Ines Papert in "Pellisier"    8b; Fotos: Rainer Eder Ines Papert in "Pellisier" 8b; Fotos: Rainer Eder
27 Juli 2006

Ines Papert klettert Pellisier (10) an der Gr. Zinne

Ines Papert klettert den 10. Grad an der Nordwand der großen Zinne....

10. Grad an der Nordwand

Am 20. Juli 2006 ging für mich ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung. Mir gelang die freie Begehung der Route „Pellisier“ 8b, die im freien Begehungsstil als schwerste Route an der Nordwand der Gossen Zinne gilt.

Die „Pellisier“ wurde 1967 von den Italienern Minuzzio und Camilotto im hakentechnischen Stil erstbegangen und erhielt von Bubu Mauro Bole 2004 die erste freie Begehung.

Und so nahm die Geschichte Ihren Lauf…

2004 traf ich Kurt Astner- auf dessen Konto schon zahlreiche schwierige Erstbegehungen in den Dolomiten stehen- auf der Outdoor Messe. Kurt fragte mich, ob ich Interesse an einem gemeinsamen Projekt an den Zinnen hätte.

Kurz zuvor hatte er Bubu Mauro Bole während der ersten Rotpunktbegehung der „Pellisier“ begleitet und gesichert. „Eine unglaubliche Linie, vom Einstieg 200m permanent stark überhängende Kletterei an meist soliden Leisten….mit einem abschließenden Dach, wo unter Dir nichts ist, als Luft.“ Ich war schnell begeistert, denn Nordwände üben schon lange einen besonderen Reiz auf mich aus.

Dann schilderte Kurt mir die Schwierigkeiten, und beinahe überlegte ich es mir anders. Auch die Absicherung machte mir Sorgen, es steckten zwar im regelmäßigen Abständen von ca. 80cm alte Stiftbohrhaken (6mm), aber dank Bubu waren wenigstens die Standplätze saniert. Wenigstens einen Blick wollte ich in die Route werfen, um mir einen Eindruck zu verschaffen.

Im Frühsommer 2005 war es dann endlich soweit. Bewaffnet mit einem Statikseil und zahlreichen Expressschlingen ging es durch den teils knietiefen Schnee zum Einstiegsband.

Nach einem anstrengenden Klettertag stand für mich fest, ich werde es probieren. Meine Begeisterung für die Wand und die Route war entflammt.

Steilheit

Doch leider musste ich wegen eines Sturzes an der Marmolada Südwand im Juli 2005 und mehrfachen Frakturen im Unterschenkel den Plan um ein Jahr verschieben. Kurt schaffte die erste Wiederholung Rotpunkt ohne mich. Im Krankenhaus liegend freute ich mich sehr über seine Begehung. Die Arbeit an meinem in diesem Herbst erscheinenden Buch „Im Eis“ sorgten dafür, dass mir die Monate meiner Genesung nicht zu lang wurden.

Doch 2006 ließ mit dem Sommer auf sich warten. Auch im Juni zwangen mich immer wieder Gewitter zum Rückzug. Ich hatte mit Hilfe von Monika Kalsperger das Statikseil bis über die letzte schwierige Seillänge fixiert.

Von dem Moment an konnte ich unabhängig in der Wand klettern, mittels Steigklemme, konnte ich kontinuierlich Seillänge für Seillänge auschecken. Doch der Fels wurde seine Feuchtigkeit des Winters nicht los und erschwerte zusätzlich zu den Gewittern das Vorankommen.

10 Tagen allein in der Route

Nach insgesamt ca. 10 Tagen allein in der Route wagte ich einen Versuch, in dem ich alle Seillängen vorsteigen wollte. Doch am 16. Juli sollte es noch nicht so weit sein, denn ich stürzte in der 6. Seillänge- fand eine bessere Lösung im Dach- doch dann verliessen mich die Kräfte.

16. Juli- mir gelingt die gesamte Route im Vorstieg Rotpunkt - in 10 Stunden über die schwierigste Route auf der großen Zinne

Am 20.Juli morgens um sieben startet das Trio Wasti Schöndorfer, Photograph Rainer Eder, der die Rotpunktbegehung durch sein Objektiv live miterleben will, und ich zur Wand.

Ich fühle mich gut vorbereitet, habe am Vortag Expressschlingen an den schwierigen Stellen angebracht und die Griffe geputzt. Die Stimmung ist super. Kein Grund also, Angst oder Zweifel aufkommen zu lassen. Ich freue mich richtig auf den Klettertag mit guten Freunden.

8 Uhr steige ich in die erste Länge ein, der Fels ist noch kalt und die Finger klamm. Ein echter Kaltstart in eine 7b+ (9-), bis auf eine geringfügige Nervosität geht alles gut.

Wasti kommt nach und kümmert sich um den Rucksack. Unbequem ist das Sichern am Standplatz schon, denn der überhängende Fels bietet keine Möglichkeit, die Füße auf ein Band abzustellen. Also klettere ich zügig in die nächste Länge, ein echter 7c+ Ausdauerhammer, bevor die eigentliche Schlüssellänge 8b auf mich wartet.

Ich nutze die wenigen Ruhepunkte, um Blut in meine inzwischen dicken Unterarme zu schütteln. Einige schwierige Passagen, bevor das kleine Dach alles von mir abverlangt, während ich von oben (Rainer) und von unten (Wasti) motivierende Zurufe erhalte. Ein Untergriff, fast nichts, ein Schultergriff und während des Zurückfallens schnappe ich zielstrebig nach dem Zwei-Finger-Griff, stabilisiere meinen Körper und schnappe nach der Schuppe, geschafft…aber ich freue mich lieber nicht zu früh. Denn die härteste ist für mich die 6. Länge, das 8a+ Dach.

Die anfängliche Anspannung, die mich nervös macht, ist verflogen. Was bleibt, ist die volle Konzentration und die absolute Fokussierung auf die für mich bereits bekannten Passagen.

Es folgt eine technisch anspruchsvolle Länge (8a) mit nicht ganz solidem Fels, diese und eine weitere 7a gelingen mir ohne größere Zwischenfälle. Im Schnitt benutze ich jeden zweiten Stiftbohrhaken zum Sichern, um nicht zu viel Energie fürs Einhängen der Schlingen aufwenden zu müssen, behalte dabei jedoch sehr bewusst im Auge, das es nicht die nach unten verbogenen Haken sind.

Um nicht zahlreiche Stürze in die alten Haken zu riskieren ist auch ein Grund, warum ich mich erst für einen Durchstiegsversuch entscheide, als ich mich dem Ziel sehr nahe sehe.

Nun die für mich schwierigste Seillänge (8a+), das ausladende Dach mit 200m Luft unterm Hintern.

Ich nähere mich konzentriert dem Dach - und wie aus heiterem Himmel sehe ich mich plötzlich ein paar Meter tiefer im Seil baumeln. Ein Tritt war völlig unverhofft weggebrochen. Schnell lässt mich Wasti zum Stand herunter, ich ziehe das Seil ab und starte sofort wieder.

Das Dach kostet mich alle meine Energie und fordert meinen Kampfgeist extrem heraus. Ich will es schaffen, und ich schaffe es. Mittels Foothook ziehe ich mich über die Kante, schnappe nach dem Seitgriff und dem Aufleger, schiebe mich drüber, und während ich nach hinten kippe, erreiche ich den Henkel, den ich nicht mehr loslasse. Geschafft…ein lauter Juchzer meinerseits.

Es folgen noch ein paar brüchige leichtere Längen bis auf die Dibonakante. Hier endet die eigentliche Route, und wir beschließen, weiterzuklettern, denn es ist noch früher Nachmittag.

Um 6 Uhr abends stehen wir auf der Großen Zinne und freuen uns über die erfolgreiche Begehung einer unglaublich schönen und spektakulären Route.

Im Gespräch mit Bubu ergab sich, dass er alle Stellen sehr direkt geklettert hatte und seine Bewertung darauf bezog. Ausserdem sei es bei einem teils brüchigen Fels schwierig, sich auf eine Bewertung festzulegen. Deshalb meine geringfügigen Korrekturen in Klammern, ohne Anspruch auf Korrektheit.

Daten "Pellisier" 8b

1. Seillänge 7b+

2. Seillänge 7c (7c+)

3. Seillänge 8b (8a+)

4. Seillänge 8a (7c+)

5. Seillänge 7a

6. Seillänge 8a+ (8a+/8b)

7. Seillänge 6c+

8. Seillänge 6a

9. Seillänge 6b

10. Seillänge 5

11. Seillänge 5

weitere leichte Seillängen auf der Dibonakante zum Gipfel

Text: Ines Papert, Fotos: Rainer Eder

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Ines Papert

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