Auf dem Moränenrücken zum Norweger-Camp Auf dem Moränenrücken zum Norweger-Camp
12 Mai 2005

Gerlinde Kaltenbrunner - Shisha Pangma von Süden nach Norden überschritten.

Shisha Pangma Südwand erfolgreich durchstiegen - und Shisha Pangma erstmals von Süden nach Norden überschritten - jetzt geht es zum Everest.

Wir sind zurück in unserem kleinen, südseitigen Basislager - 10 Tage haben wir unseren Koch Sitaram und unseren Küchenhelfer Phintso alleine in großer Ungewissheit zurückgelassen. Gestern bei der Rückkehr von unserer Riesenrunde nach 10 Tagen standen uns allen die Freudentränen in den Augen. Schön wohlbehalten zurück zu sein.

So. 01/05 - Mo. 02/05 Tag der Arbeit

Erst die lange Strecke bis zum eigentlichen Basislager (heute nur noch 4 Stunden - trotz nagelvoller Rucksäcke mit Verpflegung und Gas für 6 Tage), dann noch drei Stunden weiter bis zum Norweger-Lager, wo wir unser Materialdepot im beginnenden Schneetreiben auflösen. Bis wir unser Minizelt aufgestellt haben sind wir vom stärker werdenden Schneefall schon ziemlich eingenässt.

Sitaram hat uns einen Beutel Bratkartoffeln mitgegeben, schwer aber supergut. Mit Zwiebeln und Knoblauch angebraten - die Luft im Zelt wird schwer. Schneeschmelzen bis in die Dunkelheit. Am nächsten Morgen frühes Zusammenpacken. Charly Gabl, der Leiter der Wetterdienststelle Innsbruck, hat angekündigt, dass mit mäßigem Wind und hoher Luftfeuchte es die ganze Woche sehr früh am Nachmittag immer zu Niederschlägen kommen soll. Womit er in den nächsten Tagen mehr als recht behalten wird. Nur heute nicht.

Immer den Blick auf die Südwand gerichtet kommen wir langsam näher. Den Gletscher hinauf und mittags erreichen wir den Bergschrund. Einstieg. Drei annähernd senkrechte Stellen müssen wir antesten bevor wir endlich drüber kommen. 50 Höhenmeter noch bis wir eine leichte Verflachung für das Ausschaufeln einer Plattform nutzen können. 1 1/2 Std. später steht unser Zelt und wir können mit dem täglichen Prozedere des Schneeschmelzen beginnen. Heute hält das Wetter - noch.

Reines Blankeis wechselt sich ab mit Neuschnee

Di. 03/05 -Mi. 04/05: Früh kommen wir weg, und gut kommen wir in der zunächst nur 50° steilen Flanke voran. Jeder steigt für sich, reines Blankeis wechselt sich ab mit Neuschnee belegten Blankeispassagen. Wir stehen viel auf den Frontzacken. Langsam steilt sich das Gelände auf 60° auf. Da, plötzlich! - eines meiner beiden Steigeisen macht sich selbstständig und folgt der Schwerkraft. Ich stehe mit dem Frontzackenpaar des anderen Steigeisen wie festgenagelt - bin vor Angst gelähmt.

"Ist das schon wieder das frühzeitige Ende wie im vergangenen Jahr?" frag' ich mich und Gerlinde, die glücklicherweise nur wenig über mir klettert. Sie steigt im Blankeis zu mir ab. "Nein" meint sie, "wenn Dich der Berg wirklich nicht wollte, wärst Du gleich ganz runter gefallen." Hoffentlich hat sie mit dieser fatalistischen Aussage recht. Das Eisen bleibt 80 Meter tiefer hängen. Gerlinde klettert ab, holt es rauf und hilft mir in die Bindung. 45 Minuten hat der Schreck gedauert - dann geht's weiter. Früh wölkt es zu - nach gerade mal 450 Höhenmeter ist heute Schluss - im dichten Nebel finden wir einen Biwakplatz. An dem wir nur 1 Stunde herumhacken müssen, bis die Plattform für unser Zelt groß genug ist. Nachmittags dichter Schneefall.

200 Höhenmeter unterhalb unseres Tagesziels waren wir hängen geblieben. Der nächste Morgen gibt uns die Chance ein wenig aufzuholen. Kurze senkrechte Eispassagen führen uns zum lange erwarteten Felsriegel. Nicht sehr verlockend, - stark verschneit, nahezu senkrecht und übel brüchig. Aber es geht. Seillänge um Seillänge kommen wir nach oben. Kommentar Gerlinde: ".. das Brüchigste, was ich je geklettert bin." Nach einer flacheren Seilänge sind wir in der 800 Meter hohen Gipfeleisrinne. Der wir noch 100 Höhenmeter folgen, dann ist bei stärker werdendem Schneetreiben wieder frühzeitig Schluss. Die ersten Neuschneelawinen rutschen die Eisrinne hinunter als wir seitlich am Grat wieder die Möglichkeit für einen Biwakplatz finden.

Lawinen donnern die ganze Nacht

Do. 05/05 - Fr. 06/05: Schon nach etwas mehr als zwei Stunden fallen an diesem Vormittag die ersten schweren Schneeflocken. Wir kommen zwar noch bis 7400 m, müssen aber nochmal 100 Höhenmeter absteigen, da wir keinen geeigneten Biwakplatz finden. Drei Anläufe hatten wir genommen seitlich der Steilrinne Plattformen herauszuhacken. Jedes mal treffen wir frühzeitig auf Fels oder betonhartes Eis. Also bis 7300 m absteigen, wo ich im Vorbeiklettern eine kleine Felsnische gesehen hatte. Dort können wir auch das Zelt problemlos aufstellen und verbringen den Rest des Tages im dichten Schneefall.

Lawinen donnern auch die ganze Nacht hindurch die Rinne hinunter, spätestens am nächsten Morgen ist klar: Abwarten auf das für Samstag angekündigte trockenere Wetter. Zumindest die Schlafsäcke - hatten wir gehofft - zu trocknen, aber selbst das ist bei dem schlechten Wetter nicht möglich. Erstmals kommen Zweifel in mir auf: das Gas geht zur Neige, wir sind an absolut exponierter Stelle, die Erholung in den tropfnassen Schlafsäcken geht gegen Null, der Appetit ist ebenfalls am Nullpunkt und draußen donnern die Lawinen. Selten habe ich vor einem Gipfelaufstieg schlechter und unruhiger geschlafen. Gerlinde hält die Moral aufrecht und lässt sich nicht wirklich einschüchtern..... Wir werden es schaffen.

Sa. 07/05 - So. 08/05 - Gipfeltag!!

Um 23:00 Uhr Frühstück - um 1:30 geht's los. Tiefe Spurarbeit auf den ersten 100 Höhenmetern. Dann wird's etwas besser: die zahlreichen Lawinen haben in der Mitte der Gipfelrinne eine hart gepresste Spur hinterlassen, der wir in der Dunkelheit folgen. Starker, eiskalter Wind macht uns den Aufstieg nicht gerade leichter. Ich habe vergessen, die zweite Unterziehhose unter den Daunenanzug anzuziehen. Und friere erbärmlich und werde auch trotz Hiro's und Gerlinde's Fuss- und Beinmassagen nicht recht warm. Beide leiden selbst fast genauso wie ich. Nach 6 Tagen Dauereinsatz sind wir inzwischen doch schon etwas ausgezehrt.

Endlich, endlich erreichen die erste Sonnenstrahlen den oberen Teil der Gipfelrinne. Eigentlich hatten wir gehofft, diese würde sich weiter oben etwas zurücklegen, flacher werden. Nein, immer noch so um die 60°. Und je weiter wir nach oben kommen, desto härter wird die Schneeauflage. Wir ziehen nach rechts zum Gipfelgrat hinaus. Welche Freude macht sich bei uns dreien breit. Am Grat dann wieder tiefer, anstrengender Schnee.

Der Blick auf die braune, tibetische Hochebene wird frei - unwirklich schön. Starker Wind trägt uns weiter bis zum höchsten Punkt des Hauptgipfels. Es ist geschafft. Um 11:00 Uhr nepalischer Zeit stehen wir bei starkem Wind und klarer Sicht am höchsten Punkt und freuen uns irrsinnig - sind aber auch ziemlich erledigt. Wir haben alles Gepäck - also Schlafsäcke (tropfnass), Isomatten, Zelt, Kocher, Seil, etc. - zum Gipfel getragen.

Und haben damit die fantastische Möglichkeit erstmals nach der Durchsteigung der Shisha Pangma Südwand nach Norden abzusteigen. Ein großer Schritt im Kopf: In eine Richtung abzusteigen, aus der man nicht gekommen ist. Und das an einem 8000er. Wir gehen den Schritt und genießen die Spannung und Freiheit. 1997 stand ich schon einmal am Hauptgipfel und erinnere mich noch grob an die Richtung um unter dem Zentralgipfel in seiner teilweise 50° steilen Nordflanke hindurchzuqueren. Der Plan geht auf und wir erreichen sicher den Nordgrat, über den wir ohne große Probleme tiefer kommen.

Müde und völlig erledigt erreichen wir am späten Nachmittag den Korridor auf ca. 7000 m, wo wir ein letztes Mal unser Zelt aufstellen. Die letzte kalte, stürmische Nacht. Fünf Stunden sind es am nächsten Vormittag noch, bis wir das Basislager der AMICAL alpin Shisha Pangma Expedition erreichen und dort fantastisch versorgt werden. Den Nachmittag liegen wir halbbewusstlos und glücklich im Zelt. Uns ist die Südwand und die erste Süd-Nord-Überschreitung der Shisha Pangma gelungen, und das im allerreinsten Alpinstil; ohne Fixseile, ohne Zusatzsauerstoff, ohne vorherige Erkundigung. Rucksack auf und los.

Rückmarsch zum Chinese-Basecamp

Mo. 09/05 - Di. 10/05: Ca. 25 km sind es noch hinaus bis zum Chinese Basecamp, wo uns nach 4-stündigem Marsch mit den schweren Schuhen und Rucksäcken auch ein Jeep abholt. Und uns während einer wunderschönen Fahrt zurück zum Ausgangspunkt Nyalam bringt. Schon am nächsten Morgen geht es nochmal 6 Stunden zu Fuss hinauf ins südseitige Basislager, wo uns Sitaram und Phintso einen unglaublich netten Empfang bereiten. Nach 10 Tagen unterwegs und einem eindrücklichen Erlebnis mehr im Kopf und in den Beinen.

Gerlinde's Hochgefühl während des Rückmarsches zum Chinese Basecamp mit Blick zurück zur Shisha Pangma: "Keine Droge würde jemals dieses Gefühl von Zufriedenheit und Glücklichsein ersetzen können".

Jetzt geht es zum Everest

Morgen, den 12/05 geht's mit den Yaks und unserem gesamten Gepäck wieder hinunter nach Nyalam. Nach dem Auffrischen unserer Gemüse- und Obstvorräte werden wir am 13/05 zum Everest weiterfahren und uns von dort wieder melden.

Für heute glückliche Grüße aus unserem südseitigen Basislager,

Gerlinde, Hiro und Ralf

Newsarchiv

News1: Basecamp - Probleme mit dem Schnee

News2: Vorakklimatisation ist abgeschlossen

Webtipp:

Amical - die "Expeditions"-Bergsteigerschule von Ralf Dujmovits mit zahlreichen Achttausendern im Programm.

Infos aus dem Basecamp, alle Fotos © Amical Alpin



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