einem weiten Sturz in einer nassen Platte ernsthaft zu verletzen?

Florian: Als wir früh morgens in die Schlucht gelaufen sind, alles Wolken verhangen war und es schon leicht genieselt hat, hab ich mir nur gedacht: was für ein Mist, ich mache meinen ersten Versuch und das Wetter ist so schlecht. Eine hohe Lufftfeuchtigkeit ist ja vor allem bei reibungsabhängigen Griffen echt nicht von Vorteil. Die ersten 3 Seillängen war es dann wieder trocken, obwohl es an den Sintern schon ziemlich durchgedrückt hat. Die Temperatur war jedoch kühl, genau wie ich es mag. Ab Beginn der vierten Seillänge begann es dann stark zu regnen, doch an die stark überhängende Wand – ungefähr bis zum Hotel (nach der 7.SL)- kommt kein Regentropfen. Als ich die erste 8b Länge gepunktet hatte, war ich enorm motiviert und das Plätschern des Regens nahm ich nur im Hintergrund wahr. Die darauffolgende vierte (8a+)und fünfte Länge (8b) gingen auch gleich im ersten Versuch. Der Reibungsgriff in der fünften Länge, eine extrem reibungsabhängige Zange, fühlte sich sogar super an.

Als die fünfte Seillänge gepunktet war, sagte ich zu Andreas, dass ich nicht mehr abseilen, sondern notfalls biwakieren werde, falls die letzten 7b+-Längen durch die Nässe unkletterbar würden. Eine nasse 7b+ mit etwas weiteren Abständen kann ja recht spannend bis unkletterbar werden. Die vorletzte Länge war ziemlich gespült und ich musste mich mit äußerster Vorsicht von Bohrhaken zu Bohrhaken kämpfen, wobei ich sehr davon profitierte, dass ich Andreas drei Tage zuvor gesichert hatte und wusste, wo es ungefähr langgeht. Für mich war das bestimmt die anspruchsvollste Länge vom Kopf her an diesem Tag und ich war so happy, dass die letzte Länge auch gleich ging, obwohl mir einmal auf einem nassen Tritt die Füße abgeschmiert sind. Zum Glück hatte ich einen guten Griff zum Abfangen in der Hand. Ich glaube solche Tage, an denen man wirklich fightet sind sehr selten im Leben. Ich hatte mich eigentlich schon im Hotel im Biwak gesehen. Zum Glück war ich dann in 9 Stunden oben und 2 Stunden später wieder im Schluchtgrund. Bin dann erst mal zum Pizza essen und habe mit Pietro Dal Pra, der zur selben Zeit wegen Filmarbeiten auf Sardinien verweilte, noch auf den Erfolg angestossen.

Andreas, du hast einmal geäußert, dass die Route aufgrund ihrer Gesamtanforderungen wie mindestens 8c anfühlt. Bist du der Meinung, man sollte für Mehrseillängenrouten eine Gesamtbewertung einführen? Florian, wie siehst du das?

Andreas: Aus meiner Sicht macht das durchaus Sinn. Bisher werden nur die Schwierigkeiten in der Schlüssel-Seillänge angegeben. Dabei ist es ein riesiger Unterschied, ob beispielsweise eine 10-Seillängen-Route im Extremfall aus 10 8b-Seillängen oder aus einer 8b-Seillänge und 9 Seillängen im sechsten Grad besteht. Zwei Kriterien - Maximalschwierigkeit und Gesamtbewertung – wären hier sicher angebracht. Die erste Route wäre damit 8b/8c (oder gar 8c+), die zweite 8b/8b. Beim extremen Sportklettern wird ja auch nicht nach der Schwierigkeit der härtesten Boulderpassage bewertet, sondern eher nach dem Gesamtcharakter der Route.

Florian: Andreas hat nicht ganz unrecht, jedoch bin ich eher der Meinung, eine Route sollte nach der schwersten Länge der Route bewertet werden, um wenigstens noch eine gewisse Objektivität, was die Bewertungen von Alpinrouten betrifft, zu gewährleisten. Die Bewertung sollte dieselbe sein wie im Klettergarten. Leider habe ich oft das Gefühl, dass es einen gewissen Alpinbonus gibt, den ich ganz und gar nicht befürworte. „Hotel Supramonte“ ist, denke ich, mit der Schwierigkeit im Klettergarten zu vergleichen - nicht zu hart und nicht zu soft bewertet.

Vielen Dank für das Gespräch und Euch beiden weiterhin viel Erfolg!

Florian: Wir möchten uns noch bei unseren Helfern bedanken, die uns vor Ort tatkräftig beim Materialtransport unterstützt haben - Chrissi Engstle und Markus Brand…

Andreas: …und Diana Mang natürlich – unsere „Ground Control“, die jeden unserer Schritte geduldig überwacht hat…

Sponsoren:

www.masterrange.de

www.edelrid.de

www.vaude.de

www.mammut.com

www.maxi-mammut-shop.de

Webtipps:

www.andreas-bindhammer.de

„St Anger“ (8c+/9a) - neue High-End Route in Arco von Andreas Bindhammer

LA RAMBLA 9a+ - Flaniermeile der Freaks



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