QC Lab: Eisschrauben aus Aluminium vs. Stahl QC Lab: Eisschrauben aus Aluminium vs. Stahl
09 Januar 2024

QC Lab - Eisschrauben aus Aluminium vrs Stahl

Geringes Gewicht ist natürlich fantastisch, Stahl ist jedoch der Klassiker. Wie sieht dieser Vergleich bei Eisschrauben aus? Will Gadd und Matt Berry suchen die Antwort.

In dieser Ausgabe von QC Lab begeben sich Will Gadd und Matt Berry auf die Suche nach der Quelle der Wahrheit, wenn es um Eisschrauben aus Aluminium oder Stahl geht.

Aluminium ist leichter als Stahl

Als die ersten Eisschrauben aus Aluminium auf den Markt kamen, veranlasste die Attraktivität einer leichteren Schraube viele Kletterer dazu, vollständig umzusteigen. Bei einem kompletten Set mit 14 Schrauben kann die Gewichtsersparnis bis zu 800 Gramm betragen. Das ist ein beträchtliches Gewicht, vor allem, wenn du in einer steilen und technischen anspruchsvollen Eisroute oder einem fünfstündigen Zustieg zum Wandfuß unterwegs bist.

Im Endeffekt bedeutet das, dass du mehr Verpflegung, Ausrüstung oder den dicken Sicherungsparka mitnehmen kannst – was vielleicht zu mehr Erfolg und weniger Leid führt. Doch welche anderen Leistungsunterschiede gibt es zwischen Eisschrauben aus Aluminium oder Stahl, abgesehen vom Gewicht?

Beide Eisschraubentypen – Aluminium oder Stahl – mit einer Länge von 13 cm oder mehr sind CE-zertifiziert und erfüllen die Anforderungen der EN 568:2015 an die radiale Bruchfestigkeit von 10kN. Und obwohl die kurzen 10-cm-Eisschrauben aus Stahl nicht CE-zertifiziert sind, erfüllen auch sie die Anforderungen an die radiale Bruchfestigkeit von 10kN. Um das zu veranschaulichen, stellen wir uns vor, dein Freund Paul wiegt mit seiner gesamten Ausrüstung etwa 100 kg. Eine gut platzierte Eisschraube ist daher für rund 10 Pauls ausgelegt. In den meisten realen Klettersituationen ist es schwierig, eine solche Belastung zu erzeugen.

Eisschrauben selbst sind hochfest, aber sie benötigen den Halt im umgebenden Eis, vor allem im Bereich der Oberfläche. Bei einer lehrbuchmäßigen Platzierung, bei der die Schraube in einem leicht positiven Winkel platziert ist (Spitze liegt höher als die Lasche) und die Lasche bündig mit dem Eis abschließt, wird das Eis rund um die Schraube belastet, was irgendwann zum Brechen des Eises führt. Das Oberflächeneis bricht etwa 3 bis 5 Zentimeter tief um den Schraubenkörper herum ein. Sobald dies geschieht, kann der freiliegende Teil des Schraubenkörpers keine Last mehr tragen, da er nicht mehr vom Eis gestützt wird. Der nun freiliegende Schraubenkörper, der die Last nicht mehr allein tragen kann, beginnt sich zu verbiegen, bis die Lasche vom Kopf abgehebelt wird, der Schraubenkörper versagt oder die Schraube aus dem Eis gezogen wird.

Materialeigenschaften

Alle, die bereits Erfahrung im Eisklettern gesammelt haben, wissen, dass Eis nicht gleich Eis ist, und dass man sich oft gute Platzierungen suchen muss. Manchmal kann das sehr schwierig sein. Ein beträchtlicher Anteil des Eises, an dem wir klettern, ist nicht perfekt, und auch unsere Beurteilung der Eisqualität ist nicht perfekt. Wie schon in der QC Lab-Ausgabe über „herausstehende Schrauben (Screwtrusion)“ erwähnt, kann eine Schraube aus Stahl die sicherere Wahl sein, wenn du sie versehentlich oder bewusst in einer dünnen Eisschicht platzierst (keine gute Idee, kann aber vorkommen). Der Grund – sollte sie aus dem Eis herausstehen, kann sie höhere Spitzenlasten aufnehmen.

Da die Eisschraube nur so stark ist wie das umgebende Eis, kann die Platzierung einer Schraube in nicht perfektem Eis dazu führen, dass das Eis bei viel geringerer Belastung bricht und abschert, was einen freiliegenden und somit herausstehenden Schraubenkörper zur Folge hat. In dieser Situation machen das Material und die Geometrie einen großen Unterschied.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, besitzt Stahl eine höhere Duktilität und Zähigkeit als das wärmebehandelte Aluminium, das für Eisschrauben verwendet wird. Im Prinzip bedeutet dies, dass sich Stahlschrauben stärker verbiegen/verformen können als Aluminiumschrauben, bevor sie brechen.

Prioritäten bei der Konstruktion

Das ist aber noch nicht die ganze Geschichte. Prioritäten hinsichtlich Geometrie und Konstruktion spielen in dieser Diskussion eine große Rolle. Als Black Diamond vor vielen Jahren die Express-Eisschraube aus Stahl entwickelte, lag der Fokus darauf, ein robustes und langlebiges Arbeitstier zu erschaffen. Die Black Diamond Ultralight (UL) Eisschrauben aus Aluminium hingegen wurden entwickelt, um genau das zu sein, was ihr Name verspricht ... ultraleicht. Beide Eisschrauben erfüllen die Festigkeitsanforderung von 10kN, aber die Prioritäten bei der Konstruktion sind anders gewichtet – um sozusagen für jede Aufgabe das richtige Werkzeug zu haben.

Ein offensichtliches Beispiel für die Geometrieunterschiede ist der Durchmesser der Schraubenkörper. Da Aluminium das schwächere Material ist, ist der Durchmesser der UL-Eisschraube größer, um die erforderliche Festigkeit zur Erfüllung der CE-Anforderungen zu gewährleisten. Der größere Durchmesser kann bei der Wiederverwendung von bereits gebohrten Eisschraubenlöchern ein Vorteil sein. Außerdem lassen sich die Löcher beim Bohren von Abalakov-Eisuhren leichter ausrichten, und durch den größeren Durchmesser der Löcher ist es weniger wahrscheinlich, dass das Seil beim Durchziehen stecken bleibt.

Letztendlich sind die Express-Schrauben aus Stahl haltbarer und stärker, vor allem, wenn ein Teil des Schraubenkörpers freiliegt. Die Stahlschrauben sind bei hohen Biegebelastungen etwa um 60 % stärker. Labortests haben ergeben, dass Stahlschrauben bis zu 7kN höheren Kräften standhalten können als Aluminiumschrauben, wenn sie vollständig in perfektem Eis sitzen.

Häufig kreisen wir um die Frage, welches Material am stärksten ist. Dennoch lohnt es sich, daran zu denken, dass bei den meisten realen Stürzen mit einem dynamischen Seil kaum eine Last von mehr als 7kN auftreten wird. In den meisten realen Klettersituationen sind sowohl Aluminium- als auch Stahlschrauben stark genug. Letztendlich bieten die schwereren Stahlschrauben etwas mehr Spielraum.

Ok, was also bedeutet das alles? Am Ende des Tages bedeutet das, dass du unabhängig von Material oder Länge der Schraube gute Platzierungen in gutem Eis suchen solltest!


Evaluieren der Eisqualität

Suche zunächst schönes, homogenes, blaues, plastisches Eis. Achte dann beim Platzieren der Schraube darauf, wie viel Kraft du zum Eindrehen benötigst. Bei einer guten Eisqualität spürst du in der Regel einen gleichmäßigen Widerstand beim Eindrehen. Wenn sich dieser Widerstand beim Eindrehen deutlich verringert, hast du möglicherweise eine schwache Schicht oder ein Luftloch getroffen. Wenn ein gewisser Kraftaufwand zum Eindrehen der Schraube erforderlich ist und dieser Kraftaufwand bis zum Auftreffen der Lasche auf das sorgfältig gereinigte Oberflächeneis gleich bleibt, haben wir wahrscheinlich eine Schraube mit sehr guter Qualität. Bei einer guten Schraubenplatzierung entsteht in der Regel auch ein Kern während des Eindrehens.

Eisqualität

Wenn die Eisoberfläche der Sonne oder Hitze ausgesetzt war oder durch Sublimation an Dichte verloren hat (das, was nach ein paar Monaten mit den hässlichen weißen Eiswürfeln im Gefrierschrank passiert ist), ist sie viel schwächer und bricht leichter, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man sich auf eine Platzierung mit freiliegendem Schraubenkörper verlassen muss. Achte also darauf, geschwächtes Oberflächeneis zu entfernen, bevor du deine Eisschraube eindrehst.

Eisdicke

Messe die Dicke der Eisschicht. Du solltest die gesamte Schraube bis zur Lasche in gutes Eis eindrehen können, ohne dass das Gewinde gegen den Felsen stößt und die Schraube beschädigt wird. Und natürlich sollte die Schraube im Idealfall nicht aus dem Eis herausragen; siehe „herausstehende Schrauben (Screwtrusion)“.

Nasses Eis oder sehr kaltes Eis

Aluminiumschrauben neigen dazu, an sehr kalten Tagen oder in Eis mit unterschiedlichen Temperaturschichten (sehr nasses Eis) stärker zu haften.

Wenn du eine Eisschraube bei suboptimalen Eisverhältnissen platzieren musst, solltest du dich nach einer besseren Stelle umsehen. Mit einer Eisschraube aus Stahl hat man vielleicht mehr Spielraum, dennoch ist es keine gute Strategie, sich auf Platzierungen in schlechter Eisqualität zu verlassen. Es ist sehr wichtig, sich Zeit zu nehmen, um gute Schraubenplatzierungen zu finden! Die beste Option ist stets das schöne blaue Eis, das wir alle so gerne sehen – egal ob deine Schrauben aus Stahl oder Aluminium gefertigt sind.

Reale Klettersituationen

Es liegt in unserer persönlichen Verantwortung beim Klettern die beste Ausrüstung für die jeweilige Aufgabe auszuwählen und die Grenzen dieser Ausrüstung zu kennen.

Viele Leute hier bei Black Diamond, darunter auch Sportler wie Will Gadd und ich selbst, verwenden je nach Einsatzbereich einen Mix aus Aluminium- und Stahlschrauben. Auf diese Weise kannst du die Vorteile beider Modelle nutzen. Ein altes Eisschraubenloch wiederverwenden? Nimm die Schraube aus Aluminium mit dem größeren Durchmesser. Abalakov-Eisuhr mit einer 23 cm langen Schraube bohren? Verwende die Aluminiumschraube, um das Ausrichten der Löcher zu erleichtern und Gewicht zu sparen. Lust auf eine Gletscherwanderung? Auf jeden Fall Aluminiumschrauben, um Gewicht zu sparen. Auf dem Weg zu einer abgelegenen Eisroute im Backcountry, wo es auf wenig Gewicht ankommt? Aluminium vom Start bis zum Ziel.

Fragwürdiges Eis? Da kommt die Stahlschraube zum Einsatz, um deinen Spielraum zu erweitern. Noch besser fragst du dich, ob du die Route überhaupt klettern musst. Für die Sicherheit in den Bergen ist es entscheidend zu wissen, wann man umkehren muss, um nicht einen Sturz in schlechtem Eis mit unsicheren Platzierungen zu riskieren.


Zusammenfassung:

  • Sowohl Stahl- als auch Aluminiumschrauben erfüllen alle CE-Anforderungen und sind bei gutem Eis ausreichend stabil. Wie schon gesagt, ist jedoch ein freiliegender Eisschraubenkörper aus Aluminium schwächer als einer aus Stahl.

  • Eisschrauben aus Stahl sind robust, schwerer, haben einen größeren Spielraum beim Umgang mit zweifelhaftem Eis und kompensieren möglicherweise eher Fehler bei der Beurteilung der Eisqualität.

  • Aluminiumschrauben sind leicht, eignen sich hervorragend zur Wiederverwendung von alten Eisschraubenlöchern und sind ideal für Eisuhren geeignet.

  • Entferne immer alle fragwürdigen oder lockeren Schichten an der Oberfläche und stelle sicher, dass der gesamte Eisschraubenkörper in qualitativ gutes Eis eingedreht ist.

  • Bringe deine Schrauben in einem positiven Winkel von 10-15° an (Spitze über der Lasche), um sicherzustellen, dass der Großteil der Last auf das Gewinde übertragen wird, anstatt den Schraubenkörper zu zwingen, die Biegebelastung zu tragen.

  • Wähle immer die passende Schraubenlänge und drehe sie bis zur Lasche in das Eis ein.

Pass gut auf dich auf.

– Will Gadd & Matt Berry


Quelle: Black Diamond

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