Guido Unterwurzacher in der Firewall am Feuerhörndl - Reiteralpe; Bild (C) Moritz Attenberger, Maloja Guido Unterwurzacher in der Firewall am Feuerhörndl - Reiteralpe; Bild (C) Moritz Attenberger, Maloja
28 April 2022

Erste Wiederholung der Firewall

Guido Unterwurzacher gelingt gemeinsam mit Simon Berger die erste Wiederholung der Route „Firewall“ am Feuerhörndl

Firewall

Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir Alex Huber im Sommer 2003 mit strahlenden Augen von ihrem neuen Projekt am Feuerhörndl vorgeschwärmt hat. „Richtig anspruchsvoll, richtig steil und richtig geil“ lautet seine Beschreibung. Seitdem geisterte der Name „Firewall“ immer irgendwo in meinem Kopf herum. Während die benachbarte Spitzentour „End of Silence“ in den letzten Jahren deutlich mehr Beachtung fand, hat die „Firewall“ noch keine einzige Wiederholung.

Das klingt spannend, dachten sich mein bester „Wallbuddy“ Simon Berger und ich. Ende August 2020 fanden wir beide das erste Mal Zeit, die oberen zwei 8b Seillängen auszuchecken. Die steilen Seillängen haben uns auf Anhieb sehr beeindruckt und wir wussten, wir müssen bald wieder kommen. Der frühe Schnee im Jahr beendete die Feuerhorn Saison leider frühzeitig, doch Ausgesetztheit und abgefahrene Kletterei auf diesem gewaltigen Pfeiler schwirrte den ganzen Winter über in unseren Köpfen.

Sommer 2021

Tag 1: Wir sind zurück in der Wand. Alles fühlt sich deutlich besser an als letztes Jahr. Die Passagen gehen gut von der Hand und wir können noch einiges optimieren. Simon steigt die obere 8b durch. Voll stark.

Tag 2: Die erste 8b ist bedauerlicherweise nass, wir können fast nichts machen, aber die unteren Seillängen müssen auch noch genauer unter die Lupe genommen werden.

Tag 3: Wir machen einen ersten Versuch. Die ersten leichteren Seillängen bis zum „Roten Riss“ gehen gut von der Hand. Ab hier wird’s spannend. Die folgenden drei Seillängen bis unter die Schlüssellängen zeichnen sich durch allerfeinste Kletterei, aber auch wenig fixes Material und Potenzial für sehr viele Flugmeter aus. Simon erwischt die Einzelstelle nicht ideal, kämpft sich aber darüber und kann den anschließenden Riss ohne Probleme nach oben cruisen. Jetzt bin ich dran, mit der sehr würzigen „Himmelsleiter“ Seillänge, eine 7a ohne Bohrhaken, mit Placements, die eher von der fragwürdigen Seite sind. Zu allem Überfluss sind auch noch ein paar Griffe feucht und ich trete die Flucht nach oben an. Sensationell, wie viel Kühnheit und Entschlossenheit Alex und Thomas dort an die Wand gebracht haben. Simon klettert die nächste 8+ zum Band. Ich komme nach. Es ist ziemlich warm, sogar im Schatten, und wir wissen, wenn die Sonne ums Eck lacht, können wir zusammenpacken. Ich steige in die erste 8b ein und stürze knapp. Dann ist Simon an der Reihe. Entschlossen und stark steigt er ein und auch sein Versuch endet knapp. Wir machen Pause und sind schon ziemlich erledigt. Als die Sonne ums Eck kommt, ist uns eines klar, den zweiten Versuch in der Länge können wir vergessen. Es ist einfach zu heiß. Wir checken noch einige Passagen, ehe wir von einem lauten Grollen über Lofer aus unserer Wandtrance gerissen werden. Ok das sieht nach heftigem Unwetter aus. Schnell seilen wir ab und erreichen gerade noch im Trockenen das Auto.

Tag 4: 3 Wochen Dauerregen. Das gibt’s doch nicht. Wir stehen am Einstieg und sehen bereits, dass die erste 8b immer noch nass ist, obwohl es schon 5 Tage trocken war. Wir beschließen nochmals von oben reinzugehen um die Bewegungen einzuschleifen. Wir sind fast am Verzweifeln und kurz davor das Projekt abzuschreiben für heuer, da wir beide Angst haben, die untere Schlüsselstelle könnte gar nicht mehr trocken werden. Simons Bruder Clemi und sein Freund Jakob haben es da in der benachbarten „End of Silence“ deutlich besser heute. Die Bedingungen sind super, die Tour ist trocken. Wir seilen ab und stoßen auf die beiden. Clemi ist gerade die erste 8b durchgestiegen und ich frage ihn, ob ich an den Fixseilen aufsteigen soll um einige Fotos von der Schlüssellänge zu machen. Gesagt, getan und wie es an den guten Tagen eben so läuft, steigt Clemi die Schlüsselseillänge auch gleich auf Anhieb durch. Richtig geil. Wir alle freuen uns wie die kleinen Kinder und stoßen später noch bei 1-2 obligaten Tankstellen Bier an und feiern seinen Durchstieg dieser genialen Tour.

Tag 5: Die Wand ist trocken. Um 9:00 steigen wir ein. Es läuft wie am Schnürchen. Die ersten Seillängen klettern wir klassisch im Überschlag und erreichen um 12:00 das Band unter den Schlüsselseillängen. Wir fühlen uns beide noch echt gut. Simon beschließt sich kurz nochmal die erste 8b anzuschauen, ob alles trocken ist und siehe da, alles trocken. Ich bin motiviert und will es gleich wissen. Ich klettere los und erwische alle Stellen perfekt, an der pumpigen Querung am Ende der Seillänge heißt es nochmal dranbleiben und genau das tat ich. Ein lauter Schrei und noch einer. Geil, die erste große Hürde liegt hinter mir. Simon lässt mich ab zum Stand. Er macht noch Pause. Wir scherzen noch, dass es immer netter ist, wenn man als erster durchgekommen ist. Die Anspannung ist spürbar, aber Simon bleibt wie immer cool. Nach ca 30 Minuten Pause steigt er ein und voll entschlossen zieht er die Schlüsselstelle her. Ich denke mir, bitte jetzt bloß keinen Scheiß mehr bauen und wenig später höre ich einen lauten Schrei. Er hat es geschafft. So geil. Wir freuen uns, wissen aber auch, dass oben noch eine 8b auf uns wartet. Wir chillen für 45 Minuten in der Hängematte, hören Musik und dösen ein wenig. Dann steigen wir mit den Jümars auf unter das letzte Dach. Simon, er ist die Länge schon 2 mal durchgestiegen, startet voll entschlossen in den steilen Boulder, schwingt die Füße, schnappt kontrolliert ums Eck und verschwindet. Jetzt heißt es nochmal richtig cool bleiben, denn die abschließende 7c Platte verlangt nochmal volle Präzision weit über dem letzten Haken. Plötzlich höre ich einen lauten Schrei und noch einen und noch einen. Auch eine Seilschaft in der Nachbarroute scheint mitgefiebert zu haben: „Ey du geiler Bock“ tönt es lautstark aus der Tiefe.

Er ist also am Stand. Sooo geil. Jetzt muss ich nochmals cool bleiben. Da ich die Länge noch nicht durchgestiegen bin, ist diesmal der Druck auf meiner Seite etwas höher. Aber die Motivation ist riesig und lässt mich den Druck vergessen und so kann auch ich gleich auf Anhieb diese edle Seillänge durchsteigen. „Es ist so abgefahren geil, genau jetzt hier zu sein“ denke ich mir noch in der 7c Platte und klettere die letzten Meter voller Konzentration und Genuss rauf zum Stand. Einfach irre, dieses Gefühl. Entweder es ist mir was in die Augen geflogen oder es sind Freudentränen, die ich mir von der Wange wische : -)

Simon klettert noch die letzte 5er-Seillänge zum Gipfel. Ich steige nach und wir liegen noch eine Zeit am Ausstieg und sind einfach unbeschreiblich glücklich. Wieder einmal haben wir es zusammen im Team geschafft, haben uns gegenseitig motiviert, geholfen, angefeuert und uns füreinander mindestens genauso aufrichtig gefreut wie für uns selbst.

Am Ende des Tages ist die Dankbarkeit das beste Gefühl. Dankbarkeit, dass wir so etwas Einzigartiges haben wie das Klettern, das uns so viel gibt, seit so vielen Jahren. Dankbarkeit gegenüber unseren Mädels, die uns immer wieder ziehen lassen, um uns unseren Herausforderungen zu stellen und natürlich Dankbarkeit, einen so genialen Freund und Seilpartner wie den Simon zu haben.

Unser größter Respekt geht an die beiden Erstbegehern Alexander und Thomas Huber, die der Kletterwelt, mit unermüdlicher Hingabe und Leidenschaft, so viele geniale Routen hinterlassen haben und immer noch tun.

Infos zur Route „Firewall“ 7a, 6c+, 6a+, 6a, 6a+, 3, 7b, 7a, 7a+, 8b, 8b, 5

Web: Guido Unterwurzacher www.alpinschulerocknroll.at



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