Ines Papert und Lisi Steurer gelingt am 17.08.2014 bzw. am 28.08.2014 die erste Rotpunkt-Begehung der Route „Ohne Rauch stirbst du auch“ an der Nordwand der Großen Zinne. Der Durchstieg aller 17 Seillängen gelang an einem Tag. Die Erstbegehung realisierten Hannes Pfeifhofer und Daniel Roger im Jahr 2010.
Routeninfo: „Ohne Rauch stirbst du auch“, Große Zinne Nordwand, Sextener Dolomiten, Italien; Länge 500 Meter, 17 Seillängen; Schwierigkeit 8a, 7c, 7a+, 6c+, 7b, 6c+, 7a+, 6c, 7a+, 7b+, 6b+, 6a, 6b+, 6c+, 6a, 6a+, 5+ (Ein Topo ist bei den Bildern)
Bereits im Jahr 2010 hatte der südtiroler Bergführer Hannes Pfeifhofer die Route „Ohne Rauch stirbst du auch“ an der Großen Zinne Nordwand in den Sextener Dolomiten entdeckt und erstbegangen. Die Route bildet eine komplett eigenständige Linie durch den schweren linken Teil der Nordwand und besticht durch die exzellente Linienführung mit fast ausschließlich bequemen Standplätzen. Jedoch ist durch den stark überhängenden Fels bis zur zehnten Seillänge mit anhaltenden Schwierigkeiten zu rechnen. Hannes Pfeifhofer hatte die Route „Ohne Rauch stirbst du auch“ offiziell freigegeben, nachdem er selbst alle Seillängen frei klettern konnte. Eine klassische freie Begehung in einem Push stand jedoch noch aus. Das machte auch den Reiz für sie, die beiden Kletterpartnerinnen Ines Papert und Lisi Steurer, aus.
Während TV-Dreharbeiten im Juli diesen Jahres nahmen sie sich der Route erstmals ernsthaft an. Das surrende Geräusch der Drohne, die sie bei ihrem Versuch filmte und meist über oder neben ihnen schwebte sowie die Funksprüche von Regisseur Carsten Gutschmidt ließen sie jedoch daran erinnern, dass sie in diesem Moment in erster Linie hier waren, um einen qualitativ ansprechenden Film zu produzieren. Daher konzentrierten sich die Beiden im Verlauf dieser Woche primär auf die Dreharbeiten des Films. Der Sommer war noch lang und sie hatten sich den halben August für dieses anspruchsvolle Projekt reserviert. Ines’ Sohn Emanuel war zu diesem Zeitpunkt im Spanien-Urlaub, so konnte Ines sich dem Vorhaben mit maximaler Aufmerksamkeit widmen.
Es kam jedoch anders als erwartet. Permanente Regenfälle hielten die Kletterinnen in einem ständigen Wechselbad der Gefühle, denn durch diese wuchs die Begehung zu einer echten Herausforderung heran. Nur an wenigen Tagen dieses Sommers war die Wand trocken. Denn nur, falls an diesen gezählten Tagen der Nordwind wehte, konnten sie sich wirklich sicher sein, dass die teils feinen Strukturen wirklich abgetrocknet waren. Zu den regennassen Tagen gesellten sich zudem sehr niedrige Temperaturen, was den Schwierigkeitsgrad nur erweiterte. Hinzu kam erschwerend, dass Lisi als Bergführerin einige der wenigen Schönwetterfenster für ihren eigentlichen Beruf nutzen musste. Ein ums andere Mal reiste Ines nach Südtirol an, hatte die Hoffnung jedoch beinahe schon verloren, das Projekt in diesem Sommer noch realisieren zu können.
Am Morgen des 17. Augustes herrschten dann aber doch weitgehend ideale Bedingungen und sie wollten es versuchen, wohl in dem Wissen, dass dies möglicherweise ihre letzte gemeinsame Chance sein sollte. Beim Losen um den Vorstieg gewann Ines und so standen sie morgens um halb sieben mit klammen Fingern am Einstieg. Das Thermometer zeigte gerade einmal drei Grad unter Null an, trotz des sommerlichen Monats war es eisig. Nach einer kurzen Aufwärmphase in den ersten Metern kletterte Ines sturzfrei über die 1. Seillänge, die Schlüssellänge 8a. Es würde also weiter gehen für das Team in Richtung Gipfel. Seillänge für Seillänge wollte Ines die Route begehen, Meter für Meter. Über das gigantische Ausmaß der schattigen Nordwand wollten beide nicht nachdenken. Dann ein kleiner Fehler in der 2. Seillänge! Ines stürzte ins Seil, begann jedoch sofort von Neuem von ihrem Standplatz aus den Durchstieg – diesmal sollte es gelingen. Von da an gelang ihr jede Seillänge fehlerfrei, die Schwierigkeiten lagen dabei eindeutig, kontinuierlich die Finger warm zu halten. Das Zwischenziel war definitiv der 11. Standplatz: Denn hier war neben dem Wandbuch auch eine Flasche Schnaps für Wiederholer deponiert. Bis zu ihrer Ankunft war diese noch randvoll – schon wurden die Temperaturen erträglicher!
Um 17.30 Uhr erreichte Ines dann endlich das Ringband. Der freie Durchstieg war ihr gelungen, sie konnte es kaum glauben! In den verbleibenden drei Tagen wollte sich Ines nun ihrer Freundin Lisi widmen, welche sich weiterhin im Vorstieg versuchte. Doch das Wetter sollte erneut umschlagen und Ines hatte zum 14. Geburtstages ihres Sohnes abzureisen, um nach Spanien zu fliegen. Emanuel erwartete seine Mutter schon sehnsüchtig nahe Bilbao, die Familie sollte für den Rest der Sommerferien absolute Priorität haben. Wäre Ines der Durchstieg an jenem 17. August nicht gelungen, hätte die Kletterin und Alpinistin das Vorhaben um ein Jahr verschieben müssen. So konnte sie sich mit gemischten Gefühlen in die wohlverdienten Ferien verabschieden. Aber für Lisi sollte es als „Local" kein Problem darstellen, in ihrem großen Freundeskreis in Südtirol einen Partner für den Durchstieg zu finden. Ein weiterer Versuch mit Gery Unterassinger sollte jedoch an den nassen Wandverhältnissen scheitern.
Am 28. August wollte Lisi einen erneuten Versuch starten, diesmal mit ihrem Freund Felix Tschurtschenthaler. Auch diesmal war es kaum wärmer als schon am erfolgreichen 17. August. Doch Felix tat sein bestes, um Lisi zu unterstützen und zu ermutigen, nicht den Glauben an sich zu verlieren. Mit seiner Überzeugungskraft und ihrem Durchhaltevermögen konnte Lisi dann tatsächlich – nach einem Sturz in der 1. und 2. Seillänge, die sie jeweils wiederholte – alle Seillängen punkten. Als Ines die Nachricht über den erfolgreichen Durchstieg am nächsten Morgen in Spanien erreichte, war diese mehr als glücklich und freute sich für die Freundin. Nichts hatten die Beiden sich mehr gewünscht, als gemeinsam das Projekt noch in diesem Jahr erfolgreich abzuschließen! Nachträglich lässt sich zu ihrem Vorhaben anmerken, dass die Schwierigkeiten der Route „Ohne Rauch stirbst du auch“ nicht extraorbitant hoch sind und sie aus diesem Grund ihr Projekt möglicherweise ein wenig zu leger angegangen sind. Die Große Zinne Nordwand verlangt die volle Aufmerksamkeit eines Kletterers und lässt sich weder zwischen Tür und Angel, zwischen Job und Verpflichtungen noch zwischen einem Wettertief und dem Nächsten schnell erobern. Für ein solches Projekt müssen jegliche Bedingungen stimmen und perfekt sein, so sind sie nun umso glücklicher, ihrVorhaben realisiert zu haben – beide!
Ihre nächste Reise soll nun nach Marokko in den hohen Atlas gehen. Ab Ende Oktober werden sie sich an der freien Begehung ihrer gemeinsamen Erstbegehung „AZAZAR“ im Jahr 2013 in Taghia versuchen.
Sie danken ihrem gemeinsamen Sponsor Arc´teryx dafür, dass der Glaube an sie nicht aufgegeben wurde und sie bei ihrem Projekt in der Großen Zinne Nordwand nicht erfroren sind;)
Fotos: Frank Kretschmann und Franz Walter
Text: Lisa Lindner
Web: www.ines-papert.de, www.lisisteurer.at
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