Aufstieg im Morgengrauen © Marco Spataro Aufstieg im Morgengrauen © Marco Spataro
09 November 2007

"Die Herbstzeitlose" by Ines Papert und Stephan Siegrist

Am 7.10 gelingen Ines und Stephan die 10 Seillängen in der 400m Wand am Signal (7c)

Neue Route am Signal

Bereits im Jahr 1996 begannen die Schweizer Stephan Siegrist und Chrigu Zwahlen mit der Erstbegehung einer neuen Route am Mittaghörnli/Signal. Nachdem sie damals die Route "Nebelspalter" 7a+/9 Seillängen erstbegangen hatten, setzten sie die Einbohrarbeiten am Mittaghörnli fort.

Aus verschiedenen Gründen musste die Linie 11 Jahre lang auf Fortsetzung und Beendigung warten. Stef fragte mich, ob ich mitkäme. Natürlich!! Auch noch mit Begeisterung. Sommerferien auf der Alp.

Neue Linien zu erschließen ist etwas sehr besonderes und immer wieder aufregend, auch wenn es mit Ferien nicht sehr viel zu tun hat. Zumal allein der 2 ½ -stündige Zustieg über die Stöckalp mit dem ganzen Technogear und Bohrmaschine eine mittlere Herausforderung darstellte. Als wir dann alles Material schon Mitte August zum Wandfuß transportiert hatten, setzte, wie erwartet und schon gewohnt in diesem Sommer, eine Schlechtwetterperiode ein.

Mitte September 2007 begannen wir, weiter zu bohren

Um uns vom Urbachtal den 2 1/2 stündigen Zustieg zur Wand zu verkürzen, richteten wir uns auf der oberen Stöckalp ein.

Nach einer Nacht im Ziegenstall war schnell klar, dass noch ein Zelt mit hoch musste, solange die Tiere auf der Alm weideten. Stef hasste Ziegenkäse und den Gestank der Tiere noch viel mehr. Ich fand Letzteres auch nicht wirklich angenehm.

Dann am Wandfuß.

Nebel, nichts als Nebel. War die Wettervorhersage nicht deutlich besser? Nachdem wir aber nicht mehr warten wollten, stiegen wir trotz der miserablen Bedingungen ein. Der Fels war sichtlich nass, aber nach einigen Seillängen waren wir am ende des letzten Bohrhakens angekommen.

Stef hatte noch eine Knieverletzung auszukurieren.

Wie froh war ich, dass ich voraus durfte…und (noch) voller Energie. Ich bündelte alle meine Kraft und vollendete eine 45m Seillänge, in der mir Wochen später beim ersten Durchstiegsversuch der A…auf Grundeis ging. Offensichtlich hatte ich damals einen guten Tag erwischt, oder beim Versuch einen schlechten….

...ach ja, was mich während des Einrichtens im Vorstieg beschäftigte…

Welche Linie wähle ich? Möglichst geradlinig und schön steil? Die mir am offensichtlichsten erscheint. Wäre es weiter rechts nicht kompakter und schwieriger? Komme ich mit möglichst wenig Bohrhaken aus, um den alpinen Anspruch mittels Selbstabsicherung zu erhalten? Ist es dennoch nicht zu gefährlich? Hoffentlich hält der Cliff an der eher abschüssigen Leiste, beim ansetzen des Bohrers nicht zu viel Gewicht nach hinten bringen, sonst zupfts mir das verdammte Mistding. Nicht zu oft bohren, der Akku und die Bohrhaken sollen doch bis zum ende reichen…die verdammten Füße brennen so sehr, dass ich gar nicht mehr drauf stehen möchte. Und wieder kein Loch für den Birdpick. Irgendein Leistchen für den Cliff…muss endlich her… Die Kletterei an seichten Wasserrillen ist nicht besonders steil, gerade deshalb möchte ich hier nicht fliegen. Also weiterklettern, nicht daran denken, wo ich den letzten Bohrhaken setzte. Und dann ein kleiner Absatz für die Füße. Eher ein Balanceakt, die Bohrmaschine nachzuziehen, ohne nach hinten zu kippen. Endlich sitzt er. Uff…das Seil hängt…nein, es ist die Seilreibung nach bereits 45m. Wie blöd dass ich nur einzelne Karabiner eingehängt hatte.

Wie wird sich wohl die Seillänge auflösen? Finde ich einen Absatz, auf dem ich Stand beziehen kann?

Hoffentlich hat Stef noch Lust zum sichern!

Für den „Seilzweiten“ ist es eher eine langweilige Angelegenheit. Ist doch seine einigste Aufgabe, mich mit Material zu „beliefern“ und möglichst eng zu sichern. Aber es ist Land in Sicht….und runter müssen wir auch bald, denn es beginnt zu dämmern.

Als wir ein weiteres Mal antraten, legte Stef mit der Schlüssellänge (7c) in sagenhafter Riss und Lochkletterei einen sauberen Stil hin. Mit wenig Haken, und einige Friends zu Absicherung kommen wir dem Gipfel deutlich näher. Nach weiteren 2 Längen erreichen wir den herrlichen Gipfel des Mittaghörnli.

Nun schauen, wie schwer das Ganze

Unser Rotpunktversuch am nächsten Tag scheitert jämmerlich. Uns tut alles weh vom einbohren. Und ich fürchte mich vor unseren eigenen Bohrhakenabständen…So beschliessen wir, ein andermal ausgeruht wiederzukommen. Der Termin steht schon fest. Wir hoffen auf einen schönen Herbst.

Rotpunkt

7.Oktober: Wieder einmal reise ich in die Schweiz, um die schönen Herbsttage in unserer Route und mit Stef zu verbringen. Diesmal brauchen wir nicht einmal unser Zelt, denn der Bauer hatte uns das Schlüsseldepot verraten. So konnten wir in der gemütlichen Almhütte Lager beziehen. Keiner war mehr da, außer uns und unserem Freund und Photograph Marco aus Italien. Die Blätter färben sich deutlich bunter, und uns wird klar, dass dies unsere letzte Chance vor dem Winter ist.

Also mobilisierten wir alle unsere Energie, um alle Seillängen rotpunkt zu durchsteigen. Unsere Markierungen per Chalk waren leider vom vielen Regen weggewaschen und die sehr technische und anhaltend schwierige Kletterei machte uns deutlich müde. Uns brannten die Finger und die Füße.

16 Uhr standen wir auf dem Gipfel. Glücklich darüber, alle Seillängen frei geklettert zu haben und der alten Lady (unserer Route) nach der langen Zeit des Wartens einen angemessenen Namen geben zu können.

Routeninfo - Die Herbstzeitlose

Länge: 400m, 10 Seillängen,

Schwierigkeit 7c (9); 1.Sl. 4, 2. Sl. 6b, 3.Sl. 7b, 4.Sl. 7a, 5.Sl. 7b, 6. Sl. 7b, 7. Sl. 7b+, 8.Sl. 7c, 9.Sl. 4

Berg:Mittaghörnli 2293m/ Signal (Schweiz/Berner Oberland, Urbachtal)

Material: 2 x 50m Seile, 10 Expressschlingen, Camelots Gr. 0.4 – 2

Erstbegehung am 23. September durch Stephan Siegrist und Ines Papert fertiggestellt und am 7.Oktober rotpunkt geklettert.

Topo: Die Herbstzeitlose

Nachsatz

Hoch motiviert kehrte ich zurück nach Hause. Schnell war der Akku geladen, denn ein weiteres Projekt wartete. Gschlossei (Michael Grassl) aus Berchtesgaden hatte mir sein Untersbergprojekt „abgetreten“ mit der Begründung, er könne den begonnenen Stil nicht weiterfahren, zu schwierig sei die Kletterei an der Westwand. Stefan Rass war diesmal mein Partner. Diesmal hatten wir Glück und deutlich mehr Arbeit, denn es war nur der Anfang gemacht. So gehörte uns ein großer Teil der Wand. Nach den 2-tägigen Einbohrarbeiten setzte dann endgültig der Winter ein und unsere freie Begehung muss bis ins nächste Frühjahr warten. Aber eines ist bereits jetzt klar: hier dürfen wir uns in mehreren Seillängen gut festhalten. Es wird mit Sicherheit der 10. Grad tangiert.

Photos: Marco Spataro

Text: Ines Papert

Webtipps

www.ines-papert.de

www.stephan-siegrist.ch

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