Ferrata Via Eterna - Brigata Alpina Cadore - Marmolada Ferrata Via Eterna - Brigata Alpina Cadore - Marmolada
28 März 2018

Klettersteigeldorado Dolomiten

Ein eisenhaltiger Streifzug durch eines der schönsten Gebirge der Alpen.

Ein eisenhaltiger Streifzug durch eines der schönsten Gebirge der Alpen. 

Klettersteige, von den Italienern „vie ferrate“ genannt, wurden in den Dolomiten zwar nicht erfunden, doch ist das Angebot in den schroffen und senkrecht aufsteigenden Felsformationen unvergleichbar groß und vielfältig. Die Palette der knapp 100 Dolomiten-Klettersteige reicht vom versicherten Höhenweg über extreme Ferratas auf die 3000er bis hin zu ganzen Gebirgsdurchquerungen. Viele Dolomitensteige erinnern uns aber auch an ein ganz dunkles Kapitel der Weltgeschichte. Im Ersten Weltkrieg wurde an der Dolomitenfront erbittert gekämpft und dabei wurden zahlreiche Versorgungssteige in den Fels gesprengt und mit Eisensicherungen versehen. Später wurden einige dieser Kriegssteige zu richtigen Klettersteigen um- und ausgebaut. Die versicherten Stollen ermöglichen es uns heute, auch im Inneren des Berges aufzusteigen. Von dieser Besonderheit abgesehen, erfordern die großen Dolomitensteige, im Vergleich zu den oft seilbahnoptimierten Sportklettersteigen unserer Heimatberge, alpinistisches Können und gute Kondition.

Marmolada – das Dach der Dolomiten

Die Marmolada ist mit ihren 3343 m das vergletscherte Dach der Dolomiten, hat den größten Gletscher, die längste Seilbahn und einen fantastischen Klettersteig. Der Name "Via Eterna" weist bereits auf die Anforderungen dieser Superferrata hin. Ewig lang und etwas schwierig zieht der im Jahr 1990 errichtete Klettersteig auf dem glatten Nordgrat zur Punta Serauta hinauf und erreicht in einem steten Auf und Ab die Forcella Serauta mit der Seilbahnstation. Das letzte Viertel führt an zahlreichen Stellungen vorbei und gibt Einblick in die düstere Kriegsgeschichte. Wer zu Fuß absteigt sollte eine Gletscherausrüstung mitführen. Nach einer langen Sperre und der Verlegung des Einstieges aus der Steinschlagzone ist dieser Klettersteig seit dem Jahr 2012 wieder zugänglich – dem unendlichen Klettersteigabenteuer steht also nichts mehr im Weg!

Ferrata Via Eterna: C/D, 1150 Hm, 7 Std.
 

Civetta-Überschreitung

Von der Marmolada hat man einen perfekten Blick zu der senkrechten Nordwestwand der Civetta, die aufgrund der Höhe und Ausrichtung einige der alpinsten Möglichkeiten in den Dolomiten bietet. Der Klettersteiggeher kann den 3220 Meter hohen Gipfel in Nord-Süd-Richtung überschreiten, wobei der normalsterbliche Geher am besten einen Zwischenstopp im bescheidenen Rif. Torrani gleich unterhalb des Gipfels einlegt, da die Überschreitung auch als Zweitagestour eine Herausforderung darstellt. Vom Norden führt vom Rif. Coldai die mittelschwere Ferrata Alleghesi zum höchsten Punkt. Im Süden zieht die kurze, aber sehr schwierige Ferrata Tissi zum Rif. Torrani hinauf. Wem der Schwierigkeitsgrad D zu schwer ist oder wer doch nur einen der beiden Steige machen möchte, geht einfach über den Normalweg nach Osten hinunter. Auch dort warten wieder einige Drahtseile auf den Bergsteiger. Die Überschreitung der Civetta ist sehr anspruchsvoll. Der Abstieg vom Gipfel über den Normalweg ist nicht an allen Stellen optimal versichert.

Via ferrata degli Alleghesi: C, 2150 Hm, 11 Std.

Via ferrata Tissi: C/D, 1600 Hm, 8 Std.

An der Tofana  

Es wären nicht die Berge um Cortina, wenn es dort nicht von Zeit zu Zeit etwas Neues gäbe. Der bekannte Klassiker an der Tofana wurde ab dem Felsenfenster "Bus de Tofana" im oberen Teil sehr gut saniert. Mit den beiden Klettersteigen Ferrata Giuseppe di Olivieri und Gianni Aglio bezwingt man eine perfekte Klettersteigkombination mit ganz neu angelegtem Gipfelfinale. Das Ziel ist ein 3000er. Von dem man mit der Seilbahn genüsslich in das Zentrum von Cortina schwebt. Wem diese Gipfeltour zu lang ist, kann am Fuß der Tofana den neuen Genussklettersteig "Via ferrata Maria e Andrea Ferrari" erkunden. Zwei schöne Holzbrücken und ein paar kurze Steilpassagen sorgen für Abwechslung. Alles spielt sich unweit des Rif. Duca d'Aosta ab (kann auch mit der langen Ferrata auf die Tofana kombiniert werden). Etwas über eine Stunde muss für diese eher leichte Genuss-Ferrata veranschlagt werden, es bleibt aber genügend Zeit um das Dolomiten-Panorama in vollen Zügen zu genießen.

Ferrata G. Olivieri - G. Aglio: C/D (Var. D), 1250 Hm, 9½ Std.
Via ferrata Maria e Andrea Ferrari: C, 170 Hm, 1¼ Std.

Giro del Sorapis

Wer wie täglich tausend andere einmal zum Rif. Auronzo bei den Drei Zinnen gefahren ist, dem ist auf dem Rückweg hinter dem Lago di Misurina ein mächtiger, teilweise unbekannter Gebirgsstock aufgefallen – die Sorapis-Gruppe. Um den höchsten Punkt dieser Gruppe schlängeln sich drei Steige, die man aufgrund der guten Biwak- und Hütteninfrastruktur zu einem 2-Tages-Giro zusammenhängen kann, auf dem man nahezu alleine unterwegs ist. Vom Passo Tre Croci geht es gemütlich zum Rifugio Vandelli hinauf, eingebettet im Kessel des Circo del Sorapis mit kaum noch sichtbaren Gletscherresten und einem schönen Bergsee. Dort angekommen, steht man vor der Wahl, rechts oder links zu beginnen. Links führt die gut versicherte Ferrata Vandelli steil durch die Westabstürze der Sora el Fo und rechts geht es erstmal  eine Zeit lang zu Fuß zu einer Scharte vor dem Herzstück der Sorapis-Runde, dem Cengia del Banco, einem riesigen Geröllband, das 1300 m senkrecht ins Boite Tal abfällt und rechts und links nur über steile und schwierige Felsstufen erreicht werden kann. Dort liegt auch die Lösung des Problems versteckt, denn die Schwierigkeiten und teils ungesicherten Kletterstellen dieser kurzen Stufen haben es in sich und zwingen den schwächeren Geher mit der Via ferrata Francesco Berti zu beginnen. Das Verbindungsglied zwischen den beiden mittelschweren Steigen ist der Sentiero Minazio, der unterhalb des Bivacco Slataper, dem mit 2660 m höchsten Punkt der Runde, höhenwegartig und mit wenig Eisen auf einem Band zum Bivacco E. Comici führt. Zurück geht es über die gut versicherte Ferrata A. Vandelli.

Große Sorapis Runde (Via ferrata Francesco Berti; Sentiero Carlo Minazio; Via ferrata A. Vandelli): C, UIAA 1-2, 1400 Hm, 12½ Std.

Das Ferrata-Highlight am Sellastock

Die Sella flankiert von Pässen ist sicher der bekannteste Dolomitenstock. An der  Nordseite befindet sich auch die meistbegangene Via ferrata in den Dolomiten. Die Berühmtheit des Pisciadù-Klettersteigs ist vollkommen gerechtfertigt, denn der Steig bietet einen kurzen Zustieg, fordernde, aber niemals besonders schwierige Passagen in einer Kulisse, die ihresgleichen sucht, imposante senkrechte Kletterpassagen am Exnerturm, eine Hängebrücke und eine bewirtschaftete Hütte mit Bergsee beim Ausstieg. Der Klettersteig ist der Auftakt für die Sella-Durchquerung, große Gruppen machen das Überholen fast unmöglich. Man sollte jedenfalls etwas Zeit einplanen, insbesondere an Wochenenden Staugefahr. Wer es genießen will, kommt an einem Wochentag oder steigt später ein. Bevor man sich auf den landschaftlich schönen Abstieg durch das Mittagstal begibt, kann man noch die Cima Pisciadù, 2985 m erklimmen.

Pisciadù Klettersteig: C, 650 Hm, 4½ Std.

König Laurins Reich

Der sagenumwobene Zwergenkönig hat sich den vielleicht schönsten Platz der Dolomiten für seinen Rosengarten ausgesucht, ein Schuttkar zwischen Rosengartenspitze, Laurinswand und den berühmten Vajolet-Türmen. Genau dorthin führt uns auch der Santnerpass-Klettersteig. Der Steig ist technisch unschwierig, erfordert aber Trittsicherheit und Kletterkönnen bis zum zweiten Schwierigkeitsgrad. Dank des Sessellifts fällt der Zustieg weg und gut zwei Stunden später steht man schon in Laurins Gartl, dessen Rosen der Sage nach nur in der Morgen- oder Abenddämmerung zu blühen beginnen. Zwei Hütten laden hier oben zur Überprüfung dieser Sage ein oder man steigt unschwierig auf der Nordseite in einer Runde wieder zur Rosengartenhütte ab und wendet sich am nächsten Tag dem eigentlichen Highlight zu: Der Rotwand-Überschreitung mittels einer Kombination von Masaré- und Rotwand-Klettersteig. Den Anfang macht der spektakuläre und deutlich schwierigere Masaré-Kamm mit seinenunzähligen Grattürmen, Felspalten und teils sehr luftigen Kletterstellen. Beim Fensterlturm muss man sich dann entscheiden, hinauf auf die Rotwand oder hinunter zur gleichnamigen Hütte. Auf die Rotwandbezwinger wartet dort gleich die zweite Schlüsselstelle, eine schwere Abstiegswand zum Ostgrat, auf dem man den Rotwandgipfel dann mehr gehend als klettersteigend erreicht. Der Abstieg über den Nordgrat-Klettersteig zum Vajolonpass ist unschwierig und lässt Zeit, die Landschaft zu genießen. Natürlich kann man die beiden Steige auch gemütlich einzeln machen.

Masaré Klettersteig: C, 700 Hm, 4¾ Std.
Rotwand Klettersteig: A/B, 750 Hm, 4¾ Std.

Klettersteig-Paradies Schiara

Nur die wenigsten wissen, dass die Schiaragruppe noch zu den Dolomiten gehört. Der südlichste Dolomitenausläufer mit den kantigen Graten und den freistehenden Türmchen ist eines der besten Ferrata-Eldorados in Italien. Eingebettet in einem riesigen Felskessel unter dem Monte Schiara  mit dem gemütliche Rifugio 7° Alpini befinden sich fünf Klettersteige auf engstem Raum, mit drei Biwakschachteln an den neuralgischen Punkten, die sich – mit einer geschickten Planung – an einem Wochenende gut miteinander verbinden lassen, wobei man sich vor dem Schlafengehen im Rifugio schon etwas auf den nächsten Tag einstimmen kann, denn der Aufstieg in die hohen, dreistöckigen Eisenbetten hat die Schwierigkeit C und ist nach zu viel Vino tückisch. Am nächsten Morgen beginnt die Runde mit Sperti – Berti – Marmol und am zweiten Tag steigt man über Zacchi – Berti – Sent. M. Guardino auf den Monte Pelf und von dort direkt über das Biv. Medassa ins Tal. Die Steige sind alle im Bereich B-C und erfordern trotz des mediterranen Flairs alpine Erfahrung. Auf den Gipfeln bietet sich ein perfekter Panoramablick auf Belluno bis hin zum Mittelmeer. (mehr dazu auch im extra Bericht Klettersteig-Paradies Schiara)

Via ferrata Sperti: B/C, 1000 Hm, 6½ Std.
Via ferrata Zacchi - Via ferrata Màrmol: C (B/C), 860 Hm, 5¼ Std.
Via ferrata Berti: C, 1140 Hm, 7¼ Std.
Sentiero alpinistico M. Guardino: B/C, 1250 Hm, 7½ Std.

Text: Andreas Jentzsch

Buchtipp:

Klettersteigführer Dolomiten - Südtirol - Gardasee

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