Karakorum Highway weggespült Karakorum Highway weggespült
25 September 2006

Dem Himmel so nah

Erfolgreiche deutsche Damenbesteigung des Gasherbrum II (8035m)....

40 Grad Celsius

bei der Zwischenlandung in Doha/Qatar, ein Vorgeschmack auf die tropisch heißen Temperaturen, die uns in Islamabad erwarten....... wir befinden uns auf dem Weg nach Pakistan zu einer siebenwöchigen Expedition - mit dem festen Willen und dem Traum, unseren ersten Achttausender (dem 13. höchsten Gipfel der Erde) zu besteigen.

Wir - Elisabeth Rieber (40J.) und Alix von Melle (35J.), zwei Freundinnen und erfahrene Expeditionsbergsteigerinnen aus München – haben uns der DAV Summit Club Expedition

zum 8035m hohen Gasherbrum II angeschlossen. Inmitten der „Leuchtenden Berge“, der sechs höchsten Berggipfel des Karakorum-Gebirges, im Grenzgebiet zwischen China und Pakistan liegt der Gasherbrum II. Leiter der elfköpfigen Expedition – neun Männer und wir zwei Frauen – ist Luis Stitzinger.

Karakorum-Highway

Von Islamabad geht es mit dem Bus zwei Tage lang 800 Kilometer auf dem berühmten Karakorum-Highway in den Nordosten des Landes.

In den 50er Jahren wurde der Bau des Karakorum-Highways international ausgeschrieben, doch ausnahmslos alle Industrienationen lehnten ihn als völlig undurchführbar ab. Gebaut wurde die Straße, die die Hauptverbindung zwischen Pakistan und China darstellt, schließlich in zwölf Jahren Bauzeit durch ein Heer von 25.000 chinesischen und 15.000 pakistanischen Arbeitern. Auch heute noch sind 1.500 pakistanische Soldaten täglich damit beschäftigt, die oftmals von Erdrutschen, Steinschlag und Lawinenabgängen blockierte Straße befahrbar zu halten – dies sollte uns bei unserer Rückreise nicht erspart bleiben.

Die Auswirkungen des schlimmen Erdbebens aus dem Vorjahr sind hier noch deutlich zu sehen: Eingestürzte Gebäude, Auffanglager der UN – hier vor Ort gewinnt man einen sehr guten Eindruck, was eine Katastrophe dieses Ausmaßes für eine so arme Region bedeutet.

Askole: Ausgangspunkt erreicht

In Skardu, der letzten Stadt auf dem Weg ins Basislager, sind wir beim WM-Viertelfinalsieg der Deutschen über Argentinien hier „am Ende der Welt“ sicherlich die treuesten Fußball-Fans. Am nächsten Tag erreichen wir per Jeep Askole am Fuße des riesigen Baltoro-Gletschers. Diese Siedlung ist Ausgangspunkt für alle Expeditionen zu den Achttausendern Gasherbrum I und II, Broad Peak und K2.

Trekking ins Basislager

Nun können wir uns voll und ganz auf den außergewöhnlich schönen Anmarsch zum Basislager freuen. Nicht nur 110 Träger samt unserer Ausrüstung, sondern auch strahlend blauer Himmel sowie die tosenden Wogen des Braldu-Flusses sind unsere ständigen Begleiter auf diesem 120 Kilometer langen, achttägigen Marsch.

Die Landschaft ist gewaltig: Eine Bergberühmtheit steht hier neben der anderen. Am berühmten Concordiaplatz wird der Blick auf den zweithöchsten Berg der Erde, den K2, frei. Über den Abruzzi Gletscher geht es weiter zu unserem Basislager, das sich auf 5050 Meter Höhe auf einer Mittelmoräne am Fuße des großen Gasherbrum-Eisbruchs befindet, umzingelt von wild zerklüfteten Sechs-, Sieben- und Achttausendern.

50jähriges Jubiläum der Erstbesteigung des Gasherbrum II

Anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Erstbesteigung des Gasherbrum II durch eine österreichische Expedition tummeln sich in diesem Sommer 22 Expeditionen am Berg.

Unsere Aufstiegsroute ist mit dem SW-Sporn die der Erstbegeher.

Aufstehen um Mitternacht

Sind wir auf dem Trekking morgens schon immer recht früh aufgestanden, so werden wir am Berg nun endgültig nachtaktiv, denn tagsüber ist es in der Gasherbrum-Gruppe schon fast zu heiß zum Bergsteigen. So stehen wir zu unseren einzelnen Etappen meist zwischen Mitternacht und 3.30 Uhr auf und sind dann am frühen Morgen in den Hochlagern. Tagsüber halten wir es wie die Spanier und machen Siesta. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, der wird bei 40 Grad Celsius gegrillt.

Akklimatisation und Aufbau der Hochlager

Während wir die Hochlager aufbauen, d.h. Verpflegung, Ausrüstung und Zelte mühsam nach oben transportieren, akklimatisieren wir uns gleichzeitig. Das z.T. anspruchsvolle Gelände und die schweren Rucksäcke zehren an unseren Kräften.

Zum ersten Hochlager muss vom Basislager aus zunächst ein acht Kilometer langer, zerrissener Gletscherbruch durchquert werden, in dem allzeit einsturzbereite Eistürme und dünne Spaltenbrücken lauern. „Inschallah“ (so Gott will) erreicht man bzw. frau nach ca. siebenstündiger Gehzeit das erste Hochlager auf 5950 Meter und – Fußball-WM in Deutschland hin oder her – den schönsten Fußballplatz auf dieser Welt, den haben eindeutig wir hier: In einem eindrucksvollen, brettl-ebenen Gletscherkessel, umrahmt von den Gasherbrums I bis V, bauen wir unsere Zelte auf.

Das zweite Hochlager wird in ca. vierstündiger Aufstiegszeit über die „Banana-Ridge“ auf 6550 Meter erreicht.

Weiter geht es über die stark vergletscherte, mit Fixseilen versicherte Südwestflanke in dreieinhalb Stunden bis auf 6950 Meter, wo wir unser Lager 3 aufbauen.

Damit ist auch die Akklimatisationsphase abgeschlossen und der Weg frei für den Gipfelgang.

Die Ruhe vor dem Sturm

Zunächst aber heißt es, sich im Basislager zu erholen und Kräfte zu sammeln; essen, duschen, Wäsche waschen, Seele baumeln lassen und fast täglich per Satellitentelefon in Innsbruck den Wetterbericht einzuholen. Der sagt für den 29. Juli 2006 perfektes Gipfelwetter voraus und so verlassen wir am 26.7. in stockfinsterer Nacht das Basislager in Richtung Lager 1.

Gipfelerfolg

Tag für Tag schrauben wir uns höher, bis wir mit Lager 3 (6950 m) das Sprungbrett für die Gipfeletappe erreicht haben. Am 28.7. starten wir, ausgerüstet mit Daunenkleidung, abends

um 23 Uhr. Über eine unangenehme, brüchige Felsrippe erreichen wir noch im Dunkeln das Lager 4 auf 7350m. Ein ungemütlicher Platz, ein wahrer Zeltfriedhof – wir sind froh über unsere Entscheidung, dieses Hochlager auszulassen.

In der weiten Traverse, die unter dem steilen Felsdreieck des Gipfels hindurch zum Ostsattel leitet, wird es langsam hell und im Sattel selber, wir sind nun auf der chinesischen Seite des Berges, kitzelt uns dann endlich die Sonne im Gesicht; fast ist es nun in der Daunenkleidung zu warm!

Der nun folgende 45 Grad steile Gipfelhang erfordert nochmals eine gehörige Kraftanstrengung. Der berühmt-berüchtigte Reitersitz über den Gipfelgrat bleibt uns erspart; zwar ausgesetzt, aber zu Fuß erreichen wir – neun von zehn Teilnehmern zusammen mit unserem Expeditionsleiter – den Gipfel. Der unbeschreibliche Blick zum greifbar nahen K2 und Broad Peak lassen uns die Anstrengungen des 13 1/2 stündigen Aufstiegs für einen Moment vergessen. Über eine Stunde lang genießen wir bei strahlend blauem Himmel, angenehmen Temperaturen und Windstille das Panorama und unser Gipfelglück – dem Himmel so nah.

Gesunde Rückkehr

Zwei Tage später sind wir wohlbehalten und gesund im Basislager zurück und werden von einer österreichischen Expedition Spalier stehend empfangen.

Bei Tee und Keksen genießen wir beide Frauen unseren Erfolg und träumen – unsere Körper, Kleidung und Ausrüstung sind noch gezeichnet von den Strapazen der letzten Tage – von den angenehmen Dingen der Zivilisation: Massage, Gesichtbehandlung, Pediküre, Kaffee trinkend und Kuchen essend in einem Münchner Café sitzen und und und.

Die Rückreise gestaltet sich dann beinahe anstrengender als die Besteigung des 13. höchsten Gipfel der Erde: Aufgrund des verspäteten Eintreffens der Träger im Basislager müssen wir in einer Eilaktion in drei Tagen nach Hushe trekken. Belohnt werden wir jedoch mit einer mystischen, traumhaften Vollmondnacht, in der wir den Gondogoro La (5650m) überqueren. Jeeps bringen uns nach Skardu. Dann jedoch verbringen wir eine Nacht im Bus, weil ein Teil des Karakorum-Highways nach starken Regengüssen des Monsuns weggespült worden ist. Anderntags übernehmen Träger unser Gepäck und wir waten 15 Kilometer durch Schlamm und Schutt bis die Straße wieder befahrbar ist. Tag und Nacht sind wir nun unterwegs, um letztendlich gerade noch pünktlich in Islamabad unseren Rückflug nach Deutschland zu erreichen.

Es gibt im englischen Sprachraum drei goldene Regeln für Expeditionen: Come back alive, come back friends, get to the top – in that sequence. Alle drei Punkte haben wir tadellos erfüllt.

Und als wir beide dann, kaum eine Woche nach unserer Rückkehr, wirklich an einem lauen Sommerabend in einem Münchner Café sitzen und die Expedition Revue passieren lassen, sind wir wieder und immer noch „Dem Himmel so nah“. All` die Strapazen sind schnell vergessen, wenn wir daran denken, dass wir im Jahrhundertsommer im Karakorum unseren ersten Achttausender bestiegen haben.

Elisabeth dankt der Firma Leki für ihre Unterstützung, Alix dankt ebenfalls Leki und sehr herzlich den Firmen Marmot und Ortovox.

Unterstützter der GII Expedition:

Leki

Marmot

Ortovox

Text: Alix von Melle & Elisabeth Rieber

Bilder: H. Hofmann, A. von Melle, E. Rieber, L. Stitzinger



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