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31 Januar 2005

Murallon Expedition von Stefan Glowacz und Robert Jasper

Höchster Punkt des „Murallón-Nordpfeilers“ in Sichtweite: Das Zwei-Mann-Team Jasper und Glowacz hat bei seiner zweiten Reise zum Murallón (Patagonien/Argentinien) den Gipfel nach neuneinhalb Wochen harten Kampfes knapp verfehlt.

Monate in der patagonischen Eiswüste werden im Oktober 2005 folgen, denn Glowacz und Jasper wollen die fehlenden 200 Meter unbedingt schaffen.

Exkurs: Die Vorgeschichte

„The lost World“ entdeckten Robert Jasper und Stefan Glowacz vor einem Jahr. Auf diesen Namen tauften sie ihre Erstbegehung am 1000 Meter hohen Nordpfeiler des Murallón. Für die beiden Spitzenkletterer war diese Route jedoch nur der erste Schritt in die Welt am Ende der Welt. Denn die Berge dort, die mächtigen Wände, die Weiten des patagonischen Inlandeises, sind noch lange nicht erschlossen. Deshalb brachen Stefan Glowacz und Robert Jasper im Oktober 2004 noch einmal nach Argentinien auf. Ihr Ziel: den Murallón mit einer weiteren Erstbegehung, diesmal über die mächtige Nordwand, zu zieren.

Freilich gibt es bekanntere Expeditionsziele, etwa im Himalaja. Zunehmend suchen sich jedoch neue Herausforderungen. Destinationen und Gipfel, die so entlegen liegen, dass dort kaum jemand auf die Idee käme, einen Berg zu besteigen. Schuld daran mag auch die Komplexität eines solchen Unternehmens sein: Der Murallón etwa liegt auf dem patagonischen Inlandeis, schutzlos dem Sturm ausgesetzt. Kein noch so kleiner Strauch, der Deckung bieten könnte. Das Wetter in Patagonien bedingt ein langes, zähes Ausharren am Berg, um vielleicht irgendwann eine Chance zu bekommen.

Stefan Glowacz und Rober Jasper, begleitet vom Fotograf Klaus Fengler, mussten – ohne Träger, Köche oder andere helfende Hände – 200 Kilogramm Trockennahrung an den Wandfuß schleppen. Dazu kamen 40 Liter Benzin für die Kocher, 500 Meter Fixseil, die Kletterausrüstung sowie drei Zelte. Im Himalaja werden Expeditionen von Trägern, Hochträgern, Köchen, Verbindungsoffizieren und Ärzten begleitet. Am Murallón ist an Hilfe von außen nicht zu denken. Begleitet wurde das kleine Team auf dem Hinweg vom Bergführer Hans Martin Götz, dem Journalisten Tobias Hatje und den Kameramann Sebastian Tischler.

Der Weg wird zum Abenteuer

Von El Chaltén, dem letzten Vorposten der Zivilisation, führte der Anmarsch über den Paso Marconi und das Inlandeis zum 2831 Meter hohen Murallón. Unter den zwei riesigen, überhängenden Felswellen des Nordpfeilers richteten die zunächst ein bescheidenes Basislager ein. Im blanken Eis war es nicht möglich, eine Schneehöhle zu graben. Später sollte dies dazu führen, dass der Sturm die Zelte zerriss. In der ersten Nacht unter der Wand wurden Jasper, Glowacz und Fengler in ihren Zelten vom Schnee sprichwörtlich begraben. Glowacz: „Wir konnten uns über einen zwei Meter langen Gang aus den Zelten ausgraben. Fortan weckten wir uns regelmäßig, um das Zelt rechtzeitig vom Schnee zu befreien.“

Nur einmal im Leben

Zwei Tage später konnten Glowacz und Jasper in die Wand einsteigen. Sie hatten Glück: Bei anhaltend gutem Wetter konnten sie sich sechs Tage lang die Wand hinauf arbeiten. Bei Einbruch der Dunkelheit seilten sie täglich ab, um am folgenden Morgen mit Steigklemmen bis zum zuletzt erreichten Punkt empor zu jümarn. Gesichert wurde die Route überwiegend mit Klemmkeilen, an den Standplätzen wurden Normalhaken geschlagen. Auf Bohrhaken hatten die beiden Kletterer von Anfang an verzichtet.

Am ersten Klettertag schafften Glowacz und Jasper 200 Meter, ein guter Start. Am fünften Tag erreichten sie die Headwall. Am sechsten Tag arbeiteten sie sich bis 200 Meter unter den Gipfel vor. Zwei anspruchsvolle Seillängen, die frei geklettert wurden, und zwei technisch gekletterte Seillängen gelangen dem Team an diesem Tag. Dann verließ sie das Wetterglück. Der gefürchtete patagonische Sturm begann. Schon am nächsten Tag zerfetzte der Orkan Jaspers Zelt. Auch das zweite musste sich bald dem Wind ergeben.

Das Expeditionsteam wechselte den Standort, suchte Zuflucht in einem Seitental. Da auch dort kein Schutz vor den Unwettern zu finden war, zogen sich Jasper, Glowacz und Fengler schließlich weit zurück zu einer Blechhütte, dem Refugio Pascal. Hier konnten die nassen Schlafsäcke, Jacken und Hosen getrocknet werden.

Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut

Kostbare Zeit verstrich mit Warten auf besseres Wetter. Verzweifelt und hoffnungsvoll zugleich versuchten Jasper und Glowacz, kurz vor ihrer Abreise doch noch den Gipfel zu erreichen. Doch sie fanden ihre Fixseile völlig zerfetzt vor, Eis- und Felsbrocken flogen waagerecht durch die Luft. Glowacz und Jasper blieb nur noch der Rückzug – und ein Gewaltmarsch zurück in die Zivilisation. Die projektierte Route am Murallón hat bereits einen Namen erhalten: „Vom Winde verweht“. Bisher zählt sie 21 Seillängen, davon wurden 17 frei und vier technisch geklettert. Der Vorschlag für die Schwierigkeit war bis 7c, die technischen A2, wobei diese ebenfalls wohl frei möglich sind.

Im Oktober 2005 werden Glowacz und Jasper wieder nach Patagonien, zum Murallón, zurückkehren. Zu einer Route, die sie als „Linie ihres Lebens“ bezeichnen.

Ausführlicher Bericht unter: www.glowacz.de

Text: Sandra Nell, Fotos: Klaus Fengler

Webtipp:

Robert Jasper

Marmot



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