Blick vom Chinese Basecamp Richtung Everest Nordwand Blick vom Chinese Basecamp Richtung Everest Nordwand
20 Mai 2005

Gerlinde Kaltenbrunner unter der Nordwand des Everest

Everest Basislager eingerichtet - erste Erkundungstour zum Wandfuss - Warten auf beständiges Wetter

Der Wandfuss des Everest

Jetzt wird's spannend - wir sind vom Wandfuss des Everest zurück und warten auf stabiles Wetter. Hier in unserem Basislager, fünf Stunden vom Wandfuss der Nordwand entfernt. In einer kleinen Mulde, windgeschützt und zumeist sonnig, mit ständigem Blick zu den Windfahnen am Nordgrat des Everest.

Der Umzug vom Shisha Pangma Basislager war schnell vollzogen. Einen Tag Abstieg mit den Yaks nach Nyalam. Umpacken, letzte Einkäufe, und weiter ging's mit einem Jeep und einem LKW über die Hochebene Tibets. Neu mit dabei ist Stefan Nestler, der uns die Zeit im Everest-Basislager begleiten möchte.

Die Fahrt war vogelwild: Ab Tingri (4200 m) teilweise auf schwer erkennbarer Piste auf und ab, erst umheimlich öde und trocken, trotzdem an hunderten von grasenden Yaks vorbei; immer auf den Qomolungma zu - wie der Everest bei den Tibetern heisst. Und nach 6 Stunden Fahrt ab Nyalam der grosse Schock: Das Fahrerbasislager oder besser Chinese Basecamp, 5200 m.

Musikzelte mit Kneipencharakter

Wo Fahrzeuge hinkommen, ist der Bär los. Und das ist er: Ein Riesenzelt neben dem anderen. Shops, Restaurants, Musikzelte mit Kneipencharakter und bärtigen Bergsteigern, denen es im vorgeschobenen Basislager (6300 m) derzeit zu kalt und windig ist. Und wir mit unserem Wohlstandsmüll bzw. Ausrüstung für 3 Wochen Basislageraufenthalt für 5 Personen. Nix wie weg - denken wir und bestellen die Yaks gleich für den nächsten Morgen, um diesen unwirtlichen, windigen Ort so schnell als möglich hinter uns zu bringen.

13 Yaks = 20 Yaks, oder nochmal in die Grundschule

Am nächsten Morgen wird alles genau gewogen und das Endergebnis durch 40 kg / Yak geteilt: macht 20 Yaks. 13 Yaks stehen uns zu - das heisst wir müssen 7 Yaks und zwei Yaktreiber extra bezahlen. Der Verbindungsoffizier erklärt mir: Es ist Frühjahr - die Yaks seien schwach vom langen Winter und könnten nur 40 kg tragen statt der sonst üblichen 60 kg. Ich bezahle. Cash. 400 US-$. An den Verbindungsoffizier. Als die Lasten verteilt und alle Yaks beladen sind, zähle ich nach: 13 Yaks. Ich glaub' ich muss nochmal in die Grundschule. Protest hilft nix.

Nach drei Stunden zweigt unser Weg von dem in Richtung Normalweg-Basislager ab. Wir folgen dem Moränenrücken des Zentralen Rongbuk-Gletschers. Wir wollen ja zur Nordwand. Weitere drei Stunden später und auf 5550 m angekommen erleben wir die nächste, diesmal sehr angenehme Überraschung. Die Zelte einer tschechischen Expedition markieren das Nordwand-Basislager: eine sonnige, windgeschütze Mulde.

Ein überhängender Bergschrund und viel Wassereis

Unsere Zelte haben problemlos Platz und als abends die Tschechen von der Wand zurückkommen, lernen wir auch unsere sehr sympathischen sechs Nachbarn kennen. Seit fünf Wochen bereits sind sie hier und versuchen bei sehr wechselhaftem Wetter mit ebenso wechselhaftem Erfolg den unteren Teil des Japaner Couloirs zu versichern. Bis auf 6800 m seien sie bisher gekommen. Glashartes Eis, ein überhängender Bergschrund und viel Wassereis sind die schnell erzählten Facts des bisherigen Vorankommens.

Auf dem Weg zum Wandfuss

Wir wollen uns selbst überzeugen. Nach zwei Ruhetagen im Sonnen-Basislager - die ersten seit dem Gipfel des Shisha Pangma - sind wir auf dem Weg zum Wandfuss. Den wenigen Nordwandbegehern entsprechend ist auch der "Weg" zum Wandfuss: viel Geröll, mehr oder weniger grobblockiges Gelände, nur minimale Wegspuren, dann endlich der Gletscher mit zwei weiteren, spaltigen Stunden zum Fuss der Nordwand. Im nachmittäglichen Nebel sind wir beeindruckt. 2800 m Wandhöhe sind doch allerhand.

Der Bauch muss zustimmen

Die Nacht im engen Zelt ist zäh - ich freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen. Mein Magen rebelliert - die letzten Tage waren anstrengend und richtige Erholung hat es bisher kaum gegeben. Nur Gerlinde geht die 20 Minuten zum Wandfuss - Hiro und mir reicht der stundenlange Blick durch's Fernglas.

Jedes Wanddetail, jeder Meter Wassereis, jede Felsleiste schauen wir uns genau an. Ich spüre, dass mein momentanes Körpergefühl noch nicht für diese Riesenwand am höchsten Berg der Erde ausreichend stark ist. Der Bauch muss einem "Ja" zum Einstieg im Alpinstil zustimmen. Und das macht er momentan noch nicht. Die Überschreitung des Shisha Pangma mit schwierigen Verhältnissen und vielen auszehrenden Biwaks hängt mir noch ziemlich in den Knochen.

Auch zwei Tschechen in der Wand

Gerlinde kommt optimistischer vom Wandfuss zurück - der Bergschrund hinge nur leicht über und es sei nicht alles Wassereis, was als solches erscheint.

Den beiden Tschechen, die am Morgen in die Wand eingestiegen sind und sich an ihren Fixseilen nach oben arbeiten, folgen wir noch mit dem Fernglas, bis sie drei Stunden später ihr erstes Wandlager erreicht haben. Tatsächlich lösen sich einige Blaueisstellen doch als besser gangbar auf als gedacht.

Ausrüstung bleibt im Depot am Wandfusslager

Wir besprechen uns und belassen die gesamte Ausrüstung in einem Depot im Wandfusslager. Kurz nach Mittag treten wir den Rückweg an. Drei Stunden später sind wir zurück im Basislager. Und freuen uns über Stefans und Sitaram's Begrüssung.

Die nächsten Tage werden wir wohl mit Warten verbringen. Das ersehnte, stabile Wetter vor Beginn des Monsun lässt noch auf sich warten. Vielleicht ganz gut so? Wir können noch tanken: Essen und Trinken, Energie und Kraft für eine Riesenanstrengung. Es wird auf jeden Fall spannend.

Aus dem Nordwand-Basislager liebe Grüsse von

Gerlinde, Hiro, Stefan und Ralf und natürlich unserem Koch Sitaram

Webtipp:

Amical - die "Expeditions"-Bergsteigerschule von Ralf Dujmovits mit zahlreichen Achttausendern im Programm.

Infos aus dem Everest-Nordwand-Basecamp, alle Fotos © Amical Alpin



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