Ich stehe am Flughafen von Phuket und schwitze mir die Seele aus dem Leib. Ich wünsche mir nach sieben Wochen Thailand nur noch kühle und kalte Luft. Wie gut dass meine nächste Destination auf meiner Weltreise Neuseeland ist.
Von den Klettergebieten weiß ich zu diesem Zeitpunkt nur, dass Castle Hill ein super Bouldergebiet ist. Und von den Gipfeln in den Southern Alps, dass sie ein hartes Stück Arbeit sein sollen und es derzeit schwierige Verhältnisse auf den Gletschern gibt.
Kurz gesagt: Ich habe wieder einmal keinen blassen Schimmer was auf mich zukommt, und stürze mich einfach wieder motiviert in mein nächstes Abenteuer.
Castle Hill
Als ich in Neuseeland ankomme, bin ich geschockt wie teuer hier alles im Vergleich zu Asien ist. Ich knausere am Beginn herum wie Dagobert Duck und denke mir: Nur nix wie raus aus Christchurch! Also kaufe ich mir eine windige Karre, und mache mich auf dem Weg nach Castle Hill.
Die Bedingungen sind unglaublich, genau so wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bouldere unter blauem Himmel und die Luft ist herrlich kühl. Die Felsen haben alle erdenklichen Formen und sind auf den grasigen Kuppen weit verstreut. Dieser Ort besitzt nicht nur für die Kletterer aus aller Welt eine große Anziehungskraft. Er ist durch seine ganz spezielle Ausstrahlung auch ein altes spirituelles Kraftzentrum der Maoris.
Trotz der Formenvielfalt und unterschiedlichen Größen haben die Felsen doch eine Gemeinsamkeit: Grausame „mantles“ an den Ausstiegen! Wie Fische zappeln wir alle an den Ausstiegen, am Bauch liegend, krampfhaft darum bemüht unsere lahmen Hintern irgendwie über die letzte Kante zu schieben.
Das „Rausmantlen“ erweist sich anfangs als eine furchtbar komplexe Technik. Und meine Trizeps Muskeln, von denen ich immer angenommen hatte sie wären gar nicht so schwach, erweisen sich dünn wie der „grausliche“ Porridge den mir Adrian aus England jeden zweiten Tag zum Frühstück anzudrehen versucht.
Southern Alps
Eines meiner Ziele in Neuseeland war es auch, den Mt. Cook und Mt. Aspiring zu besteigen. Daraus wurde dann letztlich nichts. Einerseits weil ich ein rechtes Neuseeland Greenhorn bin, was ich nicht ganz ohne Selbstkritik und Humor feststellen muss. Und andererseits weil ich wettermäßig einfach Pech hatte und mir der Parasit „Giardia“ zu schaffen machte.
Mt. Cook ist mit 3754 Metern der höchste Gipfel des Landes, und eine anspruchsvolle Unternehmung. Wie in den Alpen zehren schneearme Winter und heiße Sommer am ewigen Eis, das rapide schwindet. Hinzu kommen instabile Gesteinsmassen, Zustiege welche nicht mehr sicher sind und das launische, wechselhafte Wetter.
Im Jahr 2006 sind nur an die 20 Bergsteiger am Gipfel gewesen, und die Mountain Guides in Mt. Cook haben ihre Führungen auf den „Aoraki“ ausgesetzt.
Meinem Partner Hedwynn und mir präsentiert sich der Mt. Cook nach einer Schlechtwetterperiode ironischerweise als uneinnehmbare Schneefestung.
Wir besteigen dann zumindest den „Mt. Seally“, einen 2200m Gipfel oberhalb des Mueller Glaciers. Aufstieg im Schneesturm, Schneehöhlen Bivi und stundenlange Spurerei am nächsten Tag inklusive.
Drei Tage später marschiere ich dann schon mit einem Bergsteiger aus Wanaka durch das Matukituki Valley in Richtung Mt. Aspiring. Sein Name ist Ricky, und er ist ein erfahrener junger Bergsteiger. Das Außergewöhnliche an ihm ist, dass er taub ist. Die Unternehmung wird durch diesen Umstand zu einer ganz neuen persönlichen Erfahrung, interessant und schwierig zugleich. Unser Ziel ist die Süd-Westwand, eine schöne 800 Meter lange Eistour mit 65°.
Wir müssen am ersten Tag unserer Tour 8 Stunden Anmarsch und 1000 Höhenmeter zur French Ridge Hut hinter uns bringen. Noch nie habe ich so geschwiegen wie am flachen Teil des Anmarsches durch das Matukituki Valley. Und noch nie habe ich soviel geflucht, als beim steilen Anmarsch über die Flanke des Berges. Dieser schien zu einer unendlichen Schinderei auszuarten, denn immer wieder müssen wir uns mit etwa 25 kg Gepäck am Rücken, an den Wurzeln der Bäume hoch hangeln und über erdige Platten klettern. Das ganze hat im neuseeländischen Bergsteiger Chargon den lustigen Namen „root climbing“. Ich war heilfroh, das Ricky meine Litanei der Flüche nicht hören konnte.
Um Mitternacht brechen wir dann von der French Ridge Hut auf. Leider wandelt sich der klare Nachthimmel aber in Windeseile zu einem dunklen Wolkenmeer. Um 2.00 morgens, mitten am Gletscher des „Quarterdeck“, diskutieren wir auf einem kleinen Notizblock unsere Lage. Wir beschließen einvernehmlich aufgrund des heftigen Windes, der schlechten Sicht und der warmen Temperaturen abzubrechen.
Nach unserer Rückkehr ins Tal gibt mein Körper dann w.o. Ich spüre dass mit meinem Magen etwas nicht stimmt und die Strapazen der letzten beiden Touren. Es ist dies die schwierigste Zeit für mich bis dato auf meiner Weltreise. Ich frage mich welchen Sinn es überhaupt noch hat hier zu bleiben, und würde am Liebsten alles hin schmeißen und nach Hause fliegen.
Doch letztlich bin froh über meine Erfahrungen und schöpfe aus ihnen neue Motivation. Neuseeland hat mir gezeigt dass ich noch viel zu lernen habe.
Wanaka und Queenstown
Glücklicherweise klären sich beim Arzt dann meine Magenschmerzen und ich treibe die garstigen Parasiten mit Antibiotika aus. Und meine Freundin Petra kommt in Wanaka an und wir können wieder gemeinsam weiterreisen.
In Wanaka klettern wir nur wenig denn das Wetter ist schlecht, und wir können uns auch nicht recht motivieren. Wir gehen zu dieser Zeit lieber in das originelle Kino, in eines der vielen guten Cafes oder entspannen uns in den Hotpools.
In Queenstown gefällt mir das Gebiet Wye Creek dann aber um so mehr. Man klettert hoch über dem Lake Wakatipu, es gibt ein cooles großes Dach und die Aussicht ist einfach grandios.
Das Klettergebiet „Queenstown Hill“ hat ebenfalls eine wunderbare Lage, auch wenn es hier nicht so viele Routen gibt. Dennoch lohnt sich der einstündige Zustieg, nachdem schöne Wandkletterei auf kleinen Leisten auf einem wartet.
Paynes Ford
Zum Abschluss der Reise verbringen Petra und ich dann noch 2 Wochen nach Takaka, am nördlichen Ende der Südinsel. Es ist das größte Sportklettergebiet in Neuseeland und bietet in den nahegelegenen Gebieten „Paynes Ford“ und „Pohara“ über 200 Kletterrouten.
Wir genießen die relaxte Atmosphäre in dem von Hippies geprägten Takaka. Hier geht alles ruhig von Statten und es kommt keinerlei Hektik auf. Alles ist „organic“ und die Menschen tragen komische Kleidung.
Wir schlagen unsere Zelte am „Hang Dog Camp“ auf, von wo es nur wenige Minuten bis zu den Felsen von Paynes Ford ist. Diese ziehen sich entlang des nahegelegenen Flusses über mehr als einen Kilometer dahin.
Wir wechseln zwischen der Wandkletterei an Leisten und Auflegern – die mich stark an den Kanzianiberg erinnern - in Paynes Ford, und den steileren und großgriffigeren Wänden in Pohara ab. Das letztere Gebiet gefällt und so gut, weil es direkt neben dem Meer liegt, und das Rauschen des Wassers einem den ganzen Tag begleitet.
Die letzten Sonnenuntergänge am Strand sind dann ein schönes Abschiedsgeschenk. Es scheint, als möchte uns Neuseeland seine besten Wiedersehens Grüße mit auf den Weg geben. Wer weiß?
Text und Bilder: Gerhard Schaar
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Webtipp:
Auf der Website von Gerhard gibt es einen Reise – Kletterführer als pdf download mit praktischen Infos zum Bergsteigen und Klettern in Neuseeland, sowie weitere Bilder und Videos vom Bouldern in Castle Hill.
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