Robert Jasper in der Route Exit M8-, 285 m, Rauhe Gaisl (c) Simon Gietl Robert Jasper in der Route Exit M8-, 285 m, Rauhe Gaisl (c) Simon Gietl
15 März 2018

Exit

Simon Gietl und Robert Jasper eröffnen einen langen Mixed-Ausstieg zu den Routen an der Rauhen Gaisl. Hier Simons langer Bericht.

Simon Gietl und Robert Jasper eröffnen einen langen Mixed-Ausstieg zu den Routen an der Rauhen Gaisl. Hier Simons langer Bericht.

Eisklettern an der Rauhen Gaisl

Vor ca. 15 Jahren konnte ich mit Freunden den wunderschönen aber anspruchsvollen Eisfall „Guasborscht“, dessen Schwierigkeiten sich mit M6 und WI5 beziffern lassen, an der Rauhen Gaisl wiederholen. Die Erstbegeher des Eisfalles Konrad Auer und Philipp Unterregelsbacher haben dort bereits 1997 ihre Spuren hinterlassen.

Erst 3 Jahre später kam durch Kurt Astner und Urban Ties eine zweite Linie hinzu („Spitzborscht“ M8 WI5) und ein Jahr später eröffnete Christoph Hainz mit Oswald Santin „Beer trinking“ (M9). Zusammen mit Patrick Seiwald konnte ich im Jahre 2009 beide wiederholen und rotpunkt klettern.

Besonders von der anspruchsvollen Kletterei, die die Route „Beer trinking“ bietet, war ich begeistert. Man muss in eben genannter Mixedlinie ein ca. zwei Meter waagrechtes Dach gleich am Anfang klettern. Genau an der Dachkante warten auf den Rotpunkt-Aspiranten zwei Hooks, die ebenso heikel wie delikat sind. Etwas weiter oben befindet sich ein guter Ruhepunkt, an dem man sich erholen und für den kräfteraubenden aber schönen Quergang vorbereiten kann.

Am Ende der Seillänge wartet noch ein schöner Eisausstieg, der über einen atemberaubenden Eisvorhang führt.

Eiserne Jungfrau

2015 bemerkten Vittorio Messini und Peter Luner während eines Wiederholungsversuchs der „Beerdrinking“, dass ein beachtlicher Teil der Tour Opfer der Schwerkraft geworden war und aufgrund des massiven Felssturzes bzw. Ausbruches die Tour in ihrem ursprünglichen Charakter nicht mehr kletterbar war.

Wenig später ging Vitto zusammen mit mir und unseren vollgebackten Rucksäcken Richtung Rauhe Gaisl. Diesmal war es aber etwas ganz Besonderes, da wir jetzt den Gedanken hegten, unsere eigenen Spuren an diesem einzigartigen Wasserfall zu hinterlassen. Für mich war klar, wenn wir Hand anlegen dann so, wie es unsere Vorgänger auch gemacht hatten, nämlich ohne Verwendung von Bohrhaken.

Wir konnten zwischen den bereits in der Eiskletterszene zu Klassikern gewordenen Toure „Spitzborscht“ und „Guasborscht“ die erste Seillänge bis zum kleinen Band eröffnen.

Die darauffolgende Seillänge würde über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Das war uns beiden klar. In gewissen Maßen handelte es sich dabei um den Schlüsselpart der Route.

Unser Ziel war, zum noch vorhandenen Teil der Route „Beerdrinking“ zu kommen. Dort angekommen konnten wir die Möglichkeit eines logischen Ausstieges inspizieren. Nach ca. acht Meter Klettern erreichten wir den Quergang der alten Tour, den ich schon vor sechs Jahren geklettert war. Dort fanden wir auch noch einige rostige Haken, die wir vorsichtshalber nachschlugen, in der Hoffnung ihre Festigkeit zu erhöhen.

Eine große Freude überkam uns, als wir unser Ziel erreichten und dementsprechend brauchten wir nicht lange über einen passenden Namen nachdenken. Die neue Route sollte den Namen „Eiserne Jungfrau“ tragen. Namensgebend war zum einen die Tatsache, dass der erste Teil der Tour bis zum Ausbruch der „Beerdrinking“ von Christoph und Oswald jungfräulich war. Zum anderen Teil rührt der Name auch von einem angsteinflößenden Foltergerät des Mittelalters.

Ein Ausstieg durch die gesamte Felswand

Es vergingen weitere drei Jahre, bis ich zusammen mit Robert Jasper zurückkehrte. An diesen Tag kletterten wir gemütlich den genussvollen Eisklassiker „Spitzborscht“.

Als wir den ersten Hang mit unseren Ski abgefahren waren, schauten wir noch einmal zurück und da kam mir folgender Gedanke. Eigentlich ist es ja schade, dass man nur zum Ende des markanten Wasserfalls klettert. Abenteuerlicher und noch lohnenswerter wäre es, einen Ausstieg durch die gesamte Felswand zu versuchen.

Robert musste ich nicht lange davon überzeugen. Er war gleich Feuer und Flamme. Am 7.2.2018 kehrten wir wieder zum Wandfuß zurück - diesmal mit dem Gedanken einen Versuch durch die gesamte Wand der Rauhen Gaisel zu starten.

Die ersten vier Seillängen hatten wir nach zweieinhalb Stunden hinter uns gebracht. Eine 40 Grad steile Schneerinne stapften wir 55 Meter hoch. Dort bot ein Felspfeiler einen idealen Standplatz. Robert stieg die nächste Länge vor und fand einen logischen Weiterweg über eine kleine recht anspruchsvolle Rampe, die uns nach rechts führte. Nach gut 25 Meter fand er einen geeigneten Platz, mich nach zu sichern. Als ich am Stand ankam, besprachen wir den Fortlauf des Erstbegehungsversuches und dieser sollte uns über eine schwarze kompakte Platte führen. Auf derselben lag noch Neuschnee.

„I schau amol“, sagte ich und übernahm gleichzeitig das scharfe Ende des Seiles. Nach zehn Metern tiefen „Schnee – Gewühle“ stand ich am Ende der Rampe und mir wurde klar, jetzt wartet die Platte auf mich. Ich versuchte, einen soliden Haken zu schlagen. Dieser sollte im Falle eines Sturzes die Standplatzsicherung entlasten. Doch trotz mehrfachen Bemühen scheiterte jeder Versuch, einen guten Haken zu versenken. Es wollte einfach kein Haken in den pechschwarzen Fels dringen. Ich versuchte, mit meinen Händen den Schnee vom Fels zu fegen, um doch eine Möglichkeit zu finden, eine Sicherung unter zu bringen. Da kam ein seichter Riss zum Vorschein, wo ich kurz die Hoffnung hegte, einen kleinen Friend legen zu können. Aber leider war er nicht tief genug. Aber ich wollte unbedingt diese kleine aber dennoch vorhandene Chance ausnutzen.  So legte ich einen Klemmkeil hinein. Da sich dieser wiederum nicht richtig verklemmte, nahm ich den Felshammer zu Hilfe und versetzte den Klemmkeil einige ordentliche Hiebe. Auf diese Weise konnte ich den Keil, der nun richtig platt war, richtig tief in den kleinen Felsspalt hineinschlagen. Jetzt konnte ich es wagen, ein Stück über die Platte zu klettern, um einen besseren Überblick zu bekommen. Da der Fels nicht nur extrem kompakt sondern auch sehr unangenehm geschichtet war, gestaltete sich das Setzen der Pickelhauen ebenso schwierig wie gefährlich.  Gleicher Maßen fühlte sich das sachte Belasten der Steigeisenspitzen an.

Langsam gewann ich an Höhe und ein kleines Felsenloch gab mir wieder Hoffnung, einen erneuten Versuch zu starten, einen Haken zu schlagen. Ich versuchte es mit einem kleinen dünnen Messerhaken. Beinahe unglaublich, aber dieser ließ sich glücklicherweise gut in den Fels schlagen.  Auch  Robert hörte das „Singen“, das beim Schlagen des Hakens zu vernehmen war, und konnte sich mit mir mit freuen. Nachdem der Haken geschlagen war, ruhte ich mich an ihm aus und konnte links eine kleine Schuppe vom Schnee befreien. An dieser Stelle konnte ich auch noch einen kleinen Friend legen. Zwar war die Schuppe nicht ganz fest, aber wenn ich mir die nächsten Meter anschaute, war mir jede Absicherung recht, auch wenn diese sie nicht gut war – immer noch besser als keine.

Die Kletterei blieb sehr delikat und anspruchsvoll. Auch eine weitere Sicherung unter zu bringen schien mir  noch weit entfernt. Nun stand ich bereits so weit über den Haken, dass ich im Falle eines Sturzes bis zur Rampe gefallen wäre. Erst dort hätte die Sicherungskette Seilzug bekommen. Zwar verfluchte ich den Schnee auf der Platte, aber irgendwie war mir auch klar, dass eben dieser im Falle eines Sturzes wie ein Airbag funktionieren könnte.

Immer wieder fand ich eine kleine Leiste, die den Pickelspitzen den notwendigen Halt bieten konnte. So ging es langsam, sehr langsam von Hook zu Hook höher, bis ich endlich rechts von mir einen Riss entdeckte. In diesem Moment tat es gut, ein realistisches Ziel vor Augen zu haben. Dieses anvisierte Ziel war wie ein Geschenk. Ein Friend passte wie eine Faust aufs Auge hinein und ließ meinen erhöhten Puls wieder sinken. Die darauffolgenden zehn Meter war ein purer Genuss - stets im Vergleich zu dem bisher Gekletterten. Robert fieberte voll mit mir mit und motivierte mich mit aufmunternden Zurufen.

Allmählich neigte sich der Tag dem Ende zu, und uns war klar, dass wir ein weiteres Mal zur Rauhen Gaisl pilgern werden müssen, um unsere Tour zu vollenden.

Wieder am Umkehrpunkt

Zwei Wochen später standen wir am Umkehrpunkt. Nun kletterte ich noch 20 Meter weiter und baute in einer kleinen gelben Nische einen angenehmen Stand. Da ich die Absicht hatte, auch diese Seillänge frei zu klettern, musste mich Robert noch einmal zu ihm abseilen. Aufgrund des starken Windes der letzten Tage war die plattige Stelle vom frischen Pulverschnee befreit und das Klettern gestaltete sich schon um einiges entspannter.

Glücklich und zufrieden konnte ich den Stand nach einer kurzen Pause das zweite Mal einhängen. Dies bedeutete, dass ich die Seillänge rotpunkt meistern konnte.

Auch Robert war begeistert von der plattigen Seillänge und es kam das Gefühl auf, die Schlüsselstelle der Wand geknackt zu haben. Nach sechs weiteren schönen Seillängen konnten wir uns am Gipfel die Hand reichen und gleichzeitig ein herzhaftes „Berg Heil“ wünschen. Sehr erfreut und zufrieden seilten wir uns in den Lichtkegeln unserer Stirnlampen ab. Eine Stunde später konnten wir auf unser neues Abendteuer anstoßen.

Es ist ein schöner und langer alpiner Aufstieg und gleichzeitig ein abenteuerlicher Ausstieg der klassischen Eislinie.

Am vierten Stand entdeckten wir einen alten Bohrhaken, deren Route wir nicht herausgefunden haben.

Christoph Hainz und Kurt Astner eröffneten Ende Jänner eine neue Tour im linken Teil.

Text: Simon Gietl

Eis- und Mixedrouten an der Rauhen Gaisl

Alle Eiskletter- und Mixedrouten mit Routenbeschreibung und Topos.

Spitzborscht, M8, WI 5, 125 m von K. Astner und U. Ties 2000

Guasborscht, M6, WI 6, 135 m von K. Auer und Ph. Uteregelsbacher 1997  

Eiserne Jungfrau, M8+, WI6 , 110 m von S. Gietl und V. Messini 2015 

New Look new hook, M9 WI 5+, 120 m von Chr. Hainz und K. Astner 2018

Exit, M8-, 285 m, S. Gietl und R. Jasper 2018 



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