Am Yellow Band kurz vor dem South Col auf 7850 m / Everest 2017 (c) Martina Bauer Am Yellow Band kurz vor dem South Col auf 7850 m / Everest 2017 (c) Martina Bauer
28 Juli 2017

Wie hoch sind 8000 Meter?

Einmal auf einem 8000er stehen, das ist schon ein Traum! Aber wie gehe ich das an, wie bereite ich mich vor, damit die Expedition auch erfolgreich wird?

Einmal auf einem 8000er stehen, das ist schon ein Traum! Aber wie gehe ich das an, wie bereite ich mich vor, damit die Expedition auch erfolgreich wird? Die österreichische Expeditionsbergsteigerin Martina Bauer gibt wertvolle Tipps zum erfolgreichen Expeditionsbergsteigen.

Ich habe bis dato an zehn 8000er Expeditionen teilgenommen (2006, 2007 und 2011 Cho Oyu, 2012 Gasherbrum II, 2013 Dhaulagiri, 2014 Shisha Pangma und Manaslu, 2015 und 2016 Makalu, 2017 Everest), aber erst einmal einen Gipfel erreicht (Manaslu). Waren daher 9 der 10 Expeditionen nicht erfolgreich?

Das kommt ganz auf den Blickwinkel an. Und warum man einen Gipfel nicht erreicht hat.

Ich bezeichne eine Expedition dann als erfolgreich, wenn ich auch heil wieder nach Hause komme.

Heuer wurden am Everest (Südseite) ein Pakistani und sein Sherpa mit schwersten Erfrierungen nach Erreichen des Gipfels gerettet. Es waren viele Sherpas im Einsatz und die beiden wurden zusammengeschnürt wie Pakete bis über die Lhotsewand hinuntergelassen und mit dem Heli ins Krankenhaus nach Kathmandu geflogen. Dem Pakistani wurde zu seiner erfolgreichen Besteigung des Everest gratuliert. DAS verstehe ich nicht als erfolgreich.

Man muss schon bereit sein aus seiner Komfortzone rauszugehen

Es gibt gute Gründe warum man umdreht bzw. umdrehen sollte. Schlechtes Wetter, Sturm, Lawinengefahr, Krankheit, Hilfeleistung für einen anderen Bergsteiger, ...

Und es gibt tausend Gründe immer wieder an einer 8000er Expedition teilzunehmen. Es ist einfach ein tolles Gesamterlebnis für das man gerne ein paar Unanehmlichkeiten in Kauf nimmt.

Man muss schon bereit sein aus seiner Komfortzone rauszugehen, sich teilweise fast bis zum Limit zu quälen und auf einen gewissen Hygienezustand zu verzichten. Duschen jeden Tag ist nicht – wenn’s die Temperaturen zulassen maximal einmal pro Woche, eher alle zwei Wochen. Und es kann schon mal vorkommen, dass man eine Woche oder länger untätig im Basislager ausharren muss, um eine Schlechtwetterperiode durchzusitzen.

Eine gute Vorbereitung, Training versteht sich von selbst. Drei bis vier Mal pro Woche eher lange, ein paar Stunden dauernde Ausdauereinheiten wären sinnvoll (Berglaufen, Schitouren, Mountainbiken). Und das nicht nur drei Monate vor Abreise. Man sollte schon generell ein begeisterter und langjähriger Ausdauersportler sein und auch die Psyche braucht eine langjährige „Schulung“ (Ertragen von langen Hochlagernächten, große Kälte, aber auch große Hitze, Entbehrungen punkto Nahrung, Hygiene, …)

Vorakklimatisation

Vorakklimatisierung macht aus meiner Sicht nur Sinn, wenn man diese auf 4000m plus absolvieren kann. Aber wer hat schon die Zeit auch noch zwei Wochen in die Westalpen zu fahren, bevor man sich für sechs bis acht Wochen in den Himalaya begibt?

Vom Akklimatisieren in Hypoxiezelten halte ich nichts. Die bestehenden Rahmenbedingungen am Berg (Kälte, Hunger, Anstrengung, …), die den Körper stark beeinflussen fehlen dort.

Ich akklimatisiere gerne direkt am Berg, am besten bereits mit einem vernünftigen Anmarschtrekking, da dies für mich zum Gesamterlebnis der Expedition dazugehört. Wichtig dabei ist, das Akklimatisieren mit Ruhe anzugehen. Wettrennen am Berg sind sicher kontraproduktiv.

Ausreichende Höhenerfahrung für einen 8000er ist aus meiner Sicht eine Grundvoraussetzung. Der Kilimanjaro oder ein niedriger 6000er sind sicher nicht ausreichend. Aconcagua, Huascaran Sur, Muztagh Ata, also ein paar hohe 6000er oder 7000er sollte man bereits in den Beinen haben. Vorallem um sich selbst in der Höhe zu kennen und nicht gleich zu verzweifeln, weil das Leistungsniveau stark gesunken ist oder in Panik zu geraten, wenn sich mal Kopfweh oder Schnappatmung einstellen.

Einsteiger-8000er

Als „Einsteiger-8000er“ eignet sich wohl der Cho Oyu am besten. Er zählt zwar mit seinen 8201m nicht zu den allerniedrigsten 8000ern, dafür hat man kaum mit technischen Schwierigkeiten zu rechnen (Abseilen muss man aber schon selbständig sicher können ...) und die objektiven Gefahren wie Spalten oder Lawinen halten sich in Grenzen. Zu bedenken ist eventuell, dass der Cho Oyu von Tibet aus bestiegen wird und es manchmal Schwierigkeiten mit der entsprechenden Genehmigung aus China gibt. Alternativ käme der Manaslu mit 8163m in Frage, der den Vorteil hat in Nepal zu liegen, aber bereits deutlich schwieriger ist und oft unter Schneemassen und Lawinengefahr „leidet“. Die Gipfelchancen am Cho Oyu sind wahrscheinlich höher.

Zusatz O2?

Viele „Einmal-8000er-Aspiranten“ (vorallem Asiaten) haben ausschließlich den Everest im Visir. Der ist aber für den „Normal“-Höhenbergsteiger nicht mehr komplett ohne Flaschensauerstoff machbar. Ab ca. 8500m kommt nochmals ein Sprung – ab dieser Höhe schaffen es nur ganz wenige sich ohne zusätzlichen Sauerstoff zu bewegen. Meist wird am Everest (Südseite) ab Lager 3 (ca. 7100m) mit Zusatz-O2 aufgestiegen, spätestens jedenfalls ab dem Südsattel auf 7900m.

Da muss man sich überlegen, ob man das will. Ob man Flaschensauerstoff benützen will. Zusatz-O2 macht den Berg je nach Durchflussrate um 1500 bis 2000 Höhenmeter niedriger. Warum fahre ich also zu einem 8000er, wenn ich dann in Wirklichkeit einen 6000er bestiegen habe? Da kommt es darauf an, was man will – unbedingt den Gipfel erreichen, oder tatsächlich das Erlebnis 8000er Bergsteigen haben. Die Gipfelchancen sind sicher unter Zuhilfenahme von Zusatz-O2 größer – jedenfalls an den „Big Five“ Everest, K2, Kanchenjunga, Lhotse und Makalu.

Ich habe heuer am Everest zwischen 7200m und 7900m das erste Mal Zusatz-O2 probiert. Ich habe alle überholt. Aber es hat sich nicht richtig angefühlt. Ich konnte dann am Südsattel auf 7900m problemlos ohne O2 schlafen. Den Gipfel des Everest habe ich nicht erreicht; auch nicht probiert. Ich habe wegen Sturm nach der Nacht am Südsattel wieder umgedreht.

Für mich habe ich festgestellt, dass ich Zusatz-O2 nicht verwenden möchte, und dass ich eine Schlafhöhe von 7900m durchaus gut vertrage. Einem Versuch ohne Flaschensauerstoff am Nachbarberg, dem 8516m hohen Lhotse, steht also nichts im Wege.

Auf seinen Körper und sein Gefühl hören!

Wichtig ist, dass man ehrlich auf seinen Körper und sein Gefühl hört. Wenn ich umdrehen muss, weil ich einfach zu schwach bin, dann sollte ich mir schon überlegen, ob ich ausreichend trainiert habe und gut akklimatisiert bin, oder ob ich eventuell so große Höhen doch nicht vertrage. Dann wäre es vielleicht besser, sich niedrigeren – aber durchaus auch lohnenden! – Zielen zuzuwenden.

Jedenfalls macht es für den 8000er-Beginner durchaus Sinn sich einem europäischen kommerziellen Veranstalter anzuschließen. Am Beginn fehlt noch die nötige Erfahrung. Westliche kommerzielle Anbieter bieten viele Annehmlichkeiten und jeglicher organisatorischer Aufwand wird einem abgenommen. Man kann sich voll und ganz auf sich selbst konzentrieren. Und man hat durchaus genug mit sich selbst zu tun!

Später – nach ein paar 8000er-Expeditionen und dem gewonnenen Erfahrungsschatz kann man Geld sparen, wenn man sich „nur“ einer lokalen Organisation bedient. Vor allem wenn man nur Basecamp Service in Anspruch nehmen will, keinen Bergführer benötigt, gerne selbst plant und organisiert, seine Hochlagerausrüstung wie Zelte und Hochlagernahrung selbst mitbringt, und das Fixseilversichern des Berges geklärt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist man dann wahrscheinlich schon Teil einer 8000er-Freundesgruppe. Und man sitzt nicht mehr an Winterabenden am Sofa und blättert in Expeditionskatalogen, sondern philosphiert bereits beim Raustrekken von der soeben beendeten Expedition über mögliche nächste Ziele. Meist steht das Ziel beim Abschluss-Bier auch schon wieder fest! :-)

Text: Martina Bauer 

www.coaching8000.at

Gasherbrum II Expedition 2012



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