Mittenwalder Höhenweg Winter 2017/18 (c) Basti Einhauser Mittenwalder Höhenweg Winter 2017/18 (c) Basti Einhauser
22 März 2018

Tourenbericht: Winterbegehung Mittenwalder Höhenweg

Basti Einhauser und Hannes Platzgummer berichten von einer Winterbegehung des beliebten Gratklettersteigs an der deutsch-österreichischen Grenze + Toureninfos

Basti Einhauser und Hannes Platzgummer berichten von einer Winterbegehung des beliebten Gratklettersteigs an der deutsch-österreichischen Grenze + Toureninfos

Am Freitagabend kam mein Seilpartner, vorbei, wir gingen die Ausrüstung nochmal durch: 2 60er Schlingen, 4 120er Schlingen, 2 Normalhaken, 2 kurze Eischrauben, 2 mittlere Friends, 8 Exen, 60 m Halbseil, je 2 HMS und 1 Schnapper, 2 Schneeanker der Marke Eigenbau, Stirnlampen, Gurte, Pickel u Eisen, Erste Hilfe Pack und ein in die Jahre gekommener 2 Mann Biwaksack...Passt. Ein letztes Mal checkten wir Karte, Topo, Schneelage und Wetter...eigentlich ganz in Ordnung nachmittags a bisserl Schnee, sonst gut...
Samstag 5.30Uhr: Aufstehen, Frühstücken und ab ins Auto nach Mittenwald, wir wollten ja die erste Seilbahn erwischen.

Die halbe Stunde machts Kraut a ned Fett

Blöderweise kamen wir genau 5 nach 9 an der Gondel an..."Naja dann nehmen wir halt die zweite, die halbe Stunde machts Kraut a ned Fett" Die Frage des Gondelpersonals " Ob wir scho wissen was wir da vorhaben?" bejahten wir und auf gings zum Einstieg.
Um 10:15 gings bei strahlendem Sonnenschein los. Die ersten Meter des Steigs trumpften gleich mit einigen heiklen Passagen, die wir aber gut meisterten. Ab der ersten A/B-Leiter ging es dann gut voran, wir hatten uns auf die Verhältnisse eingestellt, ca 50% der Zeit waren die Stahlseile zu sehen und wir gingen an 15 m laufendem Seil. Am Gerberkreuz nahmen wir kurz den falschen Abzweig, was aber schnell auffiel und um 11:45 kamen wir am Gatterl und der großen Leiter an. Recht gut in der Zeit. Nach einer kurzen Pause und ausschauhalten nach dem Heinrich-Noe-Steig, der absolut nicht zu sehen war, ging‘s weiter auf die Mittlere Linderspitze. Nach den gut zu gehenden Leitern erwartete uns erneut eine heikle Passage, ca. 60m relativ wenig (20-30cm) ziemlich lockerer und verdammt steiler Schnee, Stahlseil war weit und breit keines zu sehen... Wir switchten auf Standplatzsicherung und neben 2 zweifelhaften Köpferln gab ein gut versenkter Friend ein halbwegs sicheres Gefühl. Am nächsten Köpfelstand entdeckten wir dann auch ca. 10m weiter unten wieder Stahlseil. Erneut ging es gut voran, bis wir um ca. 14 Uhr das "Gehgelände" hinter der südlichen Linderspitze erreichten. Die heikle Länge hatte gut Zeit gekostet.

Extremer Nebel

Während wir bis dahin noch im Sonnenschein unterwegs waren, änderte sich das Wetter jetzt schlagartig. Extremer Nebel, keine 10 m Sicht mehr, und leichter Schneefall waren angesagt. Blöderweise in genau der Passage in der kein Stahlseil als Orientierungshilfe vorhanden war... Mehrmals ging es auf falschen Abzweigungen des Grats ca. 100m auf dem Schnee dahin, bis es abrupt am Abgrund endete. Hier diskutierten wir zum ersten Mal, ob es nicht besser wäre umzudrehen. Dass wir einen kleinen roten Punkt auf einem Fels entdeckten, lies neue Hoffung aufkeimen und wir machten uns weiter in diese Richtung auf. Relativ langsam irrten wir im Nebel umher und entdeckten 2 weitere Markierungspunkte, am nächsten Punkt allerdings teilte sich der Weg erneut auf. Auch die Karte brachte keine Erleuchtung, da wir weder wussten wo wir genau sind, und auch keinerlei Orientierungspunkte zu sehen waren.
 

Ende der Spur

Jetzt also definitiv umkehren, bevor unsere eigene Spur zugeschneit ist! Ab 15:15 ging es also wieder alles retour. "Vielleicht klappt ja noch ein Talabstieg von der Seilbahnstation, ist ja jetzt gespurt und wir sollten recht schnell vorrankommen." Erneut am laufenden Seil bis zur heiklen Stelle von vorher, diese wieder am langen Seil, dann wurden unsere Spuren immer schlechter sichtbar. Plötzlich abruptes Ende der Spur!
"Kannst du dich noch an die Stelle erinnern?"
"Ned wirklich, aber da sind wir bestimmt ned rauf, des wüsst ich auf jeden Fall noch!"
"Wart amoi, wir sind doch vorher mal falsch gegangen, des könnt‘s doch sein! Scheiße, dunkel werds jetzt a no!"
Also Stirnlampen raus und los in die andere Richtung, nix zu sehen... doch da links, Reste von ner gut zugeschneiten Spur, des könnt‘s sein! Weiter, ja da blitzt wieder Stahlseil raus... Puh... Zurück über die Leitern und Bretter, die jetzt verdächtig knarzten. Jetzt komplett dunkel, immer noch Nebel, immer weiter wie in Trance. Mein Partner führte, Exen wurden nur noch an den nötigsten Stellen eingehängt. Plötzlich Stopp, mein Partner stand da:
"Basti, bau jetzt bloß kein Scheiß! Wir stehen glaub i auf ner Wechte, zum Sichern gibts a nix und da vorne gehts verdammt schmal weiter und verdammt steil runter, aber ich glaub danach is aus! " Also rüber, fuck is des steil, ca. 3 Meter bis zum rettenden Stahlseil... Puh geschafft, noch ein paar Meter weiter. "Da ist die Anseil-Bank, wir hams gschafft!"
Ohne Pause und immer noch angeseilt gings weiter runter zur dunklen und verlassenen Seilbahn Station. Gegen 19 Uhr waren wir dort und schnauften erstmal durch und aßen einen Müsliriegel... Nach kurzem Überblick verschaffen war schnell klar, das ganze Ding ist zugesperrt. "Vielleicht können wir ja doch no auf da Schipiste runterrutschen?" Verlockende Idee, bloß wo genau ist die? Ca. 30 min Suche in der Nähe der Station ergaben keine Erleuchtung, also doch biwakieren!
Das Thermometer an der Station zeigte "angenehme" -10 Grad.

Biwak

Wir bezogen unter einer kleinen Holzterrasse unser Biwak, sah eigentlich ganz ok aus, ca. eine Stunde später waren wir total dafroren, der Wind pfiff extrem rein. "Ich glaub mir frien de Zehen ab, des is a scheiß Platz!" Also wieder aufstehen, Hannes suchte nach der Piste, ich nach einem besseren Biwakplatz. Nach dem sinnlosen Versuch die festgefrorene Tür zu einem Schuppen aufzubekommen entdeckte ich eine Etage weiter unten einen ca. 5m langen Hauseingang, immerhin windgeschützt und gefühlt tatsächlich 1-2 Grad wärmer als davor. Nach einer schier endlosen verdammt kalten Nacht mit sehr wenig Schlaf und gefühlten 5000 Hampelmännern standen wir um 6:00 auf und stiegen dreimal zu den Anseilbänken auf und wieder ab um wieder etwas warm zu werden. Gegen 8:30, dann plötzlich rettende Geräusche aus der Station, ein Blick auf die Stahlseile der Gondel bestätigte: Da tut sich etwas. Ca. 10 Minuten später trudelte dann die Gondel ein. Wir warteten sehnsüchtig vor der Tür. Plötzlich ging sie auf und wir wurden mit einem überraschten "Öha, wo kemmts na es jez her? Habts es obn gschlaffa?? Kommts eine, soll i eich an Tee macha?" endete das Abenteuer.

Fazit:
Die Tour war an sich superschön und gut zu gehen, ein paar heikle Stellen, aber bei den Verhältnissen, die wir hatten, alles gut machbar. Stahlseil war auch öfters mal da und gab uns ein sicheres Gefühl. Umkehren war trotz dem daraus folgenden Notbiwak die richtige Entscheidung. Wirklich blöd war, dass wir die erste Gondel nimmer erwischt haben, die halbe Stunde mehr Zeit hätte gut geholfen das Ding durchzuziehen. Ab jetzt kommt bei längeren Wintertouren immer ein Schlafsack und eine Isomatte mit.

Text: Basti Einhauser und Hannes Platzgummer

Touren-Infos Mittenwalder Höhenweg

Ausgangspunkt: Talstation der Karwendelbahn in Mittenwald. Mittenwald ist auch sehr gut mit der Bahn von Innsbruck bzw. München aus zu erreichen (vom Bahnhof sind es 10 Min. zur Talstation). Zustieg: Von der Bergstation in 10 Min. zur Nördlichen Karwendelspitze (Anseilplatz und Einstieg Klettersteig). Alternativ kann man von Scharnitz über die Brunnsteinhütte in den Brunnsteinanger aufsteigen (ca. 3–3,5 Stunden), dabei sollte man aber die letzte Talfahrt der Seilbahn im Auge behalten.
Tourenbeschreibung mit Topo Sommer: Mittenwalder Höhenweg
Anforderungen Tour Winter: Drahtseile und Leitern, kurze ausgesetzte Gratpassagen und tlw. heikle, schneegefüllte Steilpassagen und Rinnen. Zeit: 4–7 Stunden je nach Schneelage, die Kletterstrecke beträgt ca. 4 Kilometer/400 Hm.
Schwierigkeit: B- leichter Klettersteig.
Ausrüstung Winter: Klettersteigset, LVS-Gerät, Steigeisen, Pickel und Sicherungsseil für die heiklen Passagen.
Abstieg: Vom Brunnsteinanger über die Brunnsteinhütte nach Scharnitz ca. 2–2,5 Stunden oder über die Brunnsteinspitze und den Pizlgrat nach Scharnitz hinunter (2,5 Stunden). Der Weg auf dem Pizlgrat ist nicht immer leicht zu finden. Von Scharnitz mit der Bahn oder dem Bus zurück nach Mittenwald.
Info Seilbahn: www.karwendelbahn.de

Karte: AV-Karte, Nr. 5/1, Karwendelgebirge westliches Blatt (1:25000); F&B WK 323, Karwendel – Mittenwald (1:50.000).
Literatur: Jentzsch-Rabl, Jentzsch, Wissekal; „Klettersteigführer Österreich“ mit CD-ROM. Alle lohnenden Klettersteige zwischen Bodensee und Wienerwald; auf der CD befinden sich neben Tourenblättern zum Mitnehmen auch vier Videofilme und die GPS-Daten von den meisten Steigen. www.alpinverlag.at Hinweis:
 



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