Max hat es heute ganz besonders eilig. Ein traumhaftes Winterwochenende steht vor der Tür. Der Rucksack ist gepackt, jetzt noch schnell in den Keller, um die Schi zu holen. Doch dann: Eine herbe Enttäuschung, die Schi hat Max letztes Jahr dem Peter geborgt. Ein kurzer Anruf und schon holt Max die Schi bei Peter ab und auf geht es in die Berge.
Am nächsten Tag empfängt Max strahlender Sonnenschein vor der Hütte. Beim Einsteigen in die Schibindung sinkt die Stimmung von Max aber schon auf den Gefrierpunkt: Die Schibindung ist verstellt ..... Mit einem Schraubenzieher und einem Brotmesser, das ihm der Hüttenwirt geborgt hat, wird dann die Schibindung angepasst - wäre doch gelacht, wenn man das als Schikanone nicht schaffen würde.
Die ersten Schwünge im Schnee gehen prima, nur kurz vor der Alm kommt Max auf einer Eisplatte etwas ins Rutschen. Für einen gekonnten Schifahrer wie Max kein Problem, doch ... seine Schibindung geht auf! Das findet auch der Extrem-Snowboarder Franz seltsam, auf den Max nun ohne Schi direkt zusteuert. Eine Sekunde später ist das ganze schon vorbei: Franz erleidet infolge der Kollision eine große Rissquetschwunde am Oberschenkel, einige Rippenbrüche und verbringt unfreiwillig einige Tage im Krankenhaus.
Max bleibt unverletzt, die Sache hat für ihn aber ein Nachspiel: Einige Tage nachdem er aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, erhält er einen Brief vom Anwalt des Franz, in dem ihn dieser zur Zahlung von Schmerzengeld auffordert. Letztlich kommt es zu einem Gerichtsverfahren, infolge dessen Max um ein paar Tausend Euro leichter und um eine Erfahrung reicher ist: Die Schibindung lässt man sich beim Experten einstellen.
Soweit die Geschichte. Wie schaut die ganze Sache nun rechtlich aus? Vorweg einmal die Grundregel: Max trifft dann keine Schuld (und somit keine Haftung), wenn es aufgrund eines Zufalls zu dem Unfall kommt. Wenn zum Beispiel die Schneeoberfläche völlig unerwartet vereist ist und Max dadurch stürzt, kann man ihm, wenn er sonst nicht fahrlässig gehandelt hat, wohl keinen Vorwurf machen.
Wann aber handelt Max fahrlässig? Wer glaubt, dass FIS-Regeln nur etwas mit Schirennen zu tun haben, irrt sich: Die sogenannten "FIS-Verhaltensregeln" bilden den Maßstab des Normschifahrers, also jenes Schifahrers, der sich "ordnungsgemäß" verhält.
Das Ergebnis ist jedenfalls unerfreulich: Max haftet und zahlt
Nach FIS-Regel 1 muss sich jeder Schifahrer und Snowboarder so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt. Allgemein gilt diese Regel auch für einen Tourenschifahrer und umso mehr, wenn er sich auf einer alpinen Piste bewegt. Dies bedeutet, dass jeder Schifahrer verpflichtet ist, die Einstellung der Schibindung durch einen Fachmann zu veranlassen. Dass Max selbst kein Fachmann ist, sieht man zum einen am Ergebnis, zum anderen hat er keine (ausreichende) Ausbildung, um selbst Schibindungen einzustellen. Wenn also Max im Prozess nicht nachweisen kann, dass er – wider Erwarten – die Schibindung ordnungsgemäß eingestellt hat, oder gar ein Konstruktions-, Produktions- oder Materialfehler vorlag, wird das Gericht davon ausgehen, dass die Lösung der Bindung auf eine Fehleinstellung zurückzuführen ist. Das Ergebnis ist jedenfalls unerfreulich: Max haftet und zahlt (siehe auch OGH, 3 Ob 38/97b).
Die "kleine Ersparnis" kann somit im Ergebnis teuer werden
Die "kleine Ersparnis" kann somit im Ergebnis teuer werden: Max hat den gesamten Sachschaden sowie die Heilungskosten des Franz zu ersetzen und darüber hinaus Schmerzengeld, das abhängig von der Intensität und Dauer der Schmerzen berechnet wird, zu leisten. Aus einer kleinen Ersparnis entsteht somit eine große, vielleicht sogar uferlose, Haftung.
Ohne "Do-it-yourself Schiservice" haftet der Fachmann
Dass auch der Fachmann für die von ihm vorgenommene Bindungseinstellung verantwortlich ist, zeigt sich dann, wenn es auch ohne "Do-it-yourself Schiservice", sondern nach professioneller Einstellung zu einem Unfall durch fehlerhaftes Öffnen oder Nichtöffnen der Bindung kommt. Dann haftet der Fachmann, sofern er fahrlässig gehandelt hat (OGH, 4 Ob 76/97y). Der Schifahrer selbst kann dann im Regelfall wohl nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Dr. Thomas Zivny
anwalt§bergsteigen.at
Der Bergsport in all seinen Facetten hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Breitensport entwickelt, der nach wie vor eine unglaubliche Anziehungskraft ausübt. Die Zahl der Akteure steigt beständig, das Platzangebot in den Bergen ist allerdings von Natur aus beschränkt. Daraus ergibt sich ein gesteigertes Konfliktpotential, das nicht selten "im Tal", nämlich vor den Gerichten, ausgestritten wird.
In den ab 2004 auf bergsteigen.at erscheinenden juristischen Kurzbeiträgen sollen auf anschauliche Art und Weise mehr oder weniger alltägliche Rechtsprobleme anlässlich der Sportausübung in den Bergen (Wandern, Bergsteigen, Klettern, Schifahren, Schitourengehen) dargestellt werden.
Diese Beiträge erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Einzelfall ist eine Besprechung mit einem juristischen Experten nicht nur ratsam, sondern auch erforderlich.
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Dr. Thomas Zivny$ unter [email protected] zur Verfügung.
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