Tatsächliche und simulierte Höhe in Metern Tatsächliche und simulierte Höhe in Metern
11 Mai 2006

TAR-Helm zur Überdruckbehandlung

An der Universität Innsbruck wird an der Entwicklung eines transportablen Helmes zur Überdruckbehandlung bei Expeditionen gearbeitet...

Einsatz des TAR (Thin Air Rescue)-Helms in extremen Höhen

Akute Höhenkrankheit

Jedes Jahr, suchen weltweit über 37 Millionen Reisende große (>2500m) und extreme (>5300m) Höhen auf. Geschätzte 420 Millionen Menschen leben permanent in Gebirgsregionen, 40 Millionen davon in Regionen oberhalb 2500 Metern und 25 Millionen in Höhen über 3500 Metern Seehöhe.

Zwischen großen und extremen Höhen liegen hier ebenso Welten wie zwischen Trekking und Höhenbergsteigen. Während beim Trekking, das sich meistens unter 5500m abspielt und somit die Mortalität nur 0,01% ( 1 von 10.000 Bergsteigern stirbt beim Trekking) beträgt liegt das Erkrankungs- bzw Verletzungsrisiko beim Höhenbergsteigen bei rund 25%. Die Mortalität beträgt bei Höhenbergsteigen 3% (3 von 100 Bergsteigern sterben beim Höhenbergsteigen) und ist somit 300 mal höher als beim Trekking [Berghold, Physiologie und Medizin der großen und extremen Höhen].

Zu der bitteren Kälte, der extremen Witterung und der Strahlung die in großen und extremen Höhe vorherrscht ist es vor allem der Sauerstoffmangel, der das Leben der Menschen in diesen Regionen bedroht. Jedes Scheitern einer Expedition ist in irgendeiner Weise dadurch bedingt.

Die akute hypobare Hypoxie kann zu verschiedenen Formen der Höhenkrankheit führen:

1. Milde akute Höhe (Acute Mountain Sickness, AMS),

2. Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edema, HACE) und

3. Höhenlungenödem (High Altitude Pulmonary Edema).

Die notfallmedizinischen Konzepte aller Formen der akuten Höhenkrankheit haben in letzter Zeit grundlegende Änderungen erfahren.

Sofortmaßnahmen bei AMS, HACE und HAPE

Die Sofortmaßnahmen bei AMS, HACE und HAPE bestehen aus sofortiger körperlicher Ruhe und einer Kombination aus medikamentöser Therapie, Überdruckbehandlung und sofortigem Abstieg. Rasches Handeln und größtmögliche Geschwindigkeit beim Abtransport ist oberstes Gebot, denn ein ataktischer Patient kann am wenige Stunden später bereits komatös und hoffnungslos verloren sein. Eine Therapie mit einer hyperbaren Kammer gilt zurzeit als Goldstandart für die Zeit bis zum möglichen Abtransport des Patienten.

Transportable Überdrucksäcke seit 1988

Transportable Überdrucksäcke wurden 1988 von Dr. Igor Gamow (University of Colorado) erstmalig beschrieben [Orginalzitat: „A self-contained life support system designed for use with a portable hyperbaric chamber“; Biomed Sci Instrum.; 1989;25:79-81]. Dieser Überdrucksack besteht aus einem widerstandsfähigen, zylinderförmigen Polyamid-Tragsack mit etwas über 2 Meter Länge und etwa 65 cm Durchmesser. Hierbei wird der Erkrankte wird in den Sack gelegt, dieser wird luftdicht verschlossen und daraufhin der Kammerinnendruck mittels Pumpe bis auf eine simulierte Höhe von bis zu 1600 - 2000 m (Maximaldruck 200 mbar) gesteigert. Der Patient verbleibt nun meist ein bis zwei Stunden im Sack. Wegen der mit zunehmender Höhe exponentiellen Druckabnahme ist der durch den Überdruck simulierte "Abstieg" umso größer, je höher man sich mit dem Überdrucksack befindet:

Tatsächliche und simulierte Höhe:

Tatsächliche Höhe und simulierte Höhe:

4000 m - 1650 m

5000 m - 2450 m

6000 m - 3100 m

7000 m - 3850 m

8000 m - 4500 m

In einigen Studien und in zahlreichen Fallberichten wurde festgestellt, daß eine kurzfristige Überdruckbehandlung einen raschen Rückgang der Symptome von AMS, vor allem aber von HAPE und HACE bewirkt.

Als überbrückendes Notfallgerät bei HAPE und HACE dürfte sein stationärer Einsatz auf besonders neuralgischen Punkten, etwa auf hochgelegenen Berghütten, Seilbahnstationen, in höhenmedizinischen Ambulanzen oder vielleicht auch im Basislager einer Großexpedition vorteilhaft sein. Einen Überdrucksack routinemäßig auch auf Trekkingtouren oder auf üblichen Expeditionen mitzuführen, ist aufgrund des Gewichtes des Überdrucksack illusorisch .

Vorteile der transportablen Überdruckbehandlung:

- Sofortige Notfallbehandlung noch in der Höhen durch simulierten Abstieg, falls dieser undurchführbar ist.

- Verbesserung der Symptomatik durch erhöhtes

Sauerstoffangebot

- Ermöglicht oft erst durch die Verbesserung der Symptomatik die Durchführung eines lebensrettenden Abtransportes.

Nachteile des transportablen Überdrucksackes:

- Gewicht der hyperbaren Kammer (Ein Gamowbag wiegt etwa 7 kg)

- Hohe Kosten der hyperbaren Kammer

- Mehrere versierte Helfer zur Anwendung notwendig

- Abtransport in der hyperbaren Kammer sehr schwierig oft sogar illusorisch

- Steht in Hochlagern meist nicht zur Verfügung

- Die kontinuierliche Bedienung der Luftpumpe durch Helfer

Nach dem derzeitigen Wissensstand kann festgestellt werden, dass der Überdrucksack, der mittlerweise Standardausrüstung bei vielen Trekkingtouren und auf Expeditionen geworden ist, im Einzelfall Leben retten kann. Aufgrund des Gewichtes sowie der Immobilität des Patienten ist die Suche nach Neuentwicklungen auf dem Gebiet der hyperbaren Kammer unbedingt notwendig. Eine solche Neuentwicklungen könnte der TAR-Helm sein.

TAR- Helm könnte die Lösung sein

TAR (Thin Air Rescue) Helm: Der TAR-Helm ist ein mit einer Luftpumpe betriebener CPAP- Helms. Dieser wird bereits zur nicht-invasiven Beatmung auf diversen Intensivstationen mit Erfolg zur nicht invasiven Beatmung eingesetzt. Der CPAP-Helm wird stets in Verbindung mit einem mechanischen Beatmungsgerät benützt. Eine Nutzung ausserhalb von Intensivstationen oder dem organisierten Rettungsdienst ist bisher nicht beschrieben.

Der TAR-Helm stellt die Kombination des CPAP-Helms mit einem PEEP-Ventil und einer mechanischen hand- oder fussbetriebenen handelsüblichen Luftpumpe, wie diese bereits bei den Überdrucksäcken verwendet werden, dar. Mit Hilfe dieser Luftpumpe kann ein Helfer oder, und das ist einer der wesentlichen Unterschiede zum den bisher verwendeten Überdrucksäcken selbst Luft in den TAR-Helm pumpen und somit einen hyperbaren Umgebungsluftdruck erzeugen. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit dem TAR-Helm nur Kopf und Hals bedeckt sind und somit die Mobilität des Patienten damit erhalten bleibt. Der Patient kann seine Arme und Beine während der Therapie frei bewegen. Somit wäre ein sofortiger Abtransport unter laufender hyperbarer Therapie möglich und die Therapie müsste nicht wie bei den Überdrucksäcken zum Transport unterbrochen werden.

Versuchsplanung

1)Im Rahmen einer Expedition auf den Pik Lenin (7134m) in Kirgistan soll der TAR-Helm zum Einsatz kommen.

2)Der CPAP-Helm findet bereits seit Jahren in der Therapie von respiratorisch insuffizienten Patienten Einsatz auf diversen Intensivstationen und im organisierten Rettungsdienst. Wir verwenden den NIV-Helm mit Notluftventil, aufblasbarem Luftkissen und Manipulationsport der Firma STARMED.

3)Der Helm für die non-invansive Ventilationstherapie (N.I.V.) ist durch sein reduziertes Volumen und die niedrige Compliance optimal für „nicht invansive Beatmung“ geeignet. Er besteht aus latexfreiem PVC. Zudem verwenden wir ein PEEP-Ventil mit einem Druck bis 20mmHg.

4)Auch die Luftpumpe ist bereits seit Jahren zur Therapie von höhenkranken Bergsteigern jedoch nur in Kombination mit hyperbaren Kammern im Einsatz. Pro Zug fördert die Pumpe 2l . Ziel ist ein Flow von > 35l/min (vom Hersteller des Castar-Helms empfohlen).

Neu ist die Kombination von CPAP-Helm mit PEEP-Ventil und Luftpumpe, welches als TAR-Helm bezeichnet wird.

4)Hierbei wird im Basecamp sowie in sämtlichen Höhenlagen Probanten der TAR-Helm angepasst. Das Basecamp ist auf 3700m geplant. Das erste Höhenlager wird auf 4400m, das zweite Höhenlager auf 5300m, das dritte Höhenlager und eventuell das vierte auf 6400m angelegt werden. Während der jeweils 30- bis 60- minütigen Behandlungsdauer werden die simulierte Höhe in der hyperbaren Kammer sowie die Sauerstoffsättigung, die Atemfrequenz und die Herzfrequenz des Probanten gemessen. Zudem muss jeder Proband zusammen mit den Arzt vor und nach der hyperbaren Behandlung einen AMS-Worksheet ausfüllen.

5)Zudem wird grösstes Augenmerk auf die Praktikabilität und Benutzerfreundlichkeit der Helm –Anwendung gelegt.

Teilnehmer

geplant 3 Ärzte, 1 medizinischer Mitarbeiter

1. Projektleiter: Univ. Prof. Dr. R. Koch

2. Univ. Prof. DDr. M. Burtscher

3. Dr. L. Hinterhuber

4. medizinischer Mitarbeiter : Dr. M. Faulhuber

7-10 Expeditionsteilnehmer

Tourenverlauf (Reisebericht des Reisebüros DIAMIR)

22.07.2006

Flug mit einem Zwischenstop nach Bischkek.

23.07.2006

Ankunft in den frühen Morgenstunden und Transfer in unser Hotel in Bischkek.

24.07.2006

In den Morgenstunden Transfer zum Flughafen und kurzer Flug nach Osch. Gleich im Anschluss fahren wir in den Pamirtrakt. Über Sary Tasch erreichen wir das Pamiro-Alai-Tal, in dem sich auch das Alpinistenlager Atschik Tasch befindet. Bereits aus der Ferne ist der schneebedeckte Pamir-Hauptkamm zu sehen, dessen höchster Punkt hier der 7.134m hohe Pik Lenin ist. Wir sind den ganzen Tag unterwegs, ehe wir am späten Nachmittag das Basislager am Fuße des Berges in 3.700m Höhe erreichen. Hier wird für die nächsten Tage unser Zuhause sein. Erste Übernachtung im Zelt.

25.07.2006

Unser erster Tag im Basislager. Mit kleinen Wanderungen und vor allem mit viel Flüssigkeitszufuhr versuchen wir, uns an die Höhe von immerhin bereits 3.700m zu akklimatisieren. In aller Ruhe wird das Basislager komplett eingerichtet. Von heute an bleiben uns 18 Tage Zeit für die Besteigung des Pik Lenin. Hier beginnen nun die ersten Experimente mit dem TAR-Helm.

26.07. – 12.08.2006 Besteigung des Pik Lenin

Zunächst werden wir gemeinsam kleine Touren zu den umliegenden Bergen unternehmen. Unter Umständen kommt eine Besteigung des Pik Petrovskowo (ca. 5.100m) in Betracht. Eine Wanderung bis zum ca. 4.000m hohen Pass der Reisenden, der auf dem Weg zu Lager 1 überschritten werden muss, ist eine andere Möglichkeit der allmählichen Anpassung an die Höhe. Nach etwa 3 Tagen wird es langsam ernst: wir rüsten uns zum Marsch ins Lager 1 (ca. 4.200m) auf dem Leningletscher. Dies ist bereits eine relativ lange Tagestour. Als bereits die anschließende Schotterpiste zum Pass der Reisenden hinauf erfordern einige Anstrengungen. In den Höhenlagern jeweils wieder Messungen mit dem TAR-Helm.

Der Weg auf dem Gletscher zieht sich ziemlich in die Länge, ehe endlich das ersehnte Lager 1 erreicht ist. Erst nach insgesamt etwa 6 bis 8 Stunden Gehzeit sind wir schließlich am Ziel. Um die lange und mühsame Etappe ins Lager 1 nur einmal zurücklegen zu müssen, nehmen wir alle erforderliche Ausrüstung gleich beim ersten Mal mit. Die Verpflegung und Gemeinschaftsausrüstung für die kommenden beiden Wochen wird mit Mulis oder Pferden transportiert, so dass wir im Lager 1 eine Art vorgeschobenes Basislager einrichten können. Am Abend werden also dann die Zelte aufgestellt und das Lager eingerichtet. In Abhängigkeit vom Wetter und der körperlichen Verfassung der Gruppe wird am folgenden Tag im Lager 1 gerastet oder eine kleine Tour in Richtung Lager 2 unternommen.

Lager 2 selbst ist in etwa 5.300m Höhe geplant. Die Etappe bis dorthin beinhaltet ca. 4 bis 6 Stunden Gehzeit (bis 1990 befand sich dieses Hochlager in einer scheinbar geschützten Mulde am westlichen Rand des Leningletschers, der sich durch die gesamte Nordwand zieht; seit dem Erdbeben von 1990 befindet sich das Lager 2 nun in sicherem Abstand zum Gletscher auf einer kleinen Anhöhe).

Auch dieses Lager muss mit Zelten und Lebensmitteln versehen werden. Beim Aufstieg dorthin ist es besonders ratsam, morgens zeitig zu starten, um kraftsparender und sicherer über den hart gefrorenen Gletscher nach oben zu gelangen. Vom Lager 2 aus kann man bereits an einem Tag bis zum Lager 3 aufsteigen oder aber erst einmal den Pik Rasdelnaja mit seinen immerhin 6.148m Höhe erklimmen. Hierfür sind etwa 6 Stunden notwendig. Nach den anstrengenden Tagen in großer Höhe ist es ratsam, sich erst einmal wieder bis ins Basislager zur Erholung zurückzuziehen, ehe es zum Gipfelsturm geht.

Nach 1-3 Ruhetagen im Basislager geht es erneut an den Berg. Gleich am nächsten Tag soll es zum Lager 2 und tags darauf zum Lager 3 weitergehen. Wenn das Wetter mitspielt, ist der folgende Tag für den Gipfelsturm vorgesehen. Wenn es die Nachttemperaturen und der Wind zulassen, starten wir noch im Dunkeln unseren Gipfelaufstieg zum Pik Lenin. Der Weg bis zum Gipfel ist technisch nicht besonders schwierig, zieht sich jedoch über ausgedehnte Schneefelder in die Länge. Längst ist die Sonne über dem zentralen Pamirtrakt aufgegangen, wenn wir hoch oben dem Gipfel entgegenstreben. Je nach körperlicher Verfassung und den herrschenden Schneebedingungen werden wir für den Gipfelsturm zwischen 5 und 9 Stunden benötigen. Der Gipfel des Pik Lenin ist auf 7.134m erreicht. Im Süden und Westen sind die Schnee- und Eisriesen des zentralen Pamir mit der auffallenden Gipfelpyramide des Pik Kommunismus zu sehen. Im Norden dagegen fällt das Gebirge abrupt annähernd 4.000 Höhenmeter ab und die grünen Wiesen des Basislagers sind ein unbeschreiblicher Kontrast zu unserem gegenwärtigen Standpunkt.

Nach kurzer Gipfelrast wartet der Abstieg, der - wie an jedem Berg - nicht zu unterschätzen ist!. Der Weg bis ins schützende Lager 3 ist lang und anstrengend - 2 bis 4 Stunden sind dafür einzukalkulieren. Erst mit Erreichen der Zelte ist der anstrengende Gipfeltag vorüber. Am nächsten Morgen gilt es, zügig das Lager abzubauen und nach Möglichkeit bis ins Lager 1 abzusteigen, wobei Lager 2 gleichzeitig mit geräumt wird. Jeder Schritt in die tieferen Lagen bringt uns in „dickere Luft“ und mindert so die Anstrengungen. Tags darauf wird schließlich auch noch das letzte Lager geräumt.

13.08.2006

Es heißt Abschied nehmen vom Basislager am Pik Lenin. Mit dem Auto geht es in mehrstündiger Fahrt zurück in die Zivilisation. Am Abend erreichen wir Osch, wo wir erstmals wieder ein festes Dach über dem Kopf und eine Dusche genießen können.

14.08.2006

In den Morgenstunden verlassen wir Osch und fliegen zurück in die kirgisische Hauptstadt Bischkek.

15.08.2006

Transfer zum Flughafen und Rückflug nach Deutschland.

Ziel Die Entwicklung einer hyperbaren Behandlungsform die einfach anwendbar und aufgrund des geringen Gewichtes problemlos bei sämtlichen Expeditionen mitgeführt und somit einer Vielzahl von Expeditionsteilnehmern zugeführt werden kann.

Projektleiter:

Univ. Prof. Dr. Robert Koch

Universitätsklinik für Innere Medizin

Anichstrasse 35

A-6020 Innsbruck, Austria

Text und Fotos:

Univ. Prof. Dr. Robert Koch

(Projektleiter)

Univ. Prof. DDr. Martin Burtscher(Vizepräsident der ÖGAH)

Webtipp: Medizinische Universität Innsbruck

Dieses Projekt wird nur durch grosszügige Unterstützung unserer Sponsoren ermöglicht:

Austrialpin

Diamir

Merck

mpö

DAV-Summit Club



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