Luftige Kletterei, mit Sigibolts in weitern abständen gesichert – in der Route Don Juan an der Hochkönig-Südwand Luftige Kletterei, mit Sigibolts in weitern abständen gesichert – in der Route Don Juan an der Hochkönig-Südwand
24 September 2008

Technische Mängel an Sigibolts

ÖAV, DAV und Albert Precht suchen Lösung zur "Sigibolt-Problematik" im Tennengebirge und Hochkönig....

Kletterstar Albert Precht feiert in diesem Herbst 2008 seine 1001. Erstbegehung: Der Österreichische Alpenverein (ÖAV) und der Deutsche (DAV) sowie der ÖBRD gratulieren wie so viele andere Akteure. Parallel geben ÖAV und DAV eine - in Zusammenarbeit mit Precht selbst - erarbeitete Empfehlung bzw. Warnung heraus.

Technische Mängel an Sigibolts

Es geht dabei um mögliche technische Mängel der so genannten "Sigibolts", die in vielen Routen Prechts stecken - im Tennengebirge und auf dem Hochkönig-Massiv.

Abseits des großartigen Jubiläums der 1001. Erstbegehung gibt es um viele Precht-Routen seit Monaten bzw. Jahren eine angeregte Diskussion unter Experten und Kletterern. Die Fachzeitschrift "berg & steigen" entwickelte sich dabei zum vermittelnden und sehr fundiert berichtenden Forum für Sichtweisen und Standpunkte.

Es geht bei dieser Diskussion um die Sicherungsmöglichkeiten in vielen Routen, die von Albert Precht erstbegangen und in der Folge von ihm und seinen Gefährten mit Haken ausgestattet wurden. Es stellte sich heraus, dass viele dieser so genannten "Sigibolts" erhöhte bis große Aufmerksamkeit von nachsteigenden Bergsportlern erfordern.

Sigibolt ist im Grunde kein Bohrhaken

Diese Empfehlung des ÖAV ist an jene Kletterer gerichtet, die als Wiederholer in Precht-Erstbegehungen hineinschnuppern bzw. diese meistern wollen:

Die in vielen Routen angebrachten „Sigibolts“ sollten NICHT wie normgerechte Bohrhaken benutzt werden. Nach umfassenden Tests, Zug- und Bruchversuchen seien sie wie geschlagene Normalhaken zu sehen, betonen Experten und der regionale Arbeitskreis AKHT (mehr darüber weiter unten). Begriffsklärung für Laien: "Normalhaken" sind gegenüber Belastungen in allen Richtungen und aller Arten (Zug, Druck, Biegung, Abscherung ...) bei weitem nicht so widerstandsfähig wie moderne, normgerechte gebohrte bzw. geklebte "Bohrhaken", die den aktuellen Stand der Technik repräsentieren.

Tödlicher Absturz als Auslöser

Die Diskussion begann 2005 nach einem tödlichen Absturz in den Mannlwänden auf dem Hochkönig – wegen eines ausgebrochenen Hakens. Dann folgte ein Leserbrief der Bergführer Stefan Kieninger und Michael Drechsler an die Fachzeitschrift „berg & steigen“ (2/06), wonach die in vielen Precht-Routen steckenden „Sigibolts“ (selbstgebauter, nicht genormter Hakentyp) grundlegenden Normen – wie sie für Bohrhaken gelten – nicht entsprechen würden.

Diese sachlich formulierte Kritik nahm der Österreichische Alpenverein (ÖAV) als Mitherausgeber von „berg & steigen“ zum Anlass, die in der Region Pongau kletternden Experten und Erschließer zu einem Treffen nach Bischofshofen einzuladen, den zentralen Ort. Ziel: Maßnahmen und mögliche Schritte sollten gemeinsam besprochen werden, um die Lage zu klären bzw. diese zu verbessern im Sinn von Risiko-Management und Verantwortungsbewusstsein. Dabei wurde von den Anwesenden auch ein "Arbeitskreis Hochkönig-Tennengebirge" (AKHT) gegründet.

Sicherheitsforschung des DAV

Ein erstes Ergebnis dieser Gespräche war eine offizielle Bitte des ÖAV – vertreten durch den Kletterer, Berg- und Skiführer, Literatur- und Sportwissenschafter Mag. Michael Larcher (Innsbruck) – an die Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins (DAV). Diese ist europaweit für modernstes Knowhow bei der Überprüfung von Methoden und Materialien im Bergsport bekannt.

Der DAV sagte prompt zu –auch aus eigenem Interesse, denn auch seine Mitglieder sind in Tennengebirge und Hochkönig-Massiv als Kletterer unterwegs und auf gute Sicherungsmöglichkeiten angewiesen. So begann die Sicherheitsforschung des DAV unter der Leitung von Chris Semmel mit Tests der so genannten „Sigibolts“, die in vielen – von Albert Precht erstbegangenen – Routen stecken. (Ergebnisse im Detail als PDF-Downloads unten ...)

Text: Gerald Lehner (ORF-Salzburg/Bergrettung Österreich)

Hinweis bergsteigen.at:

- Nicht nur im Tennengebirge und Hochkönig wurden „Fehler“ beim Setzten von Bohrhaken gemacht – auch in den Klettergebieten von Wien hat es einen ähnlichen Fall gegeben. (sog. „Hacker-Haken“ die brechen, da sie heiß gebogen wurden). Auch kommt z.B. der DAV in seiner neue Hakenbroschüre (siehe Link ganz unten) zum Schluss, dass der Klebebohrhaken (anderes als Früher von den alpinen Vereinen publiziert und also AV-Klebebohrhaken in zahlreichen Routen gesetzt) nicht unbedingt dem Expansionshaken vorzuziehen ist. Der Umgang mit Kleber und die damit verbundenen Aushärtezeit ist fehleranfällig.

- Albert Precht ist es hoch anzurechnen, dass er sich trotz der Kritik aus allen Ecken an dieser Aktion beteiligt und wir Gratulieren ihm herzlich zu seiner 1001ten Erstbegehung!

Technisch-Wissenschaftliche Sigibolt Tests

Ausreißversuche "Sigibolts" - Versuchsanordnung der DAV Sicherheitsforschung in Kochel: Daten, Fakten, Ergebnisse (PDF)

Ausreißversuche "Sigibolts" in der Route "Maiandacht": Daten, Fakten, Ergebnisse (PDF)

Was „Nachsanierung“ bedeutet, geht aus diesen Richtlinien hervor, die der AKHT einvernehmlich festgelegt hat (Auszug):

- Der AKHT bemüht sich um Ausstattung von ausgewählten Kletterrouten sowie Abseilstellen mit Norm-Bohrhaken.

- Vollausstattung von Führen mit Bohrhaken ist nicht geplant. Ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein, Eigenverantwortung und hohes Können bleiben weiter Voraussetzungen für Wiederholer von Precht-Routen.

- Norm-Bohrhaken werden an Standplätzen und neuralgischen Punkten gesetzt. Was als neuralgischer Punkt gilt, ist in den Richtlinien (PDF-Download unten) im Detail nachzulesen.

- Bei der Sanierung der mit „Sigibolts“ ausgestatteten Routen werden Norm-Bohrhaken nur dort gesetzt, wo „Sigibolts“ unbedingt ersetzt werden müssen. Ein Entfernen von „Sigibolts“ ist aus praktischen Gründen nicht geplant. Nähere Details ebenfalls im PDF-Download ...

- Jede Sanierung bedarf der Zustimmung der Erstbegeher.

- Das AKHT beschließt, welche Routen in das Sanierungsprogramm aufgenommen werden.

- Die Materialkosten für die Sanierung tragen Sponsoren (ÖAV, DAV,...)

Hinweis in neuem Kletterführer

Im neuen „Genussklettern Österreich Mitte“ wurde erstmals alle Precht Touren mit einen „Sigibolt-Symbol“ gekennzeichnet, weiter wurde folgender Hinweis geschaltet:

Im Tennengebirge und am Hochkönig hat es einen Unfall mit den sog. Sigibolts gegeben (siehe Abbildung rechts). Deshalb einige Hinweise zu diesem Hakentyp:

• Die Sigibolts sollten nicht axial belastet werden!

• Sigibolts sollten von der Verwendung her so beurteilt werden wie Normalhaken.

• Weit herausstehenden Haken sollte explizit misstraut werden.

• Einem Sigibolt sollte nie alleine vertraut werden (Redundanz Standplatz/Abseilen).

Sigi-Bolt Routen sind im Gesamten immer noch sicherere als mit Normalhaken abgesicherte Routen. Grundsätzlich könnten auch andere Klebe- und Schlagbohrhaken fehlerhaft sein, deshalb immer am Stand wenn möglich zwei verbundene Fixpunkte verwenden und nicht an nur einem Bohrhaken abseilen.Mehr Infos beim Alpenverein.

Bericht zum Thema:

Fangemeinde feiert: Albert Prechts 1001. Erstbegehung

1x1 der Bohrhaken Nach 5-jähriger Arbeit und zahllosen Tests zur Festigkeit von Bohrhaken, hat sich nun gezeigt, dass der Verbundhaken nicht – wie ursprünglich angenommen – immer das Optimum darstellt.

Diskussion: Eure Meinung zum Thema Nachsanierung der Precht-Routen (macht es z.B. Sinn, die alten Haken zu belassen, könnte es dabei nicht erneut zu gefährlichen Situationen kommen? Evtl. sollte man diese vielleicht umschlagen, so dass diese nicht mehr verwendet werden können?): mehr...

Webtipp: www.bergrettung.at

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