Kleiner Mensch vor großem Berg, Luis Stitzinger auf dem Kahiltna Gletscher, im Hintergrund Denali Südwand Kleiner Mensch vor großem Berg, Luis Stitzinger auf dem Kahiltna Gletscher, im Hintergrund Denali Südwand
03 August 2005

Erfolg an der Cassin Ridge - Mt. McKinley

Nach langen Jahren konnte erstmals wieder eine deutsche Seilschaft eine erfolgreiche Begehung der schwierigen Cassin Ridge am Mt. McKinley, dem mit 6194 m höchsten Berges Nordamerikas, für sich verbuchen.

Die Cassin Route

Der vor allem in amerikanischen Bergsteigerkreisen sehr populäre, dennoch selten erfolgreich wiederholte Extremklassiker (in den letzten Jahren durchschnittlich 2-3 Begehungen pro Jahr) führt in direkter Linie über den zentralen Pfeiler der fast dreitausend Meter hohen Südwand zum West-Gipfel, dem Kahiltna Horn, 6136 m. Er wurde im Jahre 1961 von einer italienischen Expedition unter Leitung von Ricardo Cassin erstbegangen und erwarb sich seither das Prestige einer „nordamerikanischen Eigerwand“. Nach zweiwöchiger Belagerungszeit und vielen Hundert Metern Fixseil, einigen Beinah- Abstürzen und zahlreichen Erfrierungen erreichten Alippi, Airoldi, Canali, Perogo, Zucchi und der damals bereits fünfzigjährige Cassin am 19.Juli im Expeditionsstil den Gipfel. Heute wird die Route in der Regel im Alpinstil über die Einstiegsvariante des „Japaner-Couloirs“, eines ca. 400 Meter langen Eiscouloirs, von der Northeast Fork des Kahiltna Gletschers eröffnet und dann der Originallinie über einen scharfen Firngrat, mehrere steile Felsaufschwünge und lange kombinierte Gratpassagen zum Gipfel gefolgt. Die Route ist mit Alaska Grade 5 bewertet und wartet mit Schwierigkeiten im Fels bis UIAA 5+, im Eis/Schnee bis 90° (kurze Passagen von wenigen Metern), meist aber zwischen 45 - 65° auf. Die wahren Schwierigkeiten aber liegen in der Länge der Route – fast 2700 Höhenmeter kombiniertes Gelände gilt es mit einem schweren Rucksack und dicken Handschuhen vom Wandfuß bis zum Gipfel zu meistern – und, allem voran, in den klimatischen Verhältnissen.

Schwierige Verhältnisse und -40°

Diese machten auch dem bayerischen Duo schwer zu schaffen. Nach anfänglich schnellem Vorankommen trotz schlechter Bedingungen (100% Blankeis unter 5 cm Pulverschnee) wurde die Seilschaft dann schon am ersten Klettertag auf Höhe des großen Seracs (ca. 4500 m) von einer Kaltfront eingebremst. Insgesamt 2 Tage lang wurden die beiden in ihrem winzigen Zelt vom Sturm gebeutelt. An ein Verlassen ihres Refugiums war bei Sturmböen von über 100 Kilometern pro Stunde und nächtlichen Außentemperaturen von bis zu -40° C nicht zu denken. „Die Kondensfeuchtigkeit im Zelt wuchs sich schon während der ersten Nachstunden zu kleinen blumenkohlförmigen Gebilden aus, die einem bei jeder Bewegung auf den Schlafsack und ins Gesicht rieselten. Die tiefste Temperatur, die wir innerhalb des Zeltes gemessen hatten, betrug – 25° C“, so berichtet Lunger.

Der härteste Teil der Route

Am folgenden Tag gelang es dem Team trotz anhaltend starker Winde die Hauptschwierigkeiten der beiden Felsstufen zu knacken und eine Höhenmarke von 5150 Metern zu erreichen. Dort erzwang abermals Windchill, gepaart mit eiseskalten Abendtemperaturen eine vorzeitige Flucht ins schützende Zelt. Ein weiterer langer, anstrengender Tag schließlich führte die Kletterer bei nachlassenden Schwierigkeiten jedoch zunehmendem Tiefschnee zum nochmals eintausend Meter höher gelegenen Gipfel. „Das war vielleicht der härteste Teil der Route überhaupt“, erinnert sich Stitzinger. „Immer wieder das Spuren im knietiefem Bruchharsch und ein endloser Grat. Ich hatte es so satt, ich wollte nur noch runter. Doch leider führte der kürzeste Weg nach unten, hinauf, über den Gipfel“. Wärmende Nachmittagssonne und ein menschenleerer Gipfel stimmten die beiden dann doch wieder versöhnlich: „So richtig unser Lächeln gewannen wir dann aber erst abends im Medical Camp bei einer Dreifach-Portion Pasta Alfredo und mehreren Litern Hot Cider wieder!“.

Saisonbericht - Alaska

Wie schon im Jahr zuvor präsentierten sich die Wetterbedingungen und Routenverhältnisse in Alaska auch diese Saison wieder als eher schwierig. In der Hauptsaison von Anfang Mai bis Ende Juni stellte sich keine stabile Hochdrucklage ein, die längste Schönwetterphase hielt gerade mal zwei Tage an. Aufgrund eines schneearmen Winters und eines ungewöhnlich warmen Frühjahrs war bereits zu Beginn der Saison „die weiße Pracht“ eher Mangelware. Von vielen Eisflanken und –graten blitzte blaues Blankeis entgegen, dünne Eiscouloirs waren oftmals ausgetrocknet. Während diese Verhältnisse die erfolgreiche Begehung schwieriger Eisklettereien und Kombirouten (z.B. Moonflower Buttress, u.a.) vielfach vereitelte, kamen sie den Routen, in denen Schnee und Fels dominieren, eher entgegen. Bei guten und sicheren Verhältnissen durchstiegen zahlreiche Teams erfolgreich ihre Linien. 4 Aspiranten (von insgesamt 33 diese Saison) nutzten ihre Chance und gelangten über die lange Sultana Ridge auf den zweithöchsten Gipfel des Massivs, Mt. Foraker, 5186 m. Auch der Mt. Hunter, 4443 m, in unmittelbarer Nähe des „Airstrip“ (Kahiltna Basecamp) an der South Fork des Kahiltna Gletschers, erhielt über seinen klassischen Westgrat in dieser Zeit einige Wiederholungen durch amerikanische Seilschaften. Am Denali selbst sorgten die blanken Verhältnisse für den ersten tragischen Unglücksfall der Saison. Am 10. Mai verunglückte ein amerikanisches Zwillingsbrüderpaar, eine der ersten Gipfelgänger des Jahres, beim Abstieg unterhalb des Denali Pass (5550 m) durch einen Mitreißunfall tödlich. Starke Winde hielten die Gipfelquote am Mc Kinley zunächst im Zaum, bis das Wetter ab Mitte Mai immer wieder für kurze Schönwetterfenster sorgte. Viele Bergsteiger, darunter auch einige Seilschaften aus der Schweiz, Deutschland und Österreich nutzten ihre Chance. Daraufhin kletterte die Statistik der Gipfelbezwinger von mageren 35% auf immerhin über 50%. Die überwiegende Mehrzahl davon gelangte über die Normalroute – die West Buttress – auf den Gipfel. Einige wenige amerikanische Seilschaften vollendeten die West Rib Route, einem schwedischen Team und einem amerikanischen Solokletterer gelang der Durchstieg des „Orient Express“ in der Gipfelflanke des Kahiltna Horn an einem Tag. Ein japanisches Duo lieferte mit der Durchsteigung der „Denali Diamond“, eine der schwersten Routen in der Südwand des Berges, die bis dato beachtenswerteste Leistung der Saison ab. Mitte Mai bis Mitte Juni sorgten daraufhin wiederholt Schneefälle und starke Stürme für Stillstand auf allen Bühnen. Die Temperaturen in niedrigeren Lagen stiegen stark an und sorgten allerorts für tiefen Faulschnee. Teams, die sich zu dieser Zeit auf der Sultana Ridge am Mt. Foraker, an der West Ridge oder der Kennedy-Lowe Route am Mt. Hunter befanden, mussten allesamt ihre Bemühungen erfolglos abbrechen. Einzig in den Höhenlagen des Denali (West Buttress, West Rib) konnte noch gepunktet werden.

Rekorde am Mt. McKinley

Natürlich fielen auch dieses Jahr wieder einige Rekorde: Mit 74 Jahren erreichte der Japaner Sadao Hoshiko als ältester Bergsteiger den Gipfel. Ein 12-jähriger Amerikaner musste hingegen auf das Prädikat des jüngsten Gipfelbesteigers knapp zugunsten des 11 jährigen Galen Johnston verzichten, der bereits im Jahre 2001 den Gipfel erreicht hatte. Und mit zu erwartenden 1400 bis 1500 registrierten Bergsteigern am Mt. McKinley bis zum Saisonende bewegen wir uns wieder einmal auf ein All Time High zu, trotz mittlerweile stolzen 200 US Dollar Permitgebühren! Kurz vor Abpfiff der Saison tauchte noch der russische Extrembergsteiger Valery Babanov überraschend auf dem Spielfeld auf. Man darf also gespannt bleiben, welche weitere Rekordleistung dieses Jahr noch fallen mag...

Bilder: Alle Bilder Luis Stitzinger, außer # 2 und 7 Josef Lunger © Luis Stitzinger und Josef Lunger 2005

Text: Luis Stitzinger

Luis Stitzinger wird unterstützt

durch: Arc´teryx



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