Makalu (8.463 m) der große schwarze... Ein Alpinistenleben ist voll von Träumen. Jeder Bergsteiger ist schon im Gedanken auf dem Dach der Erde gestanden. Viele dieser Träume vergehen - man sagt ja, Träume sind Schäume. Doch im April und Mai 2001 wurde für einige junge Alpinisten dieser große Traum Wirklichkeit. Der Makalu gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Alpinismus! Eine Lesachtaler Makalu-Expedition mit dem Leiter Helmut Ortner, Gerhard und Hans Oberluggauer, Peter Kanzian, Alex und Mario Lugger sowie der Innsbruckerin Karin Katstaler als Expeditionsärztin und Wastl Ruckensteiner als deren Assistent flogen zum Himalaya, um den fünfthöchsten Berg der Erde zu besteigen. Sir Edmund Hillary, der Erstbesteiger des Mt. Everest, schrieb in einem Buch: "Der Makalu gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Alpinismus!" Zu jener Zeit war es üblich, die hohen Achttausender mit dem Gebrauch von künstlichem Sauerstoff zu besteigen. Unser Ziel war es, ohne die so genannte Sauerstoff-Flasche auszukommen. Auch wollten wir im Gegensatz zu den meisten anderen Expeditionen die Besteigung ohne Hochträger angehen. Die Vorbereitungsarbeiten, wie das Errichten der Hochlager, sind in der Akklimatisierungsphase sehr Kraft raubend und erschweren eine optimale Anpassung an die Höhe. Wir widmeten die erfolgreiche Expedition zum Makalu unserem Freund und Bruder Joachim Lugger, der vor drei Jahren bei einem Kletterunfall sein Leben verloren hatte. Er ist uns am Makalu ein guter Begleiter gewesen..... Basislager auf einer Höhe von 5600 m Mit diesen Vorsätzen und einer guten konditionellen Vorbereitung ging es am 12. 04. 01 los. In Tumlingtar, einem kleinen Flughafen im Osten Nepals, begann der anstrengende Teil unserer Expedition. Wir landeten auf einer großen Wiese in 300m Seehöhe, nahmen unser Gepäck auf die Schultern und gingen gemeinsam mit unseren Trägern in Richtung Makalu. Der Anmarsch ins Basislager mutete eher wie ein Versteckspiel als eine Trekkingtour an. Die durch das ungewohnte Essen angeregte Darmflora ließ so manchen Teilnehmer des Öfteren im Gebüsch verschwinden. Die ersten vier Tage durchwanderten wir viele kleine Dörfer, deren Bewohner von harter Arbeit in der Landwirtschaft geprägt waren - Hans, Heli und ich sind neben unserem Beruf als Berg- und Schiführer auch Bergbauern im Lesachtal. Um so mehr galten unsere Blicke den Arbeitsweisen auf den Getreide- und Reisterrassen. Als wir sahen, dass eine Nepalesin den Mist mit einem Buckelkorb auf den Acker trug, fanden wir uns in vollster Zufriedenheit in Bezug auf unsere scheinbar altmodischen und harten Bergbauernarbeiten in Österreich. Wir erreichten Tashigon, das letzte Dorf vor dem Makalu-Nationalpark. Die Träger grillten einen Ziegenbock; sie wussten, dass ihnen harte Tage bevorstanden. Der Shipton La, ein Übergang ins Baruntal, lag noch im Schnee; er stellte für die Träger große Probleme dar. Unser Gehtempo wurde auf den Almen des Baruntales immer langsamer und träger. Am achten Tag erreichten wir das Hillarycamp (4800 m) am Fuße des Makalu. Der Gipfel, der auf Grund seiner Höhenstürme sehr gefürchtet ist, trug eine Windfahne von mehreren Kilometern und ließ jegliche Euphorie vorerst verstummen. Langsam suchten wir einen Weg durch die endlos erscheinende Moräne des Barungletschers bis ins vorgeschobene Basislager auf einer Höhe von 5600 m. Zwei Wochen waren wir nun unterwegs; ca. 150 km waren wir marschiert und konnten nun endlich unser Basislager in einem Zeltdorf von Expeditionen aus verschiedenen Ländern errichten. Vorbereitungen für einen Gipfelversuch Nun galt es vorerst, alle Vorbereitungen für einen Gipfelversuch zu treffen. Durch den langsamen Aufstieg vom Hillarycamp zum Basislager waren einige unserer Teilnehmer bereits so gut akklimatisiert, dass sie am ersten Tag schon ein Zelt im Hochlager 1 aufstellten. Alle anderen sieben Expeditionen, die heuer am Makalu waren, ließen sich von einheimischen Trägern die gesamte Ausrüstung bis in die höchsten Lager, ja teilweise sogar bis zum Gipfel, tragen. Dies erspart Kraft und lässt viel Energie für den Gipfelversuch übrig. Da wir ab dem Basislager ohne Hochträger auskommen wollten, durften wir beim Packen des Rucksackes nie sparen. Das Tragen der Lasten benötigte viel Energie, auch das Freipickeln der Zeltplätze. In Höhen über 5000 m kann die einfachste Aufgabe sehr schwierig und aufwendig werden. Nicht nur die körperliche Anstrengung, auch das Durchhalten, wenn der Kopf vor Schmerzen wie ein Technohammer klopfte, stellte uns oft vor die Frage nach dem Sinn einer solchen Expedition. Doch im Basislager, bei einer warmen Tasse Tee, waren alle Strapazen des vergangenen Tages wieder vergessen. Der Plan - mit nur zwei Hochlagern auf den Gipfel Mit Wastl und Helmut - beide gelten als erfahrene Höhenbergsteiger - schmiedeten wir den Plan, mit nur zwei Hochlagern auf den Gipfel zu gelangen. Dies bedeutet, dass am Gipfeltag ein Unterschied von ca. 1000 Hm überwunden werden muss. So machten wir uns daran, ein zweites Hochlager am Makalu La in einer Höhe von 7400 Metern zu errichten. Das Lager 2 am Makalu La ist durch eine achthundert Meter lange, zum Teil 40 Grad steile Eisrinne zu erreichen, wohl der schwierigste und anstrengendste Teil des Aufstieges zum Makalu. Als Wastl dort dem Umkehren nahe war und behauptete, dass er hier nie und nimmer weiter gehe, sagte Peter zu ihm mit ermunternder Stimme: "Wastl, dir fehlt es nicht in den Beinen, dir fehlt es im Kopf!" Eine Stunde später standen sie zu viert auf dem Sattel zwischen Kangtschungtse und dem Hauptgipfel des Makalu. Wieder waren wir dem Gipfel etwas näher gerückt. Gerhard, Hans und Alex vervollständigten am nächsten Tag das Lager und kehrten bei widrigen Wetterverhältnissen ins Basislager zurück. So kurz wie möglich in der so genannten Todeszone Nun konnten wir ernsthaft an einen Besteigungsversuch denken. Unser Ziel war es, so kurz wie möglich in der so genannten Todeszone über 7000 m zu verweilen. Ein längerer Aufenthalt ohne künstlichen Sauerstoff würde die Gefahr einer akuten Höhenkrankheit drastisch erhöhen. Da wir eine "junge" Expedition waren, einige aus unserer Runde das erste Mal Höhenluft "schnupperten", wollten wir uns Reserven einplanen und nahmen uns vor, eher umzukehren als um jeden Preis den Gipfel zu erreichen. "Gescheitert ist am Berg nur der, der nicht zurückkehrt" - mit dieser Einstellung startete das erste Viererteam ins Lager auf 6500 m. Der nahegelegene Mt. Everest war Kulisse eines wunderschönen Sonnenunterganges. Im Zelt kochten wir eine Suppe und Tee. Das Schmelzen von einem Liter Wasser benötigt ca. eine Stunde Zeit. Man muss sich jeden Liter hart erschmelzen. Trotz des starken Windes, der um das Zelt pfeift, fühlt man sich geborgen und will schlafen. Am zweiten Tag des Gipfelsturmes stiegen alle vier über die mit Fixseilen versehene Rinne zum Makalu La. Hier trennte sich die Spreu vom Weizen. Mitglieder anderer Expeditionen benötigten für diese achthundert Höhenmeter das Doppelte unserer Zeit. In dieser Höhe können konditionelle Mängel auftreten; das sichere Steigeisen gehen sollte aber doch beherrscht werden. So ärgerten wir uns, dass sogar an leichten Passagen Fixseile angebracht wurden. Alex sagte ironisch: "Eine Schi-Befahrung wäre kein Problem, müsste man nicht immer über diese Seile springen." Nach einigen Stunden Ruhe ohne Schlaf in Lager 2 auf dem Makalu Tagebuchauszug von Alex Lugger am 14. 05. 2001 - Gipfeltag "0.45 Uhr Abmarsch, zuvor anstrengendes Anziehen, Gamaschen, Daunenhose, Jacke....- es ist irrsinnig kalt, ca. minus 30 - 40 ° C. Wir gehen in Richtung Lager 3. Ich weiß nicht, welche Handschuhe ich anziehen soll. Karin hat Probleme mit den Steigeisen, sie passen mit den Expeditionsgamaschen nicht überein. Es vergeht viel Zeit, alles geht sehr langsam und mühsam. Um 3.00 Uhr sind wir im Lager 3. Hier stehen einige Zelte anderer Expeditionen. Peter ist eine Stunde vor uns. Karin und Wastl wärmen sich in einem Zelt. Mir ist kalt und ich bin nicht gut drauf. Um 5.00 Uhr endlich der lang ersehnte Sonnenaufgang. Der Blick über das tibetische Hochland aus einer Höhe von 7800 m ist einfach herrlich, und doch sitzen wir niedergeschlagen und müde im tiefen Schnee. Das Spuren ist sehr Kraft raubend, und wir sind am moralischen Tiefpunkt unseres Aufstieges angelangt. Peter, der uns voraus ist, hat große Probleme mit seinen Zehen und entscheidet sich für den Abstieg; eine kluge Entscheidung! Mit dem weiteren Aufstieg fühle ich mich immer besser und übernehme in ca. 8000 m Höhe die Führung. Als ich sehe, dass der Vorsprung zu meinen Kollegen ständig größer wird, bekomme ich abermals die Sauerstoffarmut in meinem Körper zu spüren. Ich sehe Menschen, doch als ich näher komme, sind es nur Steine, ich sehe Bretterhütten, doch als ich näher komme, erkenne ich nur Felsen. Mich überkommt Angst, und ich habe Probleme beim Klettern. Durch diese Halluzinationen verliere ich das Gefühl der Sicherheit. Von hier aus habe ich den ersten Funkkontakt ins Basislager, gebe meinen Standort bekannt und bin entschlossen, so nah am Ziel umzukehren. Ich steige ca. 50 m ab, und warte dort eine halbe Stunde auf Wastl und Karin, die ein kurzes Kletterseil bei sich haben. Dadurch erlange ich Sicherheit und gehe wieder Richtung Gipfel. Jene Kletterstellen, die mir unbezwingbar und gefährlich erschienen, übersteige ich jetzt mit Leichtigkeit. Um 13.00 Uhr stehe ich endlich auf dem Gipfel des Makalu. (8463 m)." Karin stand somit als erste Österreicherin auf dem Gipfel des Makalu Karin und Wastl erreichten wenig später den Gipfel. Karin stand somit als erste Österreicherin auf dem Gipfel des Makalu. Noch nie vorher war eine Österreicherin auf einem so hohen Berg. Nur kurz verweilten sie auf dem sehr spitzen Eisgipfel, denn ein schwieriger, langer Abstieg stand bevor. Sehr spät und weit vom Gipfel entfernt trafen sie immer noch auf Bergsteiger, die sich im Aufstieg befanden. Erich Resch, einem Klagenfurter, der mit einer Expedition aus Korea unterwegs war, sollte dieser "letzte schöne Tag", wie er auf die Aufforderung, doch umzudrehen, meinte, zum tödlichen Verhängnis werden. Alex stieg noch am selben Tag bis ins Basislager ab, Karin und Wastl verbrachten die Nacht bei Schneefall am Makalu La. Am selben Tag musste unsere zweite Gruppe den Besteigungsversuch im Lager 1 wegen des aufziehenden Schlechtwetters und mangelnden Platzes an Hochlagerzelten abbrechen. Helmut, Hans, Gerhard starten 2 Tage später Zwei Tage später starteten Helmut, Hans, Gerhard und ich abermals einen Versuch, den Gipfel zu erklimmen oder wenigstens die Zelte aus den Hochlagern zu holen. Wir hatten schönes Wetter und stiegen höher und höher. Mir wurde die Luft am steilen Aufschwung zum Makalu La zu dünn und ich kehrte dem Gipfel den Rücken. Es ist kein Leichtes, den Umkehrpunkt genau zu treffen, doch sollte die Gesundheit immer vor ein eventuelles Bergdesaster gestellt werden. Gerhard hielt im Lager 2 auf 7400m die Stellung und beobachtete Helmut und Hans, wie sie sich in den Nordhängen des Makalu dem Gipfel näherten. Es ist wohl die härteste Bergtour in meinem bisherigen Leben Hans, der durch seine stämmige Statur gute körperliche Eigenschaften fürs Höhenbergsteigen hat, nahm leichte Anzeichen von Höhenkrankheit wie verschwommene Sicht wahr und entschied sich, auf 8200m - knapp vor dem Ziel - sein Leben nicht unnötigen Gefahren auszusetzen; er drehte um. Jetzt musste Helmut alleine durch den knietiefen Schnee zum Gipfel stapfen. Wenige Worte funkte er zu uns ins Basislager: "Es ist wohl die härteste Bergtour in meinem bisherigen Leben. Nun habe ich alles erreicht. Jetzt lasse ich das Höhenbergsteigen sein." Auch Helmut, so scheint mir, hatte auf dem Gipfel leichte Halluzinationen, denn kaum ins Basislager zurückgekehrt erzählte er uns schon von neuen Zielen, die er beim Abstieg in der Abendsonne für unser Team ins Auge gefasst hatte. Wir widmeten die erfolgreiche Expedition zum Makalu unserem Freund und Bruder Joachim Lugger, der vor drei Jahren bei einem Kletterunfall sein Leben verloren hatte. Er ist uns am Makalu ein guter Begleiter gewesen..... Webtipp: Die Page von Helmut Ortner mit seiner Alpinschule-Lesachtal Text: Alex und Mario Lugger Im Zusammenhang mit dieser Expedition noch ein "Österreichisches Makalu-Märchen", in dem Sebastian Rückensteiner ganz offen über den angeblich nicht wahren Gipfelerfolg eines Italieners spricht (Dieser Italiener hat sich laut Rückensteiner als "Summiter" in seiner Heimat feiern lassen) - natürlich hat es einige Wirbel in der Presse gegeben.
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