Zustieg zur Meteostation (Foto: Andi Riesner)Zustieg zur Meteostation (Foto: Andi Riesner)
17 Juni 2008

Skibergsteigen in Georgien

Ski- und Eistouren auf und um den Kazbek in Georgien...

Peter Schön und Andi Riesner waren von 20. Mai bis 4. Juni in Georgien um dort in erster Linie mit den Tourenski unterwegs zu sein.

Georgien ist ein Land der Berge und wird auf Grund seiner geografischen Lage auch der Balkon Europas genannt. 87% des Landes sind von Gerbirgen und Vorbergen bedeckt. Den höchsten Gebirgszug stellt dabei der Große Kaukasus dar.

Während der 5068m hohe Shkhara der höchste Gipfel des Landes ist, ist der nur 34 Meter niedrigere Kazbek der bekannteste. Trotzdem wird dieser Teil des Landes vor allem im Frühjahr noch immer wenig besucht, bietet jedoch unzählige Möglichkeiten für Individualisten.

Anreise und Zustieg

Die Anreise verlief problemlos und führte uns von Tiflis über Gudauri und den Kreuzpass nach Kazbegi, wo wir eine weitere Nacht verbrachten.

Trotz nächtlichem Gewitter war es am nächsten Morgen strahlend blau wir machten uns auf den Weg zur 3676m hoch gelegen Meteostation die uns als Stützpunkt dienen sollte. Da die Rucksäcke ordentlich auf die Schultern drückten, nahmen wir das Angebot eines Einheimischen uns mit seinem 4×4-Lada mitzunehmen, gerne an. Wir verkürzten den Aufstieg zur Meteostation so um 400 Hm und konnten nach 1 Stunde schon die Schi anschnallen.

Ortsveri (4350m) Nordostwand

Der eigentlich geplante Ruhetag nach dem anstrengenden Aufstieg zur Meteostation wurde durch das perfekte Wetter vereitelt - Peter wusste aus Erfahrung, dass man die schönen Tage in dieser Gegend lieber nutzen sollte. Der äußerst kurze Zustieg und die überraschend gute Schneequalität machten uns die Entscheidung nicht allzu schwer. Nach kurzer Überlegung waren wir auch schon am Einstieg unter dem Hängegletscher der Ortsveri NO-Wand.

Direkt drüber oder gleich steil im Schnee links vorbei?

Wir entschieden uns trotz anfänglicher Wühlerei im Pulver für die Variante im Schnee, denn wir hatten die bevorstehende Skiabfahrt im Hinterkopf und konnten so schon nach einer fahrbaren Linie suchen. Bald wurde der Schnee fester und schnell kamen wir höher, ehe wir auf den letzten Metern am Ausstieg kurz auf das Blankeis durch kamen.

Ein kurzer, aber luftiger Firngrat leitet zum Vorgipfel, zum Hauptgipfel dann einfach weiter. Sowohl den Grat als auch die Wand konnten wir entlang unserer Aufstiegspuren bei besten Bedingungen abfahren.

Kazbek (5034m) Überschreitung (Ostrampe – Südflanke)

Es war 2 Uhr als der Wecker klingelte, sternenklarer Himmel und kein Wind zu hören - also raus aus den Schlafsäcken!

Uns interessierte auch die vom Tal aus so schön sichtbare Ostrampe am Kazbek, von der wir keine Infos hatten. Darum wollten wir diesmal eine Erkundungstour in Richtung dieser Ostrampe machen.

Von Beginn an steil ging es unter die SO-Wand, hier hielten wir uns aber rechts und stiegen in etlichen Spitzkehren problemlos in den breiten Pass, welcher direkt zur Ostrampe leitet, auf. Vom Pass (ca. 4360m) steilte sich das Gelände zunehmend auf (40°), bis auf Höhe 4600m. Hier ging es mit Steigeisen und Pickel weiter. Über den nun ca. 45° steilen Hang gelangten wir in einen kleinen flachen Sattel neben dem markanten Gendarmen, wo die Route auf die SO-Wand trifft. Danach folgte der letzte und steilste Teil (50°) wo unter dem angefeuchteten Schnee das blanke Eis durchkam. Spröd und morsch war es noch dazu - also Seil raus und sichern. Wie immer, wenn man den Strick auspackt, dauerte der weitere Aufstieg etwas länger, doch vom Ausstieg zum Gipfel waren es dann nur mehr wenige wenn auch anstrengende Meter.

Bei bestem Wetter, tadelloser Aussicht und relativ milden Temperaturen genossen wir die Gipfelrast. An eine Abfahrt über die SO-Wand war wegen dem Eis nicht zu denken, weshalb wir uns für die Variante über die Südflanke entschieden.

Wir konnten direkt vom Gipfel weg starten und sogar den sonst so oft blank gefegten Steilhang in die Scharte zwischen Haupt- und Westgipfel abfahren. Von dort bogen wir in die Südflanke ab (der Normalroute führt Richtung Norden). Steil, aber nicht extrem ging es schnell talwärts in das flache Hochtal zum Gergeti-Gletscher, wo wir dann in bestem Firn unsere Spuren zurück zur Meteostation zogen.

Eine sehr lohnende Variante wie wir uns einig waren - rassiger Anstieg mit Ski und eisiges Finale!

Elektrozink (4278m)

Am nächsten Tag verhüllten Woken die Gipfel und die Sicht war schlecht. Als dann die Wolkendecke plötzlich immer dünner wurde und sich größere blaue Flecken auftaten, beschlossen wir eine gemütliche Skitour auf den Elektrozink zu unternehmen.

Nur 600 Hm und ein leichter Rucksack - das geht ja fast als Ruhetag durch! Über die sanft geneigte Gletscherzunge ging es schnurgerade auf den ca. 40° steilen, aber nur kurzen Gipfelhang zu. Ein paar Spitzkehren und wir standen am teilweise überwechteten Grat, der zum Gipfel führte. Das Wetter war immer noch ganz passabel, doch ausgerechnet jetzt schob sich eine Wolke über uns und wir hatten kurzeitig Probleme den höchsten Punkt zu finden. Eine gemütliche Abfahrt folgte und schnell waren wir wieder bei der Station.

Entspannt und froh, dass wir jetzt schon so viel erreicht hatten, krochen wir abends in unsere Schlafsäcke.

Tags darauf bescherte uns ein heftiges Gewitter nun doch einen Ruhetag.

Wir rechneten damit, dass mind. 10-15 cm Neuschnee im Gipfelbereich gefallen sind und hofften, dadurch die vor einigen Tagen recht eisigen Passagen in der Kazbek SO-Wand auch mit Ski bewältigen zu können. Aufrund des Windes 2 Stunden später als geplant ging es dann tags darauf erneut Richtung Kazbek.

Versuch Kazbek SO-Wand u. Skiabfahrt Ostrampe

Wieder stiegen wir über den uns schon bekannten Weg in das Kar unter der SO-Wand auf. Im Kessel angekommen querten wir diesmal unterhalb der Felsen kurz nach links und erreichten so das Einstiegscolouir. Schon unterhalb dieser Engstelle war es recht steil und wir schnallten die Ski wieder auf die Rucksäcke. Dank gutem Trittschnee ging es zügig aufwärts. Als wir die Felsen des Gendarmes erreichten kam wieder Bewegung in das Wettergeschehen. Nebel hüllte uns ein und wir waren uns schnell einig, dass es am besten und sichersten sei, wenn wir die Ostrampe, die wir ja schon von unserem Aufstieg kannten, abfahren würden.

Nach dem ersten vorsichtigen Schwung in dem ca. 45° steilen Gelände stellten wir schnell fest, dass die Verhältnisse, abgesehen von der Sicht, eigentlich perfekt waren. Immer wieder kurze Sichtfenster abwartend konnten wir die neue Pulverauflage richtig genießen.

Maili-Khok (4601m) - Spartak (4517m)

Nun hatten wir den westlich des Kazbeks gelegenen Maili-Khok, der ein hervorragende Aussichtsgipfel sein sollte, als Ziel. Bis auf das große Gletscherplateau folgten wir der Kazbek-Normalroute. Es war zwar strahlend blau, aber der Wind pfiff uns noch immer ordentlich um die Ohren. Das völlig von Eis und Schnee bedeckte Plateau vermittelte neue landschaftliche Eindrücke.

Fast arktisch wirkte diese große weiße Fläche ganz ohne Felsen. Der Blick auf den Maili-Khok wurde frei und auch dieser schien ganz und gar aus Eis zu bestehen. Nach einer kurzen Abfahrt folgten wir dem nach oben hin steiler und schmäler werdendem Ostgrat zum Gipfel des Maili (4601m). Trotz starkem Wind verweilten wir einige Zeit am höchsten Punkt um die wirklich gute Aussichtsposition für etliche Fotos zu nutzen. Auch der prominenteste aller Kaukasusgipfel, der Elbrus, war zu sehen. Am Rückweg zum Plateau nahmen wir noch den Gipfel des Spartak (4517m) mit.

Anstatt wie eine zwischenzeitig eingetroffene und aus Lettland stammende Gruppe, die zu Fuß Richtung Kazbek unterwegs war, alles wieder mühsam zurück zu stapfen, konnten wir eine herrliche Abfahrt in Pulver und Firn genießen.

Kaum bei der Meteo angekommen waren auch die Wolken wieder dichter und das Wetter schien wieder schlechter zu werden. Perfektes Timing!

Kazbek (5034m) Südostwand

Nach 2 weiteren wetterbedingten Ruhetagen wollten wir es noch einmal Versuchen.

Zum dritten Male stiegen wir also den Steilhang zur Kapelle und weiter zum Einstieg der SO-Wand auf. Der Harschdeckel war pickelhart und unangenhem zu gehen oder anders ausgedrückt - ich war zu faul die Harscheisen auszupacken… Rasch waren wir wieder im Einstiegscolouir und es ging wieder zu Fuß, mit Steigeisen und Eisgerät bewaffnet, steil aufwärts.

Das Wetter war gut und die Morgensonne tauchte die Eiskuppe über unseren Köpfen in zartes Rosa. Schon während des Aufstieges achteten wir auf die Beschaffenheit des Schnees und dessen Untergrund, um eine fahrbare Linie zu finden und potentielle gefährliche Stellen wie Blankeis oder Bruchharsch zu vermeiden. Oberhalb des Gendarmen kamen wir mit den Eisgeräten zwar wieder auf Eis, doch war die Schneedecke dicker und viel kompakter als beim letzten Mal - das Seil blieb diesmal im Rucksack. Ohne Ballast - Die Rucksäche blieben am Ausstieg - ging es wieder mit angeschnallten Ski zum zweiten Mal auf den Gipfel.

Strahlender Sonnenschein, unter uns ein riesiges Wolkenmeer - lediglich der nach wie vor eisige Wind machte die Sache etwas ungemütlich und so waren wir nach wenigen Schwüngen wieder bei unseren Rucksäcken.

Rucksack gepackt, Schuhe zugenknallt und Z-Wert-Schraube der Bindung kontrolliert - vorsichtig rutschten wir an die Kante und schauten nach unten.

Langsam fuhr Peter in die Flanke ein und machte den ersten Schwung, den zweiten und den dritten. Es ging gut und ich fuhr nach. Abwechselnd fotografierend bzw. fahrend setzten wir die Abfahrt fort. In Wandmitte gab es sogar herrlichen Pulver, in dem man es trotz der Steilheit richtig stauben lassen konnte. Ein paar kurze Bruchharschpassagen brachten wir ebenfalls problemlos hinter uns und schon bald waren wir zurück am Einstieg. Was für eine Abfahrt!

2 Tage in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, rundete unseren Aufenthalt perfekt ab.

Die Routen:

Hüttenzustieg: 1400 Hm ab Kirche, leicht

Ortsveri (4350m) Nordostwand: Wandhöhe 400m, 45°, russisch 3A

Kazbek (5034m) Überschreitung: 1360 Hm, Aufstieg Ostrampe bis 50°, russisch 3B - Abfahrt Südflanke bis 40°

Elektrozink (4278m): einfache und kurze Skihochtour, 600Hm, bis max. 40°, russisch 1B

Versuch Kazbek SO-Wand m. Abfahrt ü. Ostrampe: 1160Hm, bis 45°

Maili-Khok (4601m) und Spartak (4517m): Skihochtour, 1250 Hm, russisch 2B

Kazbek (5034m) SO-Wand: 1360 Hm, Wandhöhe 900m, bis 50°, russisch 3B

Text: Andi Riesner

Weblink

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Zustieg zur Meteostation (Foto: Andi Riesner)
Die Station mit dem Kazbek im Hintergrund (Foto: Andi Riesner)
Ortsveri (4350m) Nordostwand im Morgenlicht (Foto: Andi Riesner)
Peter am Gipfelgrat des Ortsveri. (Foto: Andi Riesner)
Aufstieg zum Kazbek (5034m) über die Ostrampe. (Foto: Andi Riesner)
Peter bei der Abfahrt über die Ostrampe (Foto: Andi Riesner)
Maili-Khok (4601m) vom Spartak (4517m) aus. (Foto: Andi Riesner)
Abfahrt vom Spartak (Foto: Andi Riesner)
Im unteren Teil der Kazbek SO-Wand. (Foto: Andi Riesner)
Im oberen, steilsten Teil der SO-Wand. (Foto: Peter Schön)
Bei Traumwetter am Gipfel des Kazbek (5034m). Am Horizont rechts sieht man auch den Elbrus. (Foto: Peter Schön)
Peter bei der Abfahrt durch die Südostwand. (Foto: Andi Riesner)
Tiflis (Foto: Andi Riesner)
Skibergsteigen in Georgien
Der mächtige Kazbek vom Ort Kazbegi aus. (Foto: Andi Riesner)


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