Hansjörg und Clemens Querung gefrorene Wand Hansjörg und Clemens Querung gefrorene Wand
31 Mai 2005

Mit Ski und Board durch steile Nordwände

Einige Kletterer der Tivolihalle-Innsbruck starteten heuer in ihre erste Firn- und Eiswand Saison. Reini Scherer schrieb darüber einen kleinen Bericht.

Steilwandfahren – irgendwie im Zik Zak hinunter

Seit wir vor zwei Jahren Bilder von Schifahrern in der Hochfeiler Nordwand gesehen haben, hat uns dieses Thema und diese Wand nicht mehr losgelassen. Einige Kletterer sprachen immer wieder von der Wand und von diesem Unternehmen. Klar, auf der Nordkette oder bei anderen Touren waren wir schon viele Rinnen oder Wände mit 40 – 45 Grad Steilheit gefahren und dies bei bestem Pulver. Aber 50 Grad und mehr und dann noch in harten Firn- oder sogar in Eiswänden, wo stürzen einfach nicht mehr erlaubt ist...

Die Frage nach dem "Wie"

Wie kann man sich auf so etwas vorbereiten? Wie bekommt man die Sicherheit so etwas zu fahren? Welche Schi und welche Schuhe braucht man denn dafür? Was kann man noch als „richtig fahren“ bezeichnen?

All zu oft hört man: „Ja aber bei dieser Steilheit, da tut man ja nicht mehr „skifahren“ da hupft man halt irgendwie im Zik Zak hinunter“. Wir wollten das Gegenteil beweisen.

Im heurigen Frühjahr war es endlich so weit. Es fanden sich einige Tivoli Kletterer, die motiviert waren ein paar Eiswände zu befahren. Als Motivation diente das Buch vom berühmten Steilwandfahrer Toni Holzer.

Im gleichen Zuge warfen wir immer mehr Blicke in den Firn- und Eiswandführer von den Jentzsch Zwillingen und in andere Bergbücher, in denen steile Wände abgebildet waren. Als Vorbereitung wurden lediglich verschiedene Ski getestet und dann die Bindungen so eingestellt, dass sie nicht mehr aufgingen. Das Saisonziel war klar: Hochfeiler Nordwand

Geforene Wand - mit der NO-Wand wird begonnen

Vorerst starteten wir mit kleineren Zielen, wie wir glaubten, und warfen uns gleich in die NO-Wand der „Gefrorenen Wand“ im Zillertal (300 Meter ca. 45 – 47 Grad).

Diese Wand wurde in den letzten Jahren kaum bis gar nicht befahren. Zu unterschiedlich waren die Gerüchte über die scheinbar immer schlechter werdenden Bedingungen in dieser Wand. Viel zu steinig und in der Mitte Blankeisstellen. Ich selbst war mit Gerhard bereits zwei mal dort. Wir mussten wegen der schlecht geglaubten Bedingungen aber jedes Mal darauf verzichten. Zu groß und zweifelhaft waren all die Fragen: Wo sind die Steine versteckt, wie viele Felsen sind in der Wand. Wie sind die zwei, ca 10 – 15 Meter langen Stellen mit Blankeis zu bewältigen. Wird die Wechte am Einstieg halten? Wie oft habe ich mit den Einheimischen telefoniert und mich über die Bedingungen informiert? Den ganzen Winter habe ich die Wettersituationen dort oben beobachtet,...

Endlich ging die Rechnung auf. Denn beim drei mal legten wir auf die Bedingungen keinen Wert mehr. Sie waren so wie immer, nur diesmal fuhren wir einfach von oben in die Wand hinein ohne vorher die Rinne hochzuklettern. Die Spannung war groß und die Knie schlotterten bei uns allen Drei.

Zwei Sicherheitsschwünge zu Beginn und dann war alles klar. Die Rinne ist machbar. Die Felswand zur Linken wurde subjektiv wieder etwas flacher und die 300 Meter weiter unten, zum Riffler gehenden Tourengeher wurden ebenso wieder greifbarer. Tommy (Brunner) und Max (Zipser) kamen mit dem Snowboard nach und von nun an wurde die Rinne zum reinsten Genuss.

Nicht mehr „halten“ sondern „loslassen“ war die Devise. Die Blankeisstellen wurden einfach in Falllinien „überfahren“ bzw übersprungen. 15 bs 20 Schwünge und die Rinne war befahren. Die Freude war riesengroß. Unsere 1 steilere Rinne war befahren und von Zik Zak keine Rede.

Über die Taschach Eiswand in den Ötztaler Alpen

Das nächste größere Ziel war die Taschach Eiswand (600 Meter, 40 – 50 Grad) als Ausweichziel für den leider komplett blanken Brochkogel (50 Grad)

Auch hier hatten wir uns wieder gut vorbereitet und die Wettersituationen sehr genau beobachtet. Bei der Lektüre fielen jedoch immer mehr die unterschiedlichen Bewertungen der Steilheiten auf. Sie schwanken zwischen 50 und 55 Grad. Uns wurde klar, dass es zusätzlich wahrscheinlich auch darauf ankommt, von wo man in die Steilwand hineinfährt und wie man steilere Passagen umfährt.

Zuerste hinaufklettern und dann hinunter fahren

Zum ersten Mal erkannten wir den Vorteil, der sich ergibt, wenn man die Wand zuerst hochklettert bevor man sie hinunter fährt. Man ist die Steilheit bereits gewöhnt und kennt auch die Bedingungen viel besser. Vorausgesetzt man fährt dann auch dort hinunter wo man hoch gegangen ist.

Der Aufstieg war hart und anstrengend und wegen dem stark eingeblasenen Schnee auch nicht gerade „Lawinen ungefährlich“. Wir mussten nach rechts auf einen Grad hochklettern, wo wegen der luftigen Aussicht und dem Blankeis zum ersten Mal der Gedanke an das nicht mitgenommene Seil aufkam. Ich selbst hatte lediglich die Steigeisen an, den Pickel hatte ich im Rucksack verstaut und konnte ihn in der blöden Situation nicht mehr auspacken. Gleichgewicht war angesagt.

Bei der Abfahrt schienen die Bedingungen wegen dem frischen Neuschnee erst perfekt. Als Max jedoch nach rechts in die Wand „hineinschoss“ war vorerst nur das Geräusch vom Blankeis zu hören und aus dem großzügig angelegtem Schwung wurde ein Riesenschwung von über 100 Meter.

Auch beim Anblick von Dieter kam uns der Atem ins Stocken. Beim ersten Schwung im Pressschnee in der linken Wand öffnete sich sofort sein rechter Ski. Tommy und ich schlugen bereits die Hände über dem Kopf zusammen. Wie ein Wunder blieb Dieter jedoch liegen. Nur der Ski beschleunigte mit mehreren Saltos 150 Meter in die Tiefe. Für Tommy und mich war nun die Linie klar und wir wussten, wo die Verhältnisse am besten waren. Einer Traumabfahrt stand nichts mehr im Wege.

Mehrere kleinere steile Rinnen und Skitouren mit kurzen Steilfahrten halfen uns inzwischen unsere Ski- bzw Snowboard Sicherheit im steilen Gelände etwas zu festigen.

Die „Diagonale" an der Gefrorenen Wand - bis 80° steil

Mein persönliches Highlight war die Befahrung der „Diagonalen“ der „Gefrorenen Wand“ im Zillertal (300 Meter, 45 – 47 Grad, 1 Stelle – 5 Meter – 80 Grad).

Ursprünglich stand eine neuerliche Befahrung der direkten Gefrorenen Wand und anschließend die Befahrung der Nordwand des Hohen Rifflers an. Max war inzwischen bereits drei Mal mit verschiedenen Freunden in der Gefrorenen Wand gewesen, sodass diese Wand mit über 25 Befahrungen allein in diesem Winter mehr Befahrungen erhielt, als vermutlich in all den vergangenen Jahren zusammen.

Als wir nach der „Aufwärmfahrt“ durch die Gefrorenen Wand auch die Nordwand des Rifflers auf 2 verschiedene Arten befahren konnten (2 Rinnen links und rechts von der Gipfelfalllinie, zirka 150 Meter, 45 Grad) war aber immer noch genügend Zeit. So entstand plötzlich die Idee die Diagonale durch die Gefrorene Wand zu fahren.

Gerhard (Hörhager) hatte mir bereits von seiner Befahrung dieser Linie vor mehreren Jahren erzählt. Bei dieser Idee waren aber plötzlich nicht mehr alle Feuer und Flamme. Denn nach dem großen Schneefall war erstens in der Einfahrt viel Neuschnee gelegen und zweitens, ... die Linie ist derart ausgesetzt, dass ein Sturz in keinem Fall passieren durfte. Denn unter der ca 47 Grad steilen Diagonale befindet sich eine 150 Meter hohe Felswand und die Diagonale wird an ihrem Ende von einer 5 Meter hohen, eingeeisten Felswand unterbrochen.

So entschied sich ein Teil für die Befahrung und ein Teil fürs Zuschauen.

Bereits bei der Einfahrt in die Diagonale gingen leichte Schneebretter ab. Wir - vor allem Max bewies hier sehr viel Mut - mussten die Einfahrt so wählen, dass wir die kleinen Schneebretter selbst und zwar „aktiv gewollt“ auslösen konnten. Nur so bestand Garantie dafür, dass uns herabtreibender Schnee nicht aus der Diagonale schwemmen konnte.

Durch die luftige Aussicht erschien die Diagonale ultra steil. Jeder von uns war froh am Ende angekommen zu sein. Bis dorthin war bei Hansjörg, Clemens und mir nicht das „Fahren“ im Vordergrund, sondern lediglich das „Bewältigen der Situation und des Geländes“. Nur der Max, der war nicht mehr zu sehen. Als ich um die Ecke kam, schoss er bereits den untersten Teil der Rinne hinab. Über den Abschluss der Diagonale, die sich als mit Eis überzogene kleine Felswand entpuppte, schoss er einfach mit einem „drop in“ drüber und zog mit 5 – 6 Schwüngen in den Auslauf hinunter.

Hansjörg, Clemens und ich hielten vorerst inne und vermutlich wunderte sich jeder für sich allein, wozu um alles in der Welt wir uns hier herunter wagten. Clemens zögerte lange, die Konzentration stand ihm ins Gesicht geschrieben,... „Wie zum Teufel springe ich aus dieser 47 Grad steilen Rinne über die 5 Meter hohe, vereiste Wand hinunter in die nächste Rinne, die sicher auch an die 45 Grad hat?“ Man kann nicht bis ganz nach vorne gehen und dann springen, es geht nur mit Anlauf.

Plötzlich fährt er los, springt, kommt mit dem hinteren Ende der Ski auf einem Stein auf, es überschlägt ihn, der Schnee beginnt zu rutschen und schiebt ihn mit, er wehrt sich und probiert immer wieder raus zu kommen, aber dann sieht man wieder wie es die Ski nach oben reist, vorbei am Felsblock mitten in der Rinne, nach ca 80 Meter kommt er dann zu Stillstand, ein Handzeichen, ... alles in Ordnung, lediglich ein Ski und ein Stock gingen ihm verloren.

Plötzlich sehe ich, wie Hansjörg aus der Rinne weiter hinaus in die Felswand quert. „Da spring ich nicht runter“ ... der Mut hat ihn verlassen. Er bevorzugt eine Querung in das felsige Gelände, um dort mit den Skiern absteigen zu können. Aber schneller als er glaubt „bockt“ es ihm die Skispitzen hinten und vorne auf und er steht mit den Kanten im 60 bis 65 Grad steilen Gelände. No way out!

Es dauert nicht lange und die Bindung des Talskis öffnet sich. Ein Sturz über die ca 15 Meter hohe, mit Felsen durchsetzte Wand könnte schlimme Folgen haben. Eines ist klar, jemand der nicht klettern kann kommt hier nicht mehr hinunter. Es dauert ewig bis er es schafft, auch den zweiten Ski zu lösen und über einen vereisten Felsblock mit den Schischuhen im 4ten Grad abzuklettern. Ich konnte kaum hinsehen und bedauerte sehr, dass ich mein Miniseil gerade heute nicht dabei hatte. Irgendwie kam er doch hinunter, blass im Gesicht und völlig fertig sammelt er seine 7 Zwetschgen wieder ein.

In Anbetracht dieses Unternehmens bevorzugte ich nach langen Überlegungen (ich hatte zu Weihnachten einen doppelten Bandscheibenvorfall) doch den Sprung über die Felsen. Mit gutem Anlauf, viel Kraft aus den Beinen und Spannung im Bauch konnten ich eine gute Landung hinlegen und gleich die nächsten Schwünge anschließen. Vor Freude und vielleicht weil die Spannung endlich weg war, kam mir ein Jodler aus, den die beiden anderen vermutlich nicht verstanden haben. Wir sammelten noch die Ski von Hansjörg und Clemens ein und fuhren zum besorgten Max hinunter.

Max konnte inzwischen zwei deutsche „Freestyler und Freerider“ beobachten, die – wie sie uns nachher berichteten – einfach unseren Spuren vom Vormittag folgten und promt über die halbe Wand herunter kollerten. Zum Glück hatte sich niemand verletzt. Sie hatten nicht erwartet, dass das Gelände so steil sein könnte, sie wollten einfach nur ein bisschen „freeriden“.

Auch bei der Abschlussfahrt ins Tal folgten uns erneut zwei freerider, die dann um Hilfe schrieen, weil sie sich nicht trauten, die steilen Klippen hinunter zu springen. Sie mussten die ganze Wand wieder hoch. Für uns war eines klar, bei einem Bier alleine bleibt es heute nicht.

Pallavicinirinne am Großglockner

Großglockner, Pallavicinirinne, 600 Meter, 50 – 55 Grad

Lange Vorbereitungen, viel Recherchen im Internet, ständige Wetterbeobachtungen, Telefonate hier, Telefonate dort. Endlich, der 1. Mai und alle hatten Zeit. Die Glocknerstraße ist ab heute 6 Uhr morgens geöffnet.

Natürlich wieder der Max, der Dieter, diesmal auch der Muggo und natürlich ich. Alles rein in den Volvo und schon torkeln wir, beeindruckt von der Landschaft und den vielen Schneemassen über die Großglockner Hochalpenstraße unserem Ziel entgegen. Plötzlich der Schranken. Die Straße zur Franz Josefs Höhe ist geschlossen. 8 Kilometer, zu Fuß, mit dem ganzen Gepäck? Das darf nicht sein! Das darf einfach nicht sein! Dieter ist schon fest entschlossen und hat bereits „gesattelt“ als von innen ein Auto kommt und ebenso vor verschlossenem Schranken steht.

Wir kommen nicht hinein und die anderen kommen nicht heraus. Irgendwie können wir uns arrangieren. Wir organisieren für sie den Schlüssel, damit sie wieder herauskommen, im Gegenzug kutschieren sie uns noch bis zur Hütte rein. „Fettn g´habt“, wie die Innsbrucker sagen.

Der Aufstieg zum Biwak ist lange und wird nur von den überwältigenden Eindrücken und den ersten Einblicken in die Wand und damit auch in die „Palla“ verkürzt. Vor allem ich war konditionell und durch die Höhe, die ich manchmal nicht vertrage, ziemlich angeschlagen. Kein Durst, kein Hunger, nur ständige Kopfschmerzen.

Anfangs lästerten wir noch darüber, dass die Polen, die bereits drei Stunden vor uns aufgebrochen waren nicht voran kamen. Aber die Optik hier in dieser Bergwelt verschiebt die Dimensionen gewaltig. Und man fragt sich sehr bald selbst, warum denn diese Hütte nicht endlich näher kommt.

Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Biwak. Der Ausblick ist gewaltig, nur der Einblick macht uns Sorgen. Das ist also ein Biwak. Das ist ja „Mini“, da unten,... kommen da die Schuhe rein? Nein! Oben sind die Polen und der Platz da unten ist für uns. Das Holz in den untersten Ecken ist leicht vereist, wir stoßen ständig an den Eisenschienen an, gemütlich ist das nicht. Während die anderen meinen hochgeschleppten Wein genießen „penne“ ich schon weg. Erst zu Mitternacht überfällt mich Durst und Hunger und ab dann kann ich nicht mehr schlafen - die Aufregung ist zu groß.

Die Polen machen sich bereits um ½ 5 Uhr auf den Weg. Der Schnee ist derart hart gefroren, dass wir an einer Befahrung der Rinne zu zweifeln beginnen. Andere Vorhaben werden diskutiert. Max und ich sind aber fest entschlossen, zumindest die Rinne hoch zu gehen.

Wir brechen um 6:30 Uhr zur Rinne auf. Ungesichert, nur mit einem Pickel in der Hand steigen wir die Palla empor. In der Hälfte der Wand haben wir die Polen bereits eingeholt. Der Schnee ist aber immer noch sehr hart und die linke Hälfte der Rinne ist voller Blankeis. So ganz glauben wir noch nicht an der Befahrung, wir gehen halt mal hoch, dann sieht man immer noch. Es wir immer steiler und der felsige Einsteig ganz unten wirkt immer bedrohlicher.

Endlich sind wir oben. Die letzten 50 – 60 Meter sind derart blank, dass wir beschließen drunter zu starten. Nur wie? Es ist so steil, dass man sich kaum die Ski anziehen kann. Dieter und Muggo beschließen zu Fuß wieder abzusteigen. Sie fühlen sich noch nicht bereit für dieses Unternehmen. Sie wollen unten hinter einem Felsriegel warten und uns beobachten.

Wir wollen nicht abfahren, wenn sich noch andere Leute in der Rinne befinden. Eisblöcke, die wir loslösen, könnten für sie gefährlich werden. Während Max und ich also warten, bis die Polen zu uns aufschließen, versuchen wir mir dem Pickel eine Startrampe in das Eis, bzw. in den mittlerweile trittfesten aber hart gefrorenen Schnee zu hauen. Die immer stärker werdenden Sonnenstrahlen beginnen das gefrorene Eis von den Wänden zu lösen. Gott sei dank herrscht noch kein Steinschlag.

Am Eispickel gesichert ziehe ich die Ski und Max das Snowboard an.. Knappe 500 Meter zieht die Wand hinunter und verliert sich in der abschließenden Felsrinne. Die Spannung steigt. Die Polen nehmen Stellung ein und zücken ihre Fotoapparate. Plötzlich schwindet jede Müdigkeit, auch die Anstrengungen und Krämpfe von gestern sind vergessen. Ich pack den Pickel ein, atme tief durch, ein Blick zu Max und raus aus der Startrampe.

Der erste Schwung, die Skier halten, sie halten gut, sie halten sogar verdammt gut. Nach zwei drei Schwüngen werden die Bögen immer länger und du fühlst wie der König dieser Welt. Einzig der Wind bläst uns, die von uns aufgekratzte, dünne, kalte und hart gefrorene Schneeschicht von unten derart ins Gesicht, dass man lange Bögen machen muss, um vor dem nächsten Schwung wieder klare Sicht nach unten zu bekommen. Immer näher kommen wir zu Dieter und Muggo hinunter und ein Jodler kommt automatisch aus mir heraus. Ist das ein Traum?! Man fühlt sich unverletzlich und mit jedem Schwung steigt auch die Sicherheit, mit der man sich bewegt.

Ein kurzer Stopp für ein paar Fotos und weiter geht’s. Plötzlich wird der Speed von Max zu schnell, es hebt in hinten aus und er steuert direkt auf mich zu. Ich sehe nur noch ein riesiges „Brett“ von unten. Im letzten Augenblick kann er sein Snowboard wieder unter Kontrolle bekommen. Wir sind gewarnt. Aber sogar die abschließende Felsrinne können wir noch runterschießen, als sei es der feinste Pulverhang.

Max und ich schauen uns an. Wir strahlen über beide Ohren, ein Handschlag und die Worte von Max: „Schön, dass wir uns für solche Abenteuer gefunden haben“.

Als Abschluss durch die Nordwand des Hochfeilers

Hochfeiler Nordwand, 300 Meter, 50 Grad.

Obwohl wir wussten, dass die Palla immer steiler als der Hochfeiler angegeben wird, wussten wir bereits von vielen Bildern, dass die Hochfeiler Nordwand noch steiler sein muss. In der Palla dürfte nur der ganz oberste Teil vor den Felsen steiler sein, welcher aber wegen dem ständigen Blankeis kaum noch gefahren werden dürfte.

Aber wir wussten auch davon, dass die Erstbegehung der Hochfeiler Nordwand von oben erfolgte, weil ein Bergsteiger die Rinne hinunter stürzte und sich nicht einmal verletzte, im Gegenteil sogar Gefallen daran fand und den Abstieg der Wand nach dem Sturz freiwillig auf seinem Hosenboden fortsetzte. Dies bedeutete von vornherein weniger Stress für uns.

Die Voraussetzungen waren perfekt. Es war einige Tage etwas kälter gewesen und es hatte oben viel geschneit. Es war Mitte Mai. Max und ich waren hoch motiviert.

Rein ins Pfitschtal und hoch zum Messner Biwak

Glücklicherweise waren wir früh dran und bekamen als 6. und 7. Person noch Platz im Biwak. Ein Luxusbiwak im Vergleich zum Glockner. Sauber und geräumig. Aber: 15 Personen für nur 9 Plätze!? Leider, einige mussten wieder zu den Autos hinunter und die Nacht im Auto verbringen, andere bezogen weiter unten im Grün bei den Almhütten ihr Quartier.

Bereits um 3 Uhr morgens torkelten die Ersten Bergsteiger beim Biwak vorbei. Die Hochferner Nordwand war um 5 Uhr morgens mit 9 Bergsteigern bespickt und als wir, obwohl wir bereits 8 Leute eingeholt hatten, zum Fuß der Nordwand kamen, befanden sich bereits 7 Kletterer in der Wand. Was für ein Ansturm, aber das Wetter war ja auch zu schön. Ohne Sicherung kamen wir schnell voran. Unten super Trittschnee, in der Mitte Firn und oben griffiges Eis mit etwas Schnee darüber.

Oben angekommen stiegen gleichzeitig auch drei andere Aspiranten für eine Abfahrt aus. Sie ließen uns aber gerne den Vortritt in die Wand hineinzufahren. Sie wollten sich das Ganze vorerst einmal lieber von oben anschauen. Ihr Respekt vor den eisigen Passagen am Ausstieg war sehr groß. Einige Zeit verging noch, bis zwei Bergsteiger aus der Wand herausgesichert werden konnten, die konditionell und moralisch etwas angeschlagen waren. Endlich war die Abfahrt frei.

Schweren Herzens überlies ich diesmal Max den Vortritt als Erster in die Wand hinein zu fahren. Dafür beschloss ich eine kurze Videosequenz von ihm zu schießen. Und er legte los, wie ein Kanonenrohr. Nur in der eisigen Passage musste er einmal kurz stabilisieren. Vorbei an den zwei Bergsteigern, die noch immer am Seil und an den Eisschrauben fixiert war schoss er in die Tiefe.

Unsere Steilwand - Kollegen aus dem Norden kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch sie waren gute Skifahrer, aber so etwas und dann auch noch mit Snowboard hatten sie noch nie gesehen. Ich schloss zu Max auf, der in der Mitte auf mich wartete und übergab ihm die Kamera. Es war an der Zeit Gas zu geben, denn die ersten Steine kollerten bereits die Rinne runter.

Unten angekommen, ... unser gewohnter Handschlag und der Blick ...Wir wussten, für heuer haben wir unsere Ziele erreicht!

Download Video: Hochfeiler Rein Ski (5,3 MB)

Download Video: Hochfeiler Max Board (5,3 MB)

Tourenbeschreibung

Taschach-Eiswand

Pallavicinirinne

Hochfeiler Nordwand

Webtipp: Kletterzentrum Tivoli - im von Reinhold Scherer geleiteten Kletterzentrum trifft sich die "Nordwandtruppe" zum Klettern.

Buchtipp: Firn- und Eisklettern in den Ostalpen

Text: Reinhold Scherer; Fotos: Reinhold Scherer & Tivoli-Steilwand-Team



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