Yangshuo - Klettern im Reich der Mitte © Gerhard Schaar Yangshuo - Klettern im Reich der Mitte © Gerhard Schaar
11 Mai 2009

Yangshuo - Klettern im Reich der Mitte

Der Kärntner Weltumkletterer Gerhard Schaar hat auf seiner letzten Reise auch China besucht. Hier sein Bericht mit allen Gebiets- und Reiseinfs inkl. Kletterfüher…

Im Süden Chinas, in der Provinz Guangxi, liegt ein atemberaubendes Labyrinth aus etwa 70.000 Kalkstein Türmen. Etwa in der Mitte, dort wo sich der „Fluss des Drachens“ mit dem „Blauen Fluss“ vereinigt, befindet sich Yangshuo. Epizentrum des Klettersports im Reich der Mitte.

Die ersten Eindrücke

Meine Entdeckungsreise beginnt, stilgerecht für China, mit dem Fahrrad. „Sky“, der mit chinesischem Namen eigentlich „Chao Mian“ heißt, begleitet mich. Wir haben uns am Tag meiner Anreise kennen gelernt, weil der Klettershop in dem er arbeitet, um etwa 11.00 Uhr nachts noch offen hatte. Ich als Neuankömmling und Yangshuo Greenhorn natürlich wieder einmal keine Ahnung wohin, den Rest könnt ihr euch eh denken.

Schnurstracks hatte mir der sympathische Dauerlächler dann auch gleich ein Zimmer arrangiert und darauf bestanden, mich am nächsten Tag herumzuführen. „Vely nice, you will see!“

So sehe ich an meinem ersten Tag in Yangshuo nicht nur gleich einige Klettergebiete entlang des „Fluss des Drachens“, dem „Yu Long River“, sondern auch das ländliche China. Ich bin überrascht wie arm die Leute hier sind, und unter welchen einfachen Verhältnissen sie leben. Die Bauern bestellen hier meistens noch per Handarbeit, mit Schaufeln und Haken, oder mit Büffel und Pflug den Boden. Und wer nicht arbeitet spielt um Geld Karten, denn sonst gibt es hier offensichtlich nichts anderes zu tun!

Die Stadt Yangshuo selbst ist da – bis auf das pathologische Kartenspielen - schon etwas anders. Schlagartig kann ich verstehen wieso derzeit geschätzte 350 Millionen (!!!) Menschen in China vom Land in die Städte ziehen. Denn hier gibt es genügend Arbeit, und zumindest Strom, fließendes Wasser und ärztliche Versorgung.

Überall wird gebaut und die Strassen sind voll mit Geschäften.

Als mein Kumpel Janne einen Tag nach mir eintrifft, beschließen wir gemeinsam mit „Sky“ und seinen Freunden um die Häuser zu ziehen. In dieser Nacht erleben wir das so genannte „Kultur Paradoxon“. Was so furchtbar kompliziert klingt, ist ein simpler Prozess und in der Kletterwelt hoch erprobt! Mit steigendem Alkoholkonsum verschwinden die kulturellen Barrieren mit exponentieller Geschwindigkeit!

Der erste Klettertag

Die Sonne geht gerade über den Kalksteintürmen Yangshuos auf, als wir in die Busstation einmarschieren. Unser heutiges Ziel ist „Wine bottle“, ein Sektor mit ca. 30 Routen von 5a bis 7a. Gerade mal zehn Minuten dauert die Fahrt mit dem Minubus, der keine Stoßdämpfer zu besitzen scheint. Dann noch dreimal Umfallen und wir sind auch schon am Einstieg der Routen. Es ist Anfang März, die Sonne scheint frühlingshaft auf uns herunter und der Kalkfels strahlt in seiner ganzen Bandbreite von grau an den plattigen Stellen, bis gelb in den Überhängen.

Genau die richtigen Verhältnisse um sich an die Verhältnisse zu gewöhnen und unsere neuen Freunde „klettermäßig“ kennen zu lernen. Sie haben alle ein ordentliches Niveau, einige von Ihnen Klettern um den Schwierigkeitsgrad 7c.

Die Stimmung ist extrem ausgelassen, selten habe ich beim Klettern so viel gescherzt und gelacht! So vergeht der erste Klettertag wie im Flug, und hundemüde fallen wir nach einer großen Portion Reisnudeln in die Federn.

Einblicke in das Kletterleben unserer Freunde

In den kommenden Wochen besuchen wir mit unseren chinesischen Freunden viele der etwa 20 verschiedenen Sektoren von Yangshuo. Als Janne und ich dabei von unseren ausgiebigen Klettertrips erzählen, sind unsere Freunde sehr erstaunt, dass wir so viel herumreisen können. Für chinesische Kletterer sind Aufenthalte in anderen Ländern nur schwer möglich, weil ihnen in erster Linie das Geld fehlt. Die meisten von ihnen verdienen als Kletter Instruktor gerade einmal an die 1.000.- Yuan , das sind umgerechnet 100.- Euro und bekommen freie Unterkunft. Da verwundert es nicht, dass sich mit diesem spärlichen Lohn, gerade mal eine Reise „nach Hause“ in der Winterpause ausgeht, wenn hier in Yangshuo weniger los ist. Für „Sky“ zum Beispiel, welcher aus der Provinz „Fu Zhan“ stammt, ist das gleich eine zweitägige, 2.500 km lange Zugreise.

Kletterer aus den nördlichen Provinzen, in denen es im Winter extrem kalt ist, kommen ironischer Weise genau zu dieser Jahreszeit aufgrund des vergleichsweise mildem Klima für einige Monate nach Yangshuo.

„Lao Chen“, der unglaublichste Kettenraucher den ich je getroffen habe, und Spaßvogel „Fu Faeng“ kommen aus dem Norden. Sie haben sich für 3 Monate oberhalb einer Diskothek ein Zimmer für 400.- Yuan pro Monat gemietet. Schlafen können sie erst weit nach Mitternacht, aber dafür ist es billig. Ihrem Beispiel folgen auch andere Kletterer aus dem ganzen Land. „Wer in China kletterhungrig ist, der kommt früher oder später nach Yangshuo. Der Ort hat im ganzen Land einen außerordentlich guten Ruf!“, versichert mir Lao Chen nochmals mit Nachdruck.

„Und du musst wissen“, ergänzt „Dian Dian“, welcher aus der 10 Millionen Metropole „Hangzhou“ stammt, „dass es bei mir zuhause vielleicht gerade einmal 100 Leute am Felsen klettern. Es gibt gerade mal 30 Routen in einem einzigen Gebiet. Selbst Kunstwände sind relativ selten! Yangshuo ist für uns Chinesen das absolute Mekka des Sportkletterns“

Die Meisten kehren irgendwann wieder zurück und manche bleiben sogar für immer. So auch „A Bon“, einer der besten chinesischen Felskletterer und Instruktor bei der Kletter- und Outdoor Schule „China Climb“. Für ihn scheint alles klar auf der Hand zu liegen: „Yangshuo ist der einzige Ort in China an welchem es eine internationale Szene, und dadurch eine ungewöhnlich offene Geisteshaltung für unsere Verhältnisse gibt. Wir haben die Möglichkeit Englisch zu lernen und unser Hobby zum Beruf zu machen. Viele wie ich arbeiten in Klettershops und Kletterschulen. Wir können uns keinen cooleren Ort vorstellen!“

Mich beeindruckt die Freundlichkeit der Locals, deren Großzügigkeit sowie die gute Atmosphäre. Des Öfteren, nachdem wir uns alle den Wampen mit Gemüse, Fisch, Ziege, Schweinefleisch und Unmengen von Reis voll geschlagen haben, bezahlen unsere Freunde einfach die gesamte Rechnung. Das, erklären sie uns, ist Ausdruck Ihrer Gastfreundlichkeit, und sie bestünden darauf uns einzuladen. Auch so mancher Kübel gefüllt mit Eis und köstlichem Tsing Tao Bier findet immer wieder den Weg in einen der Kletterläden, in denen wir zu später Stunde noch gemütlich beisammen sitzen.

Die besten Sektoren

„The White Mountain“ ist wahrscheinlich der beste Sektor. Er hängt je nach Abschnitt leicht bis stark über, und hat eine Auswahl von etwa 50 Routen zwischen 6b und 8b+. Dazu hat er eine wunderbare Lage. Direkt vor ihm breitet sich eine Wiese aus, und dahinter überblickt man ein kleines Becken mit Orangenplantagen und Gemüsefeldern. Hier finden vor allem die Hardcore Kletterer und ambitionierte Sonnenanbeter ein reichliches Betätigungsfeld.

Ebenso schwer geklettert wird an „The Banyan Tree“, „Lei Pi Shan“ und am „Moon Hill“. Obwohl super bekannt, gibt es an letzterem aber sehr viele Touristen und Getränke Verkäuferinnen, die einem zum Wahnsinn treiben können. Mit ihrem nervigen „Watel, watel, watel!“ verfolgen sie einem den ganzen halbstündigen Anmarsch lang, und hören selbst am Einstieg nicht auf, einn zu nerven.

Kleiner Tipp am Rande: Jeglicher Versuch zu erklären, dass man ja eh genügend Wasser mit dabei hat, und nichts kaufen möchte, ist zum Scheitern verurteilt. Außer den auswendig gelernten Sprüchen verstehen die guten Frauen kein English. „Cold watel! Flesh watel! You buy!“

Aus Rache verfolge ich Nervensäge Nummer Eins dann eine halbe Stunde lang mit meiner Camera. „Foto? Foto? Foto? Wanna have Foto !?!“

In anderen Gebieten geht es zum Glück ruhiger zu, wie z.B. an „The Egg“. Auf dem zweihundert Meter langen Felsband gibt es eine schöne Bandbreite von 6a bis 7a Routen mit unterschiedlichem Charakter. Die einzigen Geräusche hier ist das Entengeschnatter von den Fischteichen, und das Grunzen der Wasserbüffel von den Reisfeldern her. Ein richtig klassisches chinesisches Ambiente.

Schwer zu empfehlen sind auch die Sektoren „Twin Gate“ und „Banyan Tree“. Sie liegen eng beieinander und können leicht mit dem Fahrrad erreicht werden. So bekommt man garantiert auch einen guten Eindruck von Land und Leuten.

Wer faul ist, der nimmt einen Minibus zum Sektor „Wine Bottle“, wo es – wie bereits erwähnt- ein großes Angebot an leichten bis mittleren Routen gibt. Gleich gegenüber findet man einige Mehrseillängen Routen an „The Thumb“ und „The Middle Finger“. Zwei schönen freistehenden Karst Türmen die jeweils etwa 100 Meter hoch sind.

Abschied von Freunden

Schweren Herzens trete ich nach 6 Wochen die Weiterreise an. Ich habe gute Freunde in China gefunden, ein tolles Klettergebiet besucht und eine für mich neue Kultur kennen gelernt.

Auch wenn hier in China in Hinblick auf die Menschenrechte nicht alles Eitel Wonne ist. Die normalen Menschen, und insbesondere die Kletterer leben ein Dasein fern ab der totalitären Regierung in Peking.

Ein Besuch in Yangshuo bietet die Möglichkeit, ihnen eine andere Sichtweise zugänglich zu machen. Es ist dies natürlich nur ein kleiner individueller Schritt. Aber um die Lehre einer der großen Chinesischen Denker, „Konfuzius“, hier etwas breiter zu interpretieren: Jede große Veränderung beginnt mit den bescheidenen eigenen Handlungen!

Gebiet von internationalem Format

Die Felsqualität in den etwa 20 Sektoren, der unterschiedliche Charakter der etwa 400 Routen und die einmalige Landschaft machen Yangshou bereits heute zu einem Klettergebiet von internationalem Format. Das Potential ist riesig, und es werden auch ständig neue Linien erschlossen.

Einzig alleine die geringe Anzahl der Mehrseillängen Routen und die Qualität ihrer Absicherung (manche nur trad!) sind ein Wehrmutstropfen dieser außergewöhnlichen Destination.

Alle Felsen gehören hier dem Staat, und es gibt fast keinerlei Beschränkungen was das Einbohren betrifft. Kein Wunder, dass vor allem die verhältnismäßig wohlhabenden und bohrwillige Kletterer aus Europa und den USA hier ihre Spuren hinterlassen, und zu den Haupterschließern zählen.

Ohne Zweifel wird das Gebiet bald einen angestammten Platz im internationalen Kletterzirkus einnehmen.

Yangshuo Infos:

Topoführer:

Yangshuo by Paul Collis, zu bestellen bei www.gerhardschaar.com für € 15.- zzgl, Porto 3,60.- für Österreich bzw. 4,90.- BRD.

Der Kletterführer ist erst im Jänner 2009 neu erschinen, und enthält nun bereits 33 Massive, also auch die sechs neue Massive wie „The Great Wall“. Somit ist man auf aktuellsten Stand. Alle klassischen Sektoren wie „The Egg“, „Moon Hill“, „Banyan Tree“, „Twin Gate“ und „White Mountain“ sind inkl. aller Neurouten natürlich weiterhin darin zu finden.

Beste Jahreszeit:

Oktober und November ist die beste Jahreszeit mit sehr guten Temperaturen und stabilem Schönwetter; März und April sind auch o.k., es kann aber öfters regnen; im Sommer ist es sehr heiß, lt. den locals findet man aber immer ein schattiges Plätzchen wenn man unbedingt klettern will; Dezember, Jänner und Februar kann oft zu kalt und regnerisch sein;

Anreise:

Von Europa aus fliegt man am besten nach Bangkok (Bangkok Airways) oder Hong Kong (Dragon Airlines). Von dort gibt es jeweils Direktflüge nach Guilin in Südchina. Vom Flughafen in Guilin nimmt man am besten ein Taxi direkt nach Yangshuo (ca. 1 Stunde und 200.- Yuan / € 20.-!)

Eine weitere Variante ist die Anreise mit dem Zug von Hong Kong nach Guilin, und dann mit dem Public Bus vom Busbahnhof (direkt vor dem Bahnhof!). Busse gehen fast jede Stunde, es gibt jedoch keinen fixen Fahrplan. Gefahren wird erst, wenn der Bus voll ist. Achtung! Erst aussteigen wenn man nach ca, 1 ½ -2 Stunden auch tatsächlich in Yangshuo, der Endstation ist (Busbahnhof ist mitten in der Stadt, gleich nach einem großem Kreisverkehr).

Von der Anreise direkt mit dem Bus Hong Kong nach Yangshuo, bzw. der Rückreise per Bus rate ich ab. Wer es wie ich ausprobieren will, viel Spaß!

Visa:

Wer nach China einreisen will braucht ein Visa. Am besten besorgt man sich dieses rechtzeitig vor der Abreise (am Postweg kann das im Extremfall bis zu einem Monat dauern!!!) in Heimatland. Der Pass muss bei der Einreise noch mindestens 6 Monate gültig sein! Für die Einreise in Hong Kong ist kein Visa erforderlich.

Wer erst in Hong Kong für ein China Visa ansucht, muss mit 2-3 Tagen Wartezeit und höheren Kosten rechnen!

Unterkunft:

In Yangshuo gibt es unzählige Hotels und Guesthouses. Im Normalfall kosten ein Doppelzimmer für 2 Wochen etwa 70.- bis 80.- Yuan / Tag. Wer mehrere Angebote vergleicht und gut verhandelt zahlt sogar weniger.

Für Kletterer als erste Anlaufstation und Adresse für Reisedokumente zu empfehlen:

Karst Climber. Die Besitzerin „Echo“ hilft gerne bei allen möglichen Fragen weiter!

Essen und trinken:

Wer in die Bars und Restaurants für „normale Touristen“ geht, muss mit relativ hohen Kosten für chinesische Verhältnisse rechnen (etwa die Hälfte unserer Preise). Wer sich an die einheimischen Straßenläden und kleinen Restaurants hält, zahlt nur einen Bruchteil der Preise!

Zum Vergleich: Ein „western breakfast“ kostet ca. 30.- Yuan, eine Portion Gemüsereis mit Tee nur 5.- Yuan;

Leihausrüstung / Klettergeschäfte / Infos:

Black Rock Climbing www.blackrockclimbing.com x-climber (sehr gute englische site!)

Wer Interese am Einrichten von neuen Routen hat, kann sich hier auch Material kaufen und eine Bohrmaschine ausborgen!)

Rocky´s Climbing Club Hier gibt es eine ordentliche Boulderwand in einmaligem Ambiente für die Regentage!

Webtipp

www.gerhardschaar.com

Berichte von Gerhard Schaar

Sawaadee khaap! – Klettern in Thailand 2006!

Climb the world 2.0 - Gerhard Schaar

Links zu den Sponsoren von Gerhard Schaar:

www.kelag.at

www.sleeping-bags.at

www.beal-planet.com

www.austrialpin.at

www.millet.fr

Adidas Eyewear

www.fischer.at



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