Steve House hier am Gipfel des Cayesh, Peru (Foto: Marko Prezelj) Steve House hier am Gipfel des Cayesh, Peru (Foto: Marko Prezelj)
30 September 2005

Neutour an der Rupal Flanke im Alpinstil eröffnet

Die Amerikaner Steve House und Vince Anderson eröffnen im Alpinstil eine neue, schwere Tour durch die Rupal Flanke am Nanga Parbat (8.125 m).

Nach sechs Tagen Klettern standen Vince Anderson und ich am 6 September um 17.45 bei Windstille auf dem Gipfel des Nanga Parbat. Wir haben eine neue, direkte Tour in der Rupal Flanke eröffnet. Berühmt als eine der größten, wenn nicht überhaupt die größte Wand der Welt und auch durch ihre 1970 erfolgte Erstbegehung durch Reinhold und Günther Messner.

Vince und ich starteten am 1. September um 4.00 Uhr und hatten je 16 kg Ausrüstung dabei, wobei wir uns auf das absolute Minimum beschränkten: Ein 1 kg schweres Zelt und einen synthetischen Schlafsack, den ich extra für diese Tour angefertigt habe, ein Minimum an Essen und Brennstoff. Unsere Kletterausrüstung bestand aus 3 Camelots, 10 Keilen, 9 Titanhaken, 5 Eisschrauben und 10 Expressschlingen. Wir kletterten an einem 8mm Seil und nahmen noch ein 5 mm Seil für die vielen Abseilstellen zurück durch die Wand mit, beide 50 m lang.

Die ersten beiden Tage folgten wir der Linie, die ich gemeinsam mit Bruce Miller 2004 (bis 7400, ohne Gipfelerfolg) eröffnet hatte. Am dritten Tag steuerten wir auf der Suche nach mehr Abenteuer und auch um dem vielen Schnee in der Wand auszuweichen geradewegs den prominenten Pfeiler in der Wandmitte an. An diesem Tag kletterten wir viele Seillängen. (Wir hörten auf zu zählen und wenn man die simultan gekletterten Längen rechnet, werden es mehr als 30 gewesen sein. Schließlich erreichten wir nach 18 Stunden einen Biwakplatz.

Ich war total nervös wegen dem nächsten Tag, denn bis jetzt kletterten wir auf einer großteils sicheren und schönen direkten Linie, doch die Fotos und meine Erinnerung deuteten eher einen schweren Weg durch die Felsbarriere über uns an. Nach einigen Stunden gemäßigter Solo-Kletterei machten wir unter der Schlüsselstelle Rast. Ich hoffte auf eine Eislinie, die uns rasches Klettern erlauben würde. Ich atmete noch einmal tief durch und startete nach rechts. Dort wurde ich mit einem WI 3-4 Wasserfall über uns belohnt. Ich war so glücklich und so kühn, dass ich diesen Fall gleich solo hinaufgestiegen bin während Vince noch unten gewartet hat. Für einen Moment glaubte ich, über den Bergen zu fliegen, und ich war sehr glücklich diese Lösung für die Schlüsselstelle gefunden zu haben. Nach einer Länge warf ich Vince das Seil hinunter und ließ ihn nachkommen. Ich führte weiter für den restlichen Tag und die herannahende Nacht. Wir kletterten so schnell wie möglich über eine steile aber nicht mehr ganz so schwierige Eispassage. Die Verhältnisse waren perfekt, doch wir brauchten bald einen Biwakplatz.

Der gefährlichste Moment

Dann schrammten wir ganz knapp vom Desaster vorbei. Wir kletterten gerade wieder simultan, ich als Führender. Ich war gerade dabei einen steilen, schmalen Grat hinaufzuklettern in der Hoffnung, dass ich oben einen Biwakplatz finden würde, als der gesamte Eisgrat unter mir wegbrach. Meine Füße schwangen ins Freie und eines meiner Eisgeräte löste sich. Glücklicherweise hielt das zweite Gerät und ich brachte die Füße wieder zur Wand. Ich konnte mich auf die andere Seite des schmalen Grates schwingen, die leider genau so steil wie die erste Seite war. Vince wurde von den großen harten Firnstücken getroffen, aber zum Glück nicht aus der Wand gerissen. Falls das passiert wäre, hätte ich uns mit einem Gerät nie halten können und die letzte Eisschraube war 20 m unter mir. Das war ein sehr gefährlicher Moment für uns. Am Ende gelang es uns über dem Grat einen sehr kleinen und exponierten, aber flachen Biwakplatz zu finden.

Am nächsten Morgen seilten wir zurück in den Haupteisgully und stiegen zu unserem nächsten Biwak in 7.400m auf. Dieser Tag war zwar technisch einfach, aber aufgrund der Höhe schon extrem anstrengend.

Der Gipfeltag war physisch einer der härtesten Tage, die ich je in den Bergen hatte. Wir kletterten nun schon fünf Tage ohne eine Chance sich zu erholen. Das Wetter war aber perfekt, doch der Erfolg schien uns erst sicher als wir unter dem Südgipfel über 8.000 m ankamen und die letzten Meter zum Gipfel schon sehen konnten.

Abstieg durch die Wand

Der Abstieg dauerte dann bis weit in die Nacht. Wir kletterten sehr langsam und machten Fehler, bei denen wir auch beinahe unser 5 mm Seil verloren. Die Abseilstellen machten uns die größten Probleme.

Am nächsten Morgen starteten wir so früh es ging und bereiteten uns auf den weiteren Abstieg vor. Unser Plan war es, über die steile Wand unter uns zum Merkyl Eisfeld abzuseilen und dort über die 1970-Messner Route zum Wandfuß abzusteigen. Das Wetter war noch immer gut, doch am Nachmittag kündigten die ersten Wolken schon das Ende des Schönwetters an. Wir seilten uns viele Längen ab und kletterten so viel wie möglich bis weit in die Nacht hinein, bis Vince nach 2000 m Abstieg, so ca. auf 5.500 m seine Stirnlampe verlor und mir die Batterien ausgingen.

Am nächsten Tag stiegen wir den Rest ins Tal ab und trafen am frühen Nachmittag unseren Liason Offizier und einige begeisterte Locals nahe dem 1970er Base Camp. Nach einem vollen Rasttag packten wir das Lager zusammen und wanderten zurück, damit Vince am 14. 9. noch seinen Flieger schafft, der ihn als Prüfer zur Bergführerprüfung am 16. 9. brachte.

Zusammenfassung:

Nanga Parbat, 8125 m, Zentralpfeiler der Rupal Flanke, 1. bis 8.September 2005, Anders/House (4,100 m, M5, 6, WI 4)

Wenn man die Wandhöhe vom Bazihin Gletscher, bei dem die Wand beginnt, misst, sind es 4.125 m. Manche geben die Wandhöhe mit 5.000 m an, aber dann muss man die Höhe vom Ort Tarshing, von dem aus man ins Basecamp trekkt, messen. 4100 m scheint uns die ehrlichste Angabe für die Kletterlänge zu sein.

Text: Steve House

Webtipps:

Steve House im Porträt.

Vince Anderson im Porträt

Grivel Northamerica der Sponsor der beiden Spitzenalpinisten.



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