Markus Gschwendt Markus Gschwendt
01 Juli 2008

+ 50°C beim Aufstieg zum Nanga Parbat

+50°C in der Sonne und +40°C unter unserer Sonnenplane - die Hitze ist derzeit unser größtes Hindernis....

Fortschritte auf der Diama Expedition (Nanga Prabat)!

Seit 40 Tagen sind wir (Markus und Clara) bereits am Nanga Parbat unterwegs und unser Traum eine neue Route zu begehen zeigt erste Erfolge.

Die Anreise gestaltete sich hart

Zuerst die unglaubliche Hitze in Rawalpindi (Islamabad), wo wir letzte logistische Vorbereitungen wie Cargo, Einkäufe etc. teilweise in Nachtschichten organisierten. Dann beschert uns der Trek zum Basislager auf 4250m zunächst Mageninfektionen, dann Flohbefall und schließlich jedem eine ordentliche Verkühlungen, die wir die ersten 4 Tage im verschneiten Basislager aussitzen.

Wir erreichen alleine mit unseren 35 Trägern, 4 Saddars, 2 Köchen und unserem Guide das Lager. Erst nach einer Woche stoßen Amical und der DAV Summit Club hinzu, die die Kinshofer Route (Normalweg) gehen wollen. Aus mit der idyllischen Ruhe - dafür lernen wir nette Leute kennen.

+50°C im Labyrinth des Diama Gletscher

Wir befinden uns auf der Diamirseite des Nanga Parbat, Ausgangspunkt aller Normalwegexpeditionen. Wir wollen allerdings im Westen über den Diamagletscher zur NW Flanke des Berges gelangen und von dort zum Gipfel aufsteigen. Der erste Erkundungsausflug führt uns auf einen Grat (5350m) von wo aus wir in das Diamatal blicken können. Der Gletscher ist tief verschneit und die riesigen Spalten lassen sich nur erahnen.

Schließlich steigen wir zum ersten Kinshoferlager (4900m) auf von wo aus wir mit Schneeschuhen den Diamagletscher bergauf steigen. Anfangs kommen wir auf der orographisch linken Seite des Gletschers schnell voran, doch dann sind wir plötzlich von meterhohen Eistürmen und Spalten umgeben.

Wir suchen ein paar Stunden die Türme ab und versuchen einen Weg durch das Labyrinth zur anderen Gletscherseite zu finden, doch es scheint kein Weiterkommen zu geben. Enttäuscht schauen wir uns an, soll dies schon das Ende unserer ambitionierten Unternehmung sein?!

In einem letzten Versuch finden wir doch noch einen Durchschlupf an einer Stelle, wo man es am wenigsten vermutet hätte. Zwischen kleinen Eistürmen überwinden wir eine Stufe und stehen auf einmal auf einem Seracband, welches in eine weite Gletscherlandschaft mündet.

Wir überschreiten den Gletscher zum anderen Ufer und finden einen traumhaften Zeltplatz am Eis für unser erstes Lager auf 5100m.

Im Lager 1 messen wir bis zu +50°C in der Sonne und +40°C unter unserer Sonnenplane, ohne der eine Existenz untertags hier nicht denkbar wäre!

Die Hitze ist unser größtes Hindernis! Nanga Parbat ist definitiv kein kalter Berg!

Spaltensturz und Errichtung des ABC 5700m

Die nächste Herausforderung stellt die Routenfindung vom Lager 1 zum vorgeschobenen Basislager "Advanced Base Camp" (ABC). Diesmal stehen wir vor einer Landschaft von bis zu 50m hohen Gletschertürmen, klaffender Gletscherspalten und überhängender Seracs an den Talwänden. Sollen wir links, rechts oder in der Mitte des Gletschers aufsteigen? Wir entscheiden uns für die Mitte und finden tatsächlich einen Durchstieg über beeindruckende Schneebrücken und Eistürme bis auf 5500m. Doch wollen wir diesen Weg den Trägern nicht zumuten.

Nach ein paar Tagen Exploration finden wir eine brauchbare Route im Zickzack über die Spalten und an den Türmen vorbei. Die Schrecksekunden, wenn wir abwechselnd bis zum Oberschenkel in Spalten einbrechen, sind uns bereits zur Gewohnheit geworden, und die Sicherheit des Seils, das uns verbindet ist uns sehr präsent.

Nach etwa zwei Wochen erreichen wir unseren Lagerplatz fürs ABC auf 5700m am Ende des Talkessels des Diamagletschers, genau unterhalb des Ganalo Peak.

Nun können die Träger beim Materialtransport zum ABC helfen, doch diese Rechnung geht nicht auf. Wir sind gerade im ABC als uns ein Funktspruch erreilt: "Arif has fallen into a crevasse. You have to come down immediately." Wir packen unsere Skier und fahren etwas wackelig in unseren Expeditionsschuhen angeseilt den Gletscher hinab und finden unsere Träger im Lager 1 vor.

Arif war 5m in eine Spalte gefallen und hat sich einige Prellungen und Schürfwunden geholt. Ansonsten geht es ihm gut. Er stieg sogar nochmals hinab um den Rucksack und das Funkgerät zu bergen. Wir sind erleichtert, aber auch besorgt, dass soetwas nochmals passieren könnte. Dazu kam noch, dass wir zu dem Zeitpunkt noch immer auf unsere Besteigungsgenehmigung (Permit) warteten und ein Unfall dieser Art Schwierigkeiten verursachen konnte.

Ohne Träger ins ABC

Nach dem Spaltensturz des Hochträgers ändern wir unseren Plan: Anstatt das ABC voll zu versorgen, wollen wir die Route ab Lager ohne Träger besteigen. Das heißt, wir müssen ab 5100m alles selbst tragen. Am nächsten Tag ziehen wir mit fast 30kg schweren Rucksäcken Richtung ABC los, mit Material um ABC und weitere Hochlager einzurichten: Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Gaskartuschen und Essen für mindestens 15 Tage

Die Hitze und die Rucksäcke drücken uns zu Boden und nach 10 stündiger Quälerei, die um 3 Uhr morgens begann erreichen wir das ABC.

Hochlagerkette: Moses und die NW Flanke

Im ABC richten wir uns häuslich ein: "stilles Örtchen", Sonnenzelt und Bombshelter (4-Mann-Zelt) beschreiben den neuen Fokus unserer Sesshaftigkeit.

Wir erkunden den Talkessel nach einer halbwegs sicheren Aufstiegsvariante über die NW Flanke. Umgeben von gigantischen Hängegletschern mit irren Seractürmen probieren wir verschiedene Varianten geistig durch. Ursprünglich wollten wir über die Diamascharte aufsteigen, doch der Anblick der eisigen steilen Flanke und der unerwarteten Seracs lässt Zweifel aufkommen. Bei einem abendlichen Erkundungsspaziergang eröffnete sich uns plötzlich eine schmale, gut gangbare, Unterbrechung im Seracsockel am unteren Ende der NW Flanke.

Dieser Anstieg könnte vielleicht sogar mit Skiern passierbar sein! Wie Moses am Roten Meer stehen wir vor dieser überraschend einfachen Lösung.

Ganz so simpel gestaltet sich der Durchstieg dann doch nicht: Am nächsten Morgen quälen wir uns in dieser stellenweise über 40 Grad steilen Gasse zwischen Eistürmen im Nebel durch teilweise hüfttiefen Sulzschnee. Nur 30 bis 50 Höhenmeter pro Stunde legen wir mit schweren Rucksäcken und Skiern am Rücken zurück.

Nach dem Jojosystem arbeiten wir uns in den nächsten Tagen mit Zwischendepots von Lagerplatz zu Lagerplatz die Flanke bis auf 7200m empor. Dann ist Schluss. Nach 3 Nächten über 7000m und einer schlechten Wettervorhersage für die nächsten Tage beschließen wir den Abstieg und ein paar Ruhetage bevor wir den Gipfel versuchen wollen.

Bruchharsch wird zum wahren Horror... mit zu großen Expeditionsschuhen, kurzatmig von der 7000er Luft und geschwächt von 20 Tagen in Hochlagern fahren wir auf allen nur vorstellbaren Schneearten bis zum 5100m Lager ab. Drei Wochen ständig auf engstem Raum, in schmalen Hochlagerzelten, bzw. im Maximalabstand von 12m am Seil lassen auch unter guten Freunden persönliche Probleme aufkommen und erweckt Sehnsucht nach Kontakt mit anderen Menschen.

Diamagletscher nicht wiederzuerkennen

Was uns unterhalb des ABC erwartet, hätten wir uns nicht erträumen können. Unsere Markierungsfähnchen wurden von der Sonne zu Fall gebracht und von etwas Neuschnee zugedeckt. Meterbreite Spalten, eingestürzte und abgeschmolzene Türme haben die Charakterikstik unserer Aufstiegsroute stark verändert.

Mit etwas Phantasie und Sucharbeit finden wir den Weg zu den Zelten im Lager 1 wieder. Diese stehen wie Schwammerln auf 1m hohen Schneesockeln in einer mit Schutt bedeckten Eislandschaft.

Relaxen im Basislager - Und was noch kommt...

Jetzt sind wir wieder im Basislager und relaxen bei der herrlichen Küche unserer Köche auf der mit Edelweiss durchsetzten Blumenwiese. Mit Freuden und viel Essen werden wir empfangen. Abends gibt es eine riesige Pakistaniparty mit Gesang und Tanz in unserem Küchenzelt zu Feier unserer Fortschritte auf der neuen Route. Tags darauf versammeln sich alle Expeditionen in der Mitte des Camps zu einer Base-camp Party um den DAV-Summitclub zu verabschieden, der bereits am Normalweg erfolgreich war.

Nun wollen wir wieder aufsteigen. Diesmal ist das Ziel der Gipfel. Was uns über 7500m erwartet wissen wir noch nicht so genau. Gehen wir den Grat wie Buhl, die Rinne daneben, oder zwingen uns die Verhältnisse zum Gipfelnormalanstieg? Dies ist die Ungewissheit, aber auch die Verlockung einer Erstbegehung! Danke fürs Mitfiebern und haltet uns die Daumen!

Aus dem Nanga Parbat Basislager

Markus und Clara

1. Bericht über die Expedition: mehr...

Webtipp: www.nangaparbat.at



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