Nach zehn Tagen Kletterpause bei meinem Freund Judd in Aukland, bin ich gemästet wie eine Weihnachtsgans. Die einzigen moves die mache, sind zum Kühlschrank und dann wieder zurück zur Couch vor dem Fernseher. Ob es meine paar Kilo mehr sind, die den Flieger so furchtbar durcheinander beuteln? Wohl kaum, und so sehe ich es eher als Omen für „down under“, das Land der Beuteltiere. So einzigartig wie die Tierwelt ist auch das Klettern an den Sandsteinfelsen in New South Wales und Victoria. Sie sind die nächsten Ziel von mir und meiner Freundin Petra, die bereits in Sydney auf mich wartet.
Sydney und die Blue Mountains
In Sydney genießen wir die Gastfreundschaft von Chris und Karen, die uns nicht nur bei sich wohnen lassen, sondern auch gleich zum Klettern mitnehmen. So bekomme ich am ersten Tag am „Sissy Crag“ mitten in Melbourne bereits Australischen Sandstein unter die Finger. Ein nettes kleines Bouldergebiet, welches sich ideal für alle Kletterer anbietet, die in Sydney ankommen.
Das nächste Ziel sind dann die Blue Mountains. Nach zwei Stunden kommen wir auch schon in „Blackheath“ an, dem unumstrittenen Kletterzentrum des Landes. Viele Kletterer aus ganz Australien und sogar Neuseeland haben sich hier niedergelassen und bilden eine extrem lebendige Szene. Ihr Spielplatz sind die kilometerlangen Felsbänder, welche sich an den Abbrüchen der „Blauen Berge“ entlang ziehen.
Uns gefällt der leistige Fels sehr gut, nur mit dem eigenartigen System der „carrot bolts“ kommen wir noch nicht so gut zurecht. Viele Routen sind nur mit Bohrhaken ohne Lasche abgesichert. Über die Schraube, die in einem Expansiongewinde steckt, muss man dann selber seine „hangers“ drüberlegen. Und die trägt man in ca. einem Dutzend in seinem Chalkbag mit sich. Alles klar? Das macht auch die leichteren Routen zu einem ziemlichen Ausdauertest. Aber zum Glück gibt es weit mehr Linien, die bestens mit Klebehaken abgesichert sind.
Wer mit Australien nur Sonnenschein und tropische Temperaturen verbindet, den muss ich hier leider enttäuschen. Auch ich staune nicht schlecht als sich am zweiten Tag der Himmel immer mehr verdunkelt und es so kalt wird, dass uns die Finger einfach nicht mehr warm werden wollen. Bald darauf sitzen wir schon im „Gardener´s“ vor einem Kaminfeuer, als es draußen sogar zu schneien beginnt. Da war dann natürlich aus Maus für uns und wir müssen entsprechend enttäuscht die Rückreise nach Sydney antreten.
Grampians
Etwa 4 Stunden westlich von Melbourne liegen die „Grampians“. Hier finden wir nicht nur wunderbare Sandsteinfelsen sondern auch das Australien Klischee pur. Viel Busch, rote Erde, Kangaroos und Emus.
Am Beginn kostet es mich ein wenig Zeit wieder in das trad Klettern reinzukommen. Aber in den Klassikern des beeindruckenden Amphitheater der Taipan Wall komme im beim Vorsteigen in Routen wie „Simpleton“ 17 oder „Navarre“ 18 , „Spillway“ 18 und „Sweet Dreams“ 19 bald auf Touren.
Der Sandstein hier ist gewaltig. Er hat alle erdenklichen Formen, eine super Reibung und verschluckt meine Friends und Keile mit unglaublichem Appetit. Als Kletterer kann das einem ja nur lieb sein, denn so erschließen sich einem Linien mit unterschiedlichstem Charakter.
Gleich neben dem Amphitheater der Taipan Wall liegt das „Summerday Valley“. Dieser Sektor bietet viele Einseillängenrouten in den Graden 5 bis 30. Wer das erste Mal nach Australien kommt und mit dem trad Klettern noch keine bis wenig Erfahrung hat, der ist hier genau richtig um seine ersten Schritte zu setzen.
Abwechslungsreiches Gelände, sehr gute Absicherungsmöglichkeiten und überschaubares Gelände. Es ist auch sehr einfach, von oben Top Rope Stationen einzurichten.
Um uns die tollen Bouldermöglichkeiten der Grampians nicht entgehen zu lassen, besuchen wir den „Hollow Mountain“, die „Anderssons“ und das „Amphitheatre“. Dabei eröffnet sich uns entweder ein toller Blick in die Landschaft, wie vom Hollow Mountain, oder wir tauchen so richtig in den Busch ein werden dabei von den Schreien des Kookaburra begleitet. Zudem ist es einfach klasse, dass es hier in allen Graden genügend Boulder gibt, und so können sowohl Petra als auch ich den ganzen Tag nebeneinander klettern.
Wer dann doch noch Lust auf etwas Sportklettern hat, könnte wie wir in der „Gallery“ vorbeischauen. Hier warten nicht nur ein Dutzend steiler Routen ab dem Grad 23 auf einem, sondern auch ein wunderbarer Ausblick auf die Grampians.
Mt. Arapiles
Nördlich der Grampians ragt der 200 Meter hohe Mt. Arapiles aus der brettlebenen Landschaft. Schon von weitem sieht man das etwa 2 km breite Felsband auf seiner Südseite, welches wieder einmal Sandsteinkletterei vom Allerfeinsten bietet.
In den kommenden sechs Wochen saugt und der Fels völlig in sich auf, macht uns anscheinend Raum und Zeit vergessend. Wir klettern manchmal an sechs Tagen der Woche, wobei wir zwischen Mehrseillängen Routen, schwereren „single pitches“ und Bouldern abwechseln.
Eine Auswahl an Mehrseillängen Klassikern die absolut zu empfehlen sind lautet: „Watchtower Crack“ 17, „Siren“ 9, „Syrinx“ 10, „The Shroud“ 10, „Muldoon“ 13, „Arachnus“ 9, „Conifer Crack“ 9.
Mir gefallen auch hier die Risse besonders gut und es gelingt mir auch einige der Klassiker abzuknipsen. Folgende Routenhaben mirbesonders gut gefallen: „Electra“ 19, „Birdman of Alcatraz“ 24, “Scorpion Crack” 18, „Scorpion Corner“ 22, “Kachoong” 21, “Horroscope” 24, „Orestes“ 24, “Nose Job” 24. Mit den vielen Seillängen traue ich mich dann natürlich immer mehr, und mit „India“, einer 28 oder 7c+, gelingt mir auch meine bisher schwerste Trad Route in meinem Leben.
Am Wandfuß findet man verstreut etwa ein Dutzend Boulderblöcke mit etwa 50 Problemen. Darunter auch ein „squeeze trough“, also ein „Durchquetsch Problem“. Das Eintauchen in den etwa 25 cm breiten und 4 Meter langen Spalt fällt mir ja noch leicht, doch als ich nach 10 Minuten am anderen Ende herauskrieche, fühle ich mich als hätte mich jemand durch einen Fleischwolf gedreht.
Am Mt. Arapiles sind die Campgrounds gleich unter den Felsen und man kann überall zu Fuß hingehen. In den vielen Sektoren findet man alle Arten von Kletterei, alle Grade und alle Wandhöhen von 10 bis 150 Meter. Hat man sich im nahegelegenem Horsham erst einmal mit allen lebenswichtigen Dingen, wie Schokolade und Cafe versorgt, kann man hier eine herrlich unkomplizierte Zeit genießen. Aufstehen, in der Sonne frühstücken, Klettern gehen, Abendessen vor dem Lagerfeuer und dann den wunderbaren Sternenhimmel der Erd-Südhalbkugel bestaunen. In dieser Zeit wächst in uns ein sehr schönes Gefühl, welches uns die Reise noch ein kleines Stück mehr als zuvor genießen lässt.
Nowra
Nach zwei Monaten wollen wir dann wieder nach New South Wales zurück, wo es bereits Frühling ist. Wir fahren gemütlich in zwei Tagen die 850 km nach Nowra und verbringen dort die nächsten zwei Wochen.
Nowra ist durch seine Lage an der Küste ein idealer Ort um zwischen Sportklettern und Relaxen am Meer abzuwechseln. Denn es gibt hier nicht nur etwa 300 Routen, sondern auch viele schöne Strände und einige Nationalparks (Jervis Bay!!!), deren Besuch sich sehr lohnt.
Wir campen direkt am Shoulhaven River, von wo wir mit unserem Kajak jeden Morgen einfach an das andere Ufer zum „Thompson´s Point“ rudern, um unseren Klettertag zu verbringen. Uns taugt es so richtig, wieder an Bolts zu klettern und starten unsere „on sight“ Offensive. Mir kommen dabei die kürzeren, sehr steilen Routen entgegen und ich schaffe einige sehr schöne Linien bis 26 gleich im ersten Versuch. Petra gefallen die kleingriffigeren Plattenrouten, die durchwegs leichtere Kletterei bieten.
Point Perpenticular
Etwa 40 Minuten von Nowra liegt das trad Klettergebiet Point Perpenticular. Hier ragt ein 50 bis 70 Meter hohes, und etwa 12 km breites Felsband aus dem Meer. Die marine Umgebung macht das Klettern hier zu etwas ganz Besonderem. Es weht einem der salzige Wind um die Ohren, unter einem brechen die Wellen mit lautem Getose an den Klippen und draußen im Ozean schwimmen – wenn man Glück hat – Wale vorbei. Der „Point Perp“ gehgört sicher zu den „must visits“ einer Australien Reise, zumal er auf der Strecke Sydney – Melbourne liegt.
We´ll be back!
Eindrücke und Erfahrungen sind natürlich höchst subjektiv. Dennoch getraue ich mich zu sagen, dass sich eine Kletterreise nach Australien ganz sicher auszahlt. Mann sollte sich genügend Zeit nehmen, 4 Wochen sind dabei wohl das äußerste Minumum. Zudem sollte man offen für das trad Klettern sein und keine Angst davor haben, auf der falschen Straßenseite zu fahren.
Wir für unseren Teil waren von Australien absolut begeistert. Es war eines DER besten Ziele dieser Kletter Weltreise. Wir haben uns geschworen, ganz sicher wieder einmal nach „down under“ zu kommen.
Webtipp: Auf der website von Gerhard, www.gerhardschaar.com, kann man sich aktuell einen Kletter Reiseführer von Australien als gratis pdf herunterladen, sowie seine Kletter Weltreise verfolgen. Aktuell hält er sich im Yosemite Valley auf.
Text und Bilder: Gerhard Schaar
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Links zu den Sponsoren von Gerhard Schaar:
www.kelag.at www.sleeping-bags.at www.beal-planet.com www.austrialpin.at www.millet.fr
Webtipp:
Auf der Website von Gerhard gibt es einen Reise – Kletterführer als pdf download mit praktischen Infos zum Bergsteigen und Klettern in Neuseeland, sowie weitere Bilder und Videos vom Bouldern in Castle Hill.
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