Auf dem Heimweg von Chamonix machten wir letztes Jahr einen Zwischenstopp bei den Drei Zinnen. Ich sah eine Linie an der Großen Zinne, die noch ungeklettert zu sein schien. Ich wollte mich aber selbst davon überzeugen, weil nicht alle Routen in Kletterführern oder dem Internet veröffentlicht sind. Wir gingen unter die Wand um es zu prüfen: Die Linie war noch frei. Gesichert von meiner Frau Duška, stieg ich die ersten 40 Meter hoch und bohrte sechs Bolts. Duška jumarte zum ersten Mal. Der Fels erwies sich als gar nicht so schlecht und der Start für eine Neutour war gemacht!
Ich hatte einen sehr persönlichen Grund dafür: In diesem Sommer verschwand mein sehr guter Freund, der slowakische Elite-Alpinist Maroš Červienka in der Brenva Flanke am Mont Blanc. Nach einer Woche der Suche wurde er nicht gefunden. Nur viele abgebrochene Seracs und Lawinen. Er war mein Mentor bei großartigen alpinen Unternehmungen. Nachdem ich mit ihm den zentralen Teil vom Freney-Pfeiler, die Bonatti-Gobbi am D´Angle und die Ortler Nordwand geklettert bin, dachte ich, dass es keinen vorsichtigeren Alpinisten als ihn geben würde. Ich glaubte, wir würden immer auf Nummer sicher bergsteigen, aber die objektiven Gefahren belehrten mich eines Besseren. Also beschloss ich, beim Bigwall-Klettern zu bleiben. Und diese Route habe ich gemacht, um mich daran zu erinnern.
Länge zwei und drei
Wenig später kehrten wir im Oktober an die Zinne zurück, diesmal war Rišo Schwarcz, ein junger Kletterer aus Košice dabei. Es war seine erste Mehrseillängentour überhaupt. Zu unserer Überraschung hatte es einen halben Meter Neuschnee. Zum Glück ist der Schnee in dieser überhängenden Wand kein echtes Problem, auch wenn Freiklettern bei rd. 3 ° C kein großes Vergnügen war, und das Sitzen auf Skyhooks den Blutdruck deutlich erhöhte. Auf einer neuen Linie an der Großen Zinnen Nordwand zu klettern erschien uns zu Beginn schrecklich. Ausbrechende Griffe, taube Finger, ja sogar die Bolts erschienen uns manchmal von zweifelhafter Qualität zu sein. Aber nach meinem Sturz in der 3. Länge war ich überzeugt: Dieses Spiel ist halbwegs sicher, solange man dem Fels mit Umsicht begegnet. Rišo beschloss, das scharfe Ende des Seils in dieser Tour nicht auszuprobieren, leistete aber dennoch große Unterstützung und auch moralische Unterstützung. Mit zweieinhalb weiteren Seillängen sind wir zügig vorangekommen. Das Wetterfenster war vorbei, also haben wir vor dem Winter die Fixseile entfernt.
Filip Koman
Im nächsten Jahr suchte ich nach einem Partner, um am Projekt weiter zu arbeiten. Zum Glück fand ich Filip Koman, einen super Kletterer aus Rožňava. Bei unserem ersten Besuch im Juni war ich leider krank und wir montierten nur eine Gedenktafel am Einstieg der Route. Aber Filip war extrem motiviert als er die Wand sah. Zwei Wochen später waren wir schon zurück: In der ersten Seillänge hatte leider ein Stein das Fixseil durchgeschnitten, zum Glück war es nur das Fixseil. Weiter oben knotete sich auch Filip in das scharfe Seilende und gab sein bestes. Im kompakten Fels kam er mit ordentlichen Runouts im mittleren Schwierigkeitsbereich gut voran und setzte seinen ersten Bolt aus dem Skyhook. Wir erkannten rasch, dass wir in Wechselführung ein viel stärkeres Team abgaben. Wir fixierten Seillänge für Seillänge. In der 5. Länge war die beste Lösung, unsere Tour auf einer Länge mit der Saxons’s Superdiretissima zu führen, da der Fels auf beiden Seiten der Superdiretissima in dieser Länge absolut schrecklich war, viele lose Riesenblöcke, die man besser nicht berührt. Als ich einen 55 Jahre alten Bolt in dieser Länge mit einem Hammerschlag abschlagen konnte, entschieden wir uns, 3 Bolts durch neue zu ersetzen. Nach der sechsten Länge waren wir fertig, jeden Tag die Längen bis zum Highpoint jumarn kostete viel Kraft, also brauchten wir ein Portaledge.
Und wieder war das Glück auf unserer Seite, den der Bigwall Spezialist Dušan Beránek borgte uns sein Portaledge und der Alpin-Veteran Peter Kuzmiak war auch hier und borgte uns seinen Haulbag. Andere Freunde liehen uns ihre Seile, denn unsere waren bereits an der Wand fixiert. Während eines Familien Urlaubs mit Duška brachten wir die Ausrüstung zum Wandfuß, sogar meine Kinder halfen mit ein, zwei Wasserflaschen aus. Natürlich haben wir in Wandnähe alle immer einen Helm getragen. Hochmotiviert haulte ich das gesamte Material zum fünften Stand hinauf, während Duška und die Kinder die Drei Zinnen Runde machten.
Beim nächsten Trip mit Filip gelangen uns im stark überhängenden Wandteil die Seillängen sieben und acht. In diesem überhängenden Bereich kletterten wir nicht alles frei. Ich verwendete eine Kombination aus bird beaks und Haken, was anderes war in diesem kompakten Fels nicht möglich. Wir gewöhnten uns an die Nächte im Portaledge und genossen die Ausgesetztheit. Dieser Push endete nach vier Tagen durch eine herannahende Kaltfront. Aber ich war bald wieder zurück, diesmal mit Rišo und wir versicherten die neunte Länge und eine paar weitere Meter. Mehr war bei Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht drin. Rišo, der den ganzen Tag nur sicherte, litt an Unterkühlung, also blieb uns nichts anderes übrig, als nach zwei Nächten in der Wand wieder abzuseilen.
Final Push
Beim letzten Anlauf mit Filip wollten wir erst abseilen, wenn die Route fertig war. Wir waren schon viel schneller beim Jumarn und bauten auch das Portaledge bereits in 15 Minuten auf, davor brauchen wir dafür 1 ½ Stunden. So blieben uns an diesem Tag noch drei Stunden Tageslicht, die wir zum Klettern nutzten. Mit den letzten Sonnenstrahlen an diesem Tag bohrte ich Stand Nummer zehn. Am nächsten Morgen war Filip super drauf, er kletterte die 11. Länge in nur zwei Stunden, dann teilten wir uns die 12. Seillänge und ich klettere die leichte 13. In der letzten 14. Länge fanden wir einige Bolts und kletterten sie bis zum großen Ringband, wo unsere Route zu Ende war. Von hier kann man mehr oder weniger zu Fuß zum Gipfel gehen. Da wir nur noch 20 Minuten Tageslicht hatten, starteten wir mit dem Abseilen.
Wir hoben uns den Gipfel für die durchgehende freie Begehung (ca. 8a) unserer Route im nächsten Jahr auf.
Fakten zur Route:
Wand: Große Zinne Nordwand
Routenname: Forever Young
Länge und Schwierigkeit: 470 m, 14 Seillängen, VIII, A2,
Dauer: 17 Klettertage und 8 Nächte in der Wand verteilt auf 15.8.2018 bis 22.9.2019
Absicherung: S2, einige leichtere Seillängen S3
Kletterer: Martin Varga, Filip Koman
Sicherung und Support: Duška Vargová, Rišo Schwarcz
Text und Fotos: Martin Varga, Mitglied des Metropol Alpine Club
Die Kraft für diese Tour zogen sie aus den MARVA Natural Engery Bars, www.marva.sk.
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