Gerhard im Lager 3 Gerhard im Lager 3
15 Oktober 2011

Dann waren wir ganz oben - Himlung 7.126 m

Österr. Erstbesteigung im Himlung Himal – aus dem Expeditionstagebuch von Gerhard Pilz

Als erste Österreicher am Gipfel des Himlung 7.126 m

Es war schon sehr spät an diesem 19. Oktober 2004. So gegen halb vier Uhr nachmittags. Expeditionsleiter Reinhold Oblak/Stmk. und Gerhard Pilz Naturfreunde OÖ. standen endlich als erste Österreicher am Gipfel des Himlung 7.126 m. Nach sieben Stunden teils schwierigem Aufstieg. Minus dreißig Grad, starker Wind, doch blauer Himmel. Eine viertel Stunde blieben sie am Gipfel, dann ging´s zurück ins vierte Hochlager.

Gerhard Pilz öffnet sein Tagebuch

15.September, Lenzing: Besuch bei Dr. Kritzinger Klaus, unseren bewährten Spezialisten der Naturfreunde für Höhenmedizin. Borge mir wieder mal das Sauerstoff-Messgerät. Werde nun jeden Tag Sauerstoffsättigung %SpO² und Ruhepuls aufzeichnen. Möchte mich diesmal ganz gewissenhaft Vorbereiten zum Akklimatisieren.

22.September, Bad Goisern: Gottseidank-Restlieferung Material von Mammut und The Heat Company. Bin nun perfekt von OÖ. Firmen für diese Expedition ausgerüstet.

Auch die Videokameraausrüstung ist jetzt vollständig.

28. September, Bad Goisern: Jetzt wird’s ernst. Letzte Reisevorbereitungen und Einkäufe. Das Wichtigste – 2 kg Roggenbrot vom Maislinger, Speck und Käse als BC Nahrung. Die Kamera- und Fotoausrüstungen (Filme, Akkus) werden nochmals kontrolliert, das Exped. Fass sorgfältig gepackt. Bin schon etwas angespannt, wie wird die Situation in Nepal wirklich sein? Gibt’s wirklich diese Unruhen und Ausgangssperren wie wir´s in den letzten Tagen immer wieder gehört haben?

30. September, 23.00 Uhr, Kathmandu; 1.235 m: Ankunft in der Hauptstadt von Nepal.

3. Oktober, 13.00 Uhr, Kathmandu; 1.235 m: So ein Scheiß, auch heute kein Flug. Dabei saßen wir schon im Hubschrauber, mit dem ganzen Gepäck. Schlechtwetter oben in Hongde (Annapurna-Region), heftiger Regen. Hoffe wir kommen bald weg aus Kathmandu, rauf in die Berge. Kann denn unser Wettergott nicht eine Stunde ein Nickerchen machen? Stimmung im Team ist noch gut, lauter freundliche Nasenlöcher, große und kleine.

4. Oktober, 16.00 Uhr, Koto, 2.620 m: Die gute Nachricht – der Heli ist geflogen. Für weitere 500 US-Dollar Schwarzgeld hat er uns sogar in Chame abgesetzt, beeindruckende Leistung des russischen Piloten uns in diesem engen Tal abzusetzen . Die schlechte Botschaft – es regnet schon wieder hier, lauter cats and dogs, wie die Engländer sagen. Wir sitzen in der Lodge und hängen unseren Gedanken nach. Der Regen trommelt aufs Dach, auf unsere Nerven. Wolfi, unser Trekker, ist noch zu Späßen aufgelegt. Ich geh mal mein Buch weiterlesen.

7. Oktober, 15.30 Uhr, Phu, 4.055 m: Eine alte Khampa-Siedlung, die erste mit Menschen. Die vergangenen Tage waren traumhaft schön, Wetter und Landschaft. Wie im Bilderbuch. Alle wohlauf und bestens gelaunt. Hier in Phu traf ich auf eine offensichtlich sprachlose und somit nur wimmernde junge Frau. In Fetzen, total verdreckt, den ganzen Speichel im Gesicht. Sie trinkt das Wasser vom Boden. Abstoßend und beschämend zugleich. Ich schaffe es bloß, ihr ein freundliches „Namaste“ zu sagen. Ohne Reaktion ihrerseits. Nur das Wimmern.

9. Oktober, 10.00 Uhr, Basecamp, 4.820 m: Ein schöner Platz, nur leider ohne Wasser. Zwei französische Expeditionen sind auch da. Erfahren schon viele Details vom Berg. Blick hinauf Richtung ABC, ein langer Moränenkamm der sich scheinbar im Himmel verliert. Wolfi ist gestern zurück ins Tal, in fünf Wochen sollten wir uns in Kärnten wiedersehen.

12. Oktober, 12.00 Uhr, Camp 1, 5.635 m: Schneefall, Schneefall, Schneefall. Schon die ganze Nacht über. Peter und Sabine sind noch gestern Nachmittag abgestiegen, der Rest liegt jetzt hier in den Zelten. Abwarten und Tee trinken. Wenn´s nicht aufhört, gehen auch wir zurück ins ABC und weiter bis ins BC. Gottseidank hab ich in den ersten Tagen des Aufstiegs alle Wegstrecken als Treks auf meinem GARMIN e-trex SUMMIT (GPS) abgespeichert. Brauch mir daher keine Sorgen zu machen, um wieder sicher durchs Spaltengewirr zurückzufinden. Einige Franzosen kommen vom camp 2 runter, da oben hat´s noch mehr Schnee. Akute Lawinengefahr. Was ist heuer bloß mit den Wettergöttern los?

18. Oktober, 16.00 Uhr, Camp 4, 6.400 m: Nun sind wir getrennt. Reinhold und ich haben mit unseren 2 Climbing-Sherpas den stark überwächteten Vorgipfel gepackt. Zeltplätze Ausschaufeln - sehr anstrengend und kalt. Das Lager steht, direkt vor uns der sehr steile und ewig lange Gipfelaufbau des Himlung. Christian ist schon gestern vom camp 3 zurück, heute haben auch Peter, Sabine und Lois umgedreht. Der Vorgipfel waren ihnen nicht geheuer. Bin ziemlich traurig darüber, wollte einfach mit allen am Gipfel stehen. Neben uns sind noch zwei Französinnen und ein Franzose (alle mit Sherpa) hier im Camp 4. Im Unterschied zu uns haben sie alle schon einige Achttausender in den Beinen. Werde jetzt mal viel Tee trinken und einen Schokoriegel Runterwürgen. Wie immer in solchen Höhen ist Essen eine Qual. Ansonsten bin ich super drauf, habe keinerlei Probleme. Hoffentlich hält das Wetter noch drei Tage. Wo sind wir morgen um diese Zeit?

18.00 Uhr: Gespräch mit den Franzosen. Sie wollen heute nacht gegen zwei Uhr starten – und damit spuren. Ich halte nicht viel davon, viel zu kalt. Reinhold ist der gleichen Meinung, wir wollen frühestens gegen fünf weggehen. Zum Ärger unserer Sherpas. Aber das halten wir aus. Ist zwar gegen alle bergsteigerische Vernunft, aber wir fühlen uns stark. Da Risiko ist unserer Meinung geringer wenn wir erst in den Nachtstunden zurückkommen als in den kalten Morgenstunden aufzusteigen, sind gut drauf, bestens akklimatisiert. Die Kälte soll uns nicht die ganze Energie aus dem Körper ziehen, das macht schon die Höhe und Anstrengung. Schlimmstenfalls drehen wir um. Hoffe mein Hirn funktioniert in dieser Höhe noch richtig.

19. Oktober, 6.00 Uhr, camp 4, 6.400 m: Sehr starker Wind in der Nacht. Keiner ist aus den Zelt raus, wäre auch ziemlich dumm gewesen. Die drei Franzosen sind mit ihren Sherpas vor einer Stunde weg, Reinhold und ich liegen noch immer im Schlafsack. Der Wind ist etwas schwächer geworden, pfeift aber noch immer laut ums Zelt herum. Beim Pinkeln war´s saukalt draußen, wir warten jetzt auf die Sonne. Unsere Sherpas sind total verärgert, wir halten aber an unserer Entscheidung fest. Lieber umdrehen als erfrieren. Der Tag wird schön, bitte liebe Sonne komm bald raus. Trinken noch mal viel Tee - Prost.

7.00 Uhr: Wie immer eine mort’s Prozedur beim Schuhe anzieh’n. Klebe mir Wärmepackungen direkt auf die Fußsohlen. Dann ein neues, trockenes Paar FALKE Socken, Thermoinnenschuh und Exped.Schuhe. Packe alle Akkus für Fotoapparat und Videokamera direkt an den Körper. Vielleicht halten sie dann.

8.00 Uhr: endlich ist die Sonne da und wir sind abmarschbereit. Unsere Climbing Sherpas MB und Durga gehen vor und folgen den Spuren der Franzosen. Binde mich mit Reinhold ans Seil, der Grat scheint doch sehr überwächtet. Stark bläst der Wind und wir spüren die eisige Kälte im Nacken.

Die Franzosen haben alle umgedreht, schon ziemlich früh – zu kalt, zu starker Wind. Hatten Anzeichen von Erfrierungen. Die sind ja auch von Anfang an im Schatten geklettert. Tut uns leid für sie.

15.37 Uhr: am Gipfel – 7126m

Geschafft – schätze 30 Grad minus und mäßiger Wind 60 km/h. MB und Durga haben sich noch durch die Gipfelwächte gegraben. Nun kauern wir am kleinen Gipfelgrat. Als erste Österreicher, Reinhold und ich. Was für ein Panorama. Der Manaslu mit 8163m steht direkt vor mir, zum Greifen nahe. Ein unglaublicher Anblick. Unendlich auch der Ausblick ins Tib.Hochland. Hier sieht man deutlich das die Erde rund ist. Aital unser Hochträger ist auch mit aufgestiegen. Er freut sich riesig, dass er den Gipfel geschafft hat. Packe meine Digi-Kamera aus, doch nach 8 Bildern ist sense. Auch der Akku der Videokamera reicht gerade mal für 2 Minuten.

Nach 15 Minuten drängt MB zum Abstieg.

21.00 Uhr: Zurück im camp 4, Erleichterung. Die Stirnlampe hat auch den Geist aufgegeben. Der Abstieg hat viel Kraft gekostet, sind wenig am Seil gegangen, zu gefährlich wenn einer fällt.

Ja wir waren ganz oben, Reinhold und ich, kanns noch gar nicht glauben. Für Freude hab ich keine Kraft. Trinken, Trinken, Trinken. Bin vollkommen leer im Kopf, möchte nur noch Schlafen, morgen schreib ich mehr.

20. Oktober, 7.00 Uhr, camp 4, 6.400 m: Geschlafen wie ein Baby. Fühle mich gut. Reinhold döst noch dahin, ich muss schon wieder pinkeln, dauert wieder unendlich lange bis ich in den Schuhen bin. Minus 12 Grad im Zelt, draußen ziemlich starker Wind und saukalt. Alles gefriert sofort, meine Finger inklusive. Aber gottseidank traumhaftes Wetter, unglaubliches Panorama. Schöner, guter, warmer Schlafsack, schnell wieder hinein.

Es gibt kein gemeinsames Gipfelphoto, weil meine Kamera den Geist aufgegeben hat. Bei der Kälte kein Wunder. Hoffe die Filmaufnahmen sind etwas geworden. Wir wollen gegen neun Uhr absteigen, davor heißt´s noch camp 4 Räumen und Packen. Freu mich aufs BC, auf den Rest der Truppe. Wird ja wohl etwas wärmer sein da unten. Die letzte halbe Stunde bin ich gestern nur mehr im Schneckentempo zum Zelt ins Camp 4 gekrochen. Ein paar Schritte, Pause, Pause, noch weniger Schritte. Reinhold gings nicht besser. Auch er hat sich körperlich sehr verausgabt. Er ist ein super Kerl. Jetzt liegt er wie ein Kind neben mir und träumt wahrscheinlich von zu Hause. Noch Mal volle Konzentration, langer Abstieg vom C4 ins C1, kurze Pause und weiter Abstieg zurück ins BC.

20. Oktober, 16.00 Uhr, Basecamp, 4.820 m: Gehe zuallererst zur Stupa um mich bei den Berggöttern zu bedanken. Um innezuhalten, nochmals in sich zu gehen, Gefühle und Gedanken in Einklang zu bringen, um auszuatmen. Schön dass wir gut vom Berg zurückgekommen sind. Der Abstieg war noch ziemlich hart, speziell für Reinhold, er ist sehr dehydriert, geht doch an die Substanz, das ganze. War viele Passagen mit ihm am kurzen Seil. Wir sind ein Team, eine Seilschaft. Der Empfang im BC: Lachende Gesichter, ehrliche Freude, kein Neid, keine Missgunst. Ohne sie, ohne unsere Nepalis wären wir da nie raufgekommen. Gipfelkuchen von Mingma, unserem Koch. Suppe, Ziegenfleisch, Gemüse, Kartoffel, Reis. Und Teeeeeeeeee. Essen und Trinken, und danach schlafen. Freu mich auf Österreich, auf zu Hause.

27. Oktober, 16.00 Uhr, Kathmandu, 1.325 m: Pressekonferenz war ein voller Erfolg. Viele TV und Radio Stationen, an die 40 Zeitungsjournalisten. Laut Ministerium und Elizabeth Hawley waren wir heuer die einzigen ganz oben am Himlung. Wichtiger ist aber, dass wir auch wieder gesund herunten sind. Haben rund 50 kg Müll gesammelt, von anderen Expeditionen und Trekkern zurückgelassen. Haben die Regierung scharf wegen ihrer hohen Müllgebühr-Politik kritisiert, deswegen das große Medieninteresse. Übermorgen gibt’s eine große Pressekonferenz in Klagenfurt, hat Reinhold organisiert, als kleines Dankeschön an unseren Sponsor, die AvW-Gruppe.

Danke auch an Günter (Mammut Sports Group) für die optimale Ausrüstung.

Pläne für nächstes Jahr? Mal schauen . . . .Jetzt kommt erst mal die Wintersaison

Text & Fotos: Gerhard Pilz

Gerhard Pilz: Bergsteigen ist für Gerhard Pilz eigentlich Nebensache. Gerhard, der sportlich meist sehr schnell unterwegs ist, ist Weltmeister und Weltcupsieger im Rennrodeln auf der Naturbahn!

Sponsoren der Himlung-Expedition

AvW Invest

Lanex

Nestle

Northland

Mammut

Intersport Eybl

Falken Sportsocken

Puls ElektronikK - Garmin GPS

The Heat Company - Wärmepackungen

Varta

Weitere Informationen: Himlung Expedition 2004



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