Klassische Alpenwände sind Bücher – Geschichtsbücher, die über die Entwicklung des Kletterns erzählen, von den Anfängen bis in die Jetztzeit. Man muss allerdings bereit sein, darin lesen zu wollen – und die Sprache verstehen, in der die Geschichten geschrieben sind. Die Nordwand des Grossen Bockmattliturms steht hoch über dem Wägitaler See im Glarnerland und erzählt von "Supertramp" und von vielen anderen Geschichten...
Heidiland
Kein Regisseur könnte die Kulisse für einen "Heidi"-Film perfekter arrangieren! Drunten der türkisfarbene Wägitaler See, darüber grüne Hügel, auf denen zufriedene Kühe grasen, dazwischen malerische Almhütten und darüber der Berg. Viel mehr ein Berg-Ensemble – das Bockmattli, Hausgebiet der Zürcher Klettergemeinde seit vielen Jahrzehnten, das diese liebevoll "Bockli" nennt. Der unbestrittene Herrscher in diesem Ensemble ist der Grosse Bockmattliturm mit seiner Schauseite, der bis 400 Meter hohen Nordwand.
Von Verschneidungen und Rissen zergliedert, sticht vor allem die gewaltige Schichtplatte im rechten Wandteil ins Auge. Links von einer Riesenverschneidung begrenzt, rechts in gegliedertes Gelände auslaufend, ist diese Plattenwand der Blickfang Nummer eins – für den einen schlichtweg unmöglich, für andere die Herausforderung schlechthin. Aber der Reihe nach...
Geschichtsstunde
Dass die Türme des Bockmattli erst relativ spät in den Fokus der Kletterer geriet, liegt in der Natur der Dinge. In der Schweiz gibt es wahrlich mächtigere Gipfel und gewaltigere Wände als im "Bockli", so dass es bis ins Jahr 1921 dauerte, als der Grosse Bockmattliturm erstmals bestiegen wurde, durch Paul Stählin und Sepp Schnyder aus Lachen am Zürichsee.
Supertramp_2Mehr als 25 Jahre später, nämlich 1947, wurde die Nordwand, höchste Wand der Gegend, erstmals durchstiegen durch C. Hauser, J. Kost und J. Krebser. Sie folgten der einfachsten Linie durch die gewaltige Plattenwand von rechts unten nach links oben, die heute als "Alte Nordwand" (V+ / A1 oder VII) firmiert. Eine direkte Linie durch die Wand fand schliesslich der legendäre Max Niedermann mit Peter Diener im Jahr 1956 (V+ / A0 oder VI+). Diese "Direkte" war es schliesslich auch, die das Bockmattli weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt machte, als die Niedermann-Route Eingang in Walter Pauses "Kletterbibel" namens "Im extremen Fels" fand.
Dass schliesslich weitere Routen hinzu kamen, die "Nordwestwand" (VI) durch Wisi Fleischmann und Kurt Grüter (1959), die "Nordwandrisse" (VI-, A1 oder VII-) durch Ueli Hürlemann (1963), war nur von regionalem Interesse – im Brennpunkt stand die "Direkte", die schliesslich auch eine der ersten Routen war, die im anbrechenden Zeitalter des Freikletterns im Jahr 1978 frei geklettert wurde (VI+). Heute ist sie – grosszügig saniert – einer der ganz grossen Klassiker unter den Ostschweizer Kletterwänden. Aus dem oberen Teil der "Direkten" hat man den vielleicht eindruckvollsten Blick in das gewaltige Plattenschild rechts davon – der Autor dieser Zeilen blickte bei der ersten freien Begehung der "Direkten" ebenfalls in diesen Wandbereich, hilt ihn schlichtweg für "unmöglich" und wäre nie auf den Gedanken gekommen, dort einen Versuch zu wagen. Aber wie heisst es doch so schön: "Never say never...".
Supertramp
Um Grenzen überschreiten zu können, muss man manchmal Regeln missachten wollen – nicht nur beim Klettern, sondern auch gesellschaftlich. Die frühen 1980er-Jahre waren in Zürich eine Zeit des politischen Aufbegehrens der Jugend gegen die festgefahrenen Regularien des Grossbürgertums und der Politik – Strassenkämpfe, Hausbesetzungen und Demonstrationen das Ergebnis. In jenen Jahren fanden sich im Klettergarten des Uetlibergs nahe Zürich all die Kletterer, die in der Zürcher Bahnhofstrasse protestierten, im "KCÜ" (Kletterclub Uetliberg) als "informelle Vereinigung von Kletterern" wieder. Mitglieder dieser anarcho-dadaistischen Vereinigung, deren einzige Statute darin bestand, dass jegliche Statuten aufgehoben gehören, waren junge Sportkletterer aus der Zürcher »scene«, darunter auch ein gewisser Martin Scheel, Jahrgang 1960 und seinerzeit »Stifti« (Lehrling) im Fernmeldewesen.
Martin Scheel
Wie oft in der Geschichte erklärt sich das Wesen der Avantgarde aus seinem Protest gegen das Althergebrachte und aus der Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten. Im Juni 1979 kletterte jener Martin Scheel, damals gerade 19 Jahre alt, zusammen mit seinem damaligen Seilpartner Gregor Benisowitsch, am rechten Rand der gewaltigen Schichtplatte in der Nordwand eine neue Route namens "Free Trip": acht Seillängen exponierte und kühne Riss- und Verschneidungskletterei mit nur einem Bohr- und drei Normalhaken zur Absicherung bis zum VII. Grad. Der die Schwierigkeiten in der ersten Schlüsselstelle absichernde Bohrhaken wurde von Martin erst nach dem schwersten Zug gesetzt; die übrigen Absicherung erfolgte im Stil jener Jahre "clean" mit Klemmkeilen und Hexentrics – Friends gab es erst viele Jahre später…
Die Saat war gesät, der Stachel sass, und eine Route durch den zentralen Teil der Nordwandplatte wurde für Martin zur fixen Idee. Im Jahr darauf kam er – wieder mit Gregor Benisowitsch –, um die haltlose Plattenflucht in direkter Linie zu versuchen. Schon in der zweiten Seillänge wartete ein harter Brocken: eine schräg nach rechts ansteigende, 25 Meter lange Querung im unteren VIII. Grad, mit einem Bohrhaken und drei Schlaghaken nicht unbedingt üppig abgesichert!
Nach zwei weiteren Seillängen im VII. Grad und einer kurzen VIer-Länge war das erste Band erreicht – genug für diesen Versuch! Die wenigen Bohrhaken, die per Hand geschlagen werden mussten, hatten Zeit und Kraft gekostet, Martin und Gregor seilten sich über die Route ab. Im harten Kalk dauerte es manchmal mehr als eine halbe Stunde, bis ein Bohrhaken steckte. Damals arbeitete man mit dem neuen Mammut-Bohrsystem, bei dem die Bohrkrone gleichzeitig der Spreizdübel für den Bohrhaken war, und in hartem Gestein mussten manchmal für einen Haken gleich zwei Bohrkronen verbraucht werden – it’s hard to be a hard man…
Beim nächsten Versuch kletterten Martin und Gregor über den benachbarten "Free Trip" bis aufs erste Band und querten zu ihrem höchsten erreichten Punkt. Nach einer VIer-Länge zum Aufwärmen wartete die Schlüsselseillänge – eine glatte Platte, die zu einem Riss führt. Martin erinnerte sich später in einem Interview für die Zeitschrift KLETTERN: "Da gab es zwei Seillängen, unter denen stand ich wirklich mit Herzflattern, bevor ich loskletterte…". Martin musste immer wieder von der letzten Sicherung wegklettern, Meter für Meter im oberen VII. und unteren VIII, Grad, in der Hoffnung, dass er irgendwann einen Cliff legen konnte, aus dem der nächste Haken gebohrt oder geschlagen wurde – eine mühsame und nervenaufreibende Angelegenheit! Schliesslich ein Pendelquergang – dann war der Riss und kurz danach der nächste Stand erreicht. Doch der »Supertramp« wehrte sich noch und stellte den beiden immer neue Herausforderungen in den Weg: eine fast 30 Meter lange Verschneidung, dann weitere Platten – alles im oberen VI. und VII. Grad, bis schliesslich der Gipfelgrat erreicht war…
Zwei Jahre dauerte es, bis am 11. August 1982 Wolfgang Güllich mit seinem Freund Thomas Düll kam, sah und siegte – in sieben Stunden schaffte er die zweite Begehung. Nüchtern notierte er in seinem Tourenbuch: "1. durchgehende und 1. Rotpunktbegehung … tolle Route in festem Fels … alle Seillängen im Vorstieg." In der Zeitschrift BOULDER schrieb Wolfgang Güllich später: "…schwieriger als die ostalpinen Spitzenwege 'Locker vom Hocker' (eine Güllich/Albert-Erstbegehung, VIII–, Anm. des Verf.) und 'Bayrischer Traum' (1. rotpunkt ebenfalls Güllich/Albert, VIII–, Anm. des Verf.)". Der Bann über "Supertramp" war gebrochen, und bis 1984 verzeichnete die Route bereits zehn Wiederholungen…
Sanieren versus Renaturieren
Die frühen 1980er-Jahre im Felsklettern waren geprägt vom Gedanken, möglichst wenig Spuren (= Eisen) im Fels zu hinterlassen. Sauber ("clean") zu klettern war die Maxime und wenn schon Haken, dann möglichst wenige. Der mentale Faktor war mindestens genauso wichtig wie der physische, so dass viele Touren aus jener Zeit einen hohen moralischen Anspruch an die Wiederholer stellten.
Doch dann überrollte ein Tsunami namens "Plaisir" zuerst die Schweiz, später auch den gesamten Alpenraum. Einer der Hauptinitiatoren dieser Bewegung war der Berner Oberländer Jürg von Känel, einer der besten Schweizer Sportkletterer seiner Zeit, der dem Felsklettern die Ernsthaftigkeit nehmen wollte, und ungezählte bestens eingebohrte Routen in den mittleren Schwierigkeitsgraden erschloss. Dass diese Idee von der Klettergemeinde begeistert angenommen wurde, versteht sich von selbst, denn endlich musste man sich nicht mehr psychisch mit seiner Lieblingstour auseinandersetzen, sondern konnte – nomen est omen – "Spass" klettern.
Das Eröffnen neuer, bestens abgesicherter Plaisir-Routen war das eine, das "Sanieren" von klassischen Kletterrouten das andere. Und auf einmal ging es ruckzuck – dank Bohrmaschine und mit Unterstützung der alpinen Vereine wurden in zahllosen alten Klassikern sämtliche vorhandenen Schlaghaken durch Bohrhaken ersetzt. Und damit nicht genug: Auch die "modernen Klassiker" aus den 1980er-Jahren wurden mit neuen und zusätzlichen Haken ausgerüstet – und auch "Free Trip" entging seinem Schicksal ebensowenig wie "Supertramp"…
Christoph SchaubBeim "Free Trip" machten es sich die Sanierer einfach: Sie setzten, ohne nachzufragen, so viele Bohrhaken, dass anschliessende Wiederholer keine mobilen Sicherungsmittel mehr brauchen. Christoph Schaub, Mitarbeiter bei Mammut und Wiederholer von "Free Trip" Anfang der 1990er-Jahre noch im alten Zustand, seilte sich im Rahmen der Dreharbeiten zum "Supertramp"-Video über "Free Trip" ab und war extrem "negativ überrascht" über die Vielzahl der nachträglichen Bohrhaken.
Beim "Supertramp" fragten die Sanierer beim Erstbegeher nach, und man einigte sich darauf, dass sämtliche vom Erstbegeher geschlagenen Haken und Bohrhaken saniert werden können. Gesagt, getan – 2004/2005 wurde der "Supertramp" saniert, und wie! Freunde von Martin wiederholten daraufhin die Route und stellten fest, dass man zusätzlich keine Keile und Friends mehr zur Absicherung braucht. Also fragten sie beim Erstbegeher nach, ob sie die Route "renaturieren" könnten. So wurden 2009 nach Absprache mit Martin Scheel 28 Bohrhaken aus dem "Supertramp" entfernt. Martin schreibt dazu auf seiner Website:
"Die sogenannten 'Risikosportarten' sind ein wichtiges Glied, bei dem sich der Mensch verwirklichen kann, ohne andere zu gefährden. Es geht darum, dass nicht allein die Masse und der Kommerz das Sagen haben, sondern dass auch für Minderheiten ein Betätigungsfeld erhalten bleibt. Einen gewisser Stil ohne Rücksicht auf andere durchzuziehen, ist eine ideologische Sackgasse, die vor Jahrzehnten schon ausprobiert wurde – damals hiess es 'Superdirettissima', heute 'plaisir'." Und zum Urheberrecht der Erstbegeher ergänzt er: "Dieses ist meines Erachtens um so ausgeprägter, je wichtiger die Tour für die Klettergeschichte ist. Meilensteine wie 'Der Weg durch den Fisch', 'Supertramp', 'Silbergeier' und andere dürfen unter keinen Umständen zerstört werden; der Wert dieser Klettereien liegt auch in ihrer Ernsthaftigkeit."
Heidi und der Geissenpeter
Willkommen im "Heidiland"! Sind das nicht Heidi und der Geissenpeter, die da über liebliche Almen wandern, zwischen friedlich wiederkäuenden Kühen? Falsch! Das sind zwei Mammut Athleten auf dem Weg zum Einstieg der Route "Supertramp" – David Lama (26) und Katherine Choong (24) wollen 36 Jahren nach der Erstbegehung die legendäre Route von Martin Scheel wiederholen. David der Kletterwelt vorzustellen, hiesse Eulen nach Athen tragen – spätestens nach der ersten Rotpunkt-Begehung des Cerro Torre hat der Tiroler bereits seinen festen Platz in der Geschichte des Alpinismus. Katherine aus Glovelier ist eher Sportkletterin mit Wettkampfambitionen und hat mit vorderen Platzierungen im Juniorenbereich bei Europa- und Weltmeisterschaften von sich reden gemacht. Sie ist verständlicherweise besonders aufgeregt, denn "Supertramp" zählt zu ihren ersten Mehrseillängenrouten; später sagt sie: "Es gibt bestimmt Schlimmeres, als solch eine historische Route ausgerechnet mit David zu klettern!"
David und Katherine klettern wie am Schnürchen im Überschlag durch die schattige Plattenwand, wobei David die beiden Längen im Grad 6c+ vorsteigt, denn in denen sind die Zwischensicherungen teils recht weit auseinander. Und David lobt seine Partnerin: "Wir sind mehr oder weniger in Wechselführung geklettert; vor allem wegen der geringen Erfahrung, den sie im alpinen Gelände hat, war ihre Leistung absolut top!" Nur einmal kommt der Kletterfluss ins Stocken – nämlich als David beim Versuch, den Pendelquergang frei zu klettern, ein Griff ausbricht und er den gesamten Quergang fliegenderweise in umgekehrter Richtung zurücklegt. Der nächste Versuch "sitzt", und David bewertet die freie Variante mit 7b+. Als Katherine die letzte leichte Seillänge zum Gipfel klettert, kommt die Sonne in die Wand und taucht die Kletterer in ein goldenes Abendlicht – kann es einen schöneren Abschluss für solch einen "Klassiker" geben?
Im Nachhinen sind sich beide einig, dass "Supertramp" eine Pionierleistung in der Geschichte des Kletterns ist. Katherine: "Ich bewundere Martin Scheel und seine Leistung. Vor mehr als drei Jahrzehnten, mit dem alten Material und diesen mentalen Anforderungen, war das eine ganz grosse Geschichte. Im Gegenteil zu dem, was man heute in den Vordergrund stellt, nämlich die physischen Kletterleistung, spielt dort das Mentale eine ganz große Rolle. Mit dieser Erstbegehung hat Martin Klettergeschichte geschrieben." Und David fügt hinzu: "Martin war sicher nicht der einzige oder der erste, der versucht hat, die Schwierigkeiten vom sicheren Sportklettergarten ins alpine Gelände zu übertragen; trotzdem ist für mich seine Route eine klettersportliche Pionierleistung." Und er präzisiert: "Martin hat die leichteste und damit logische Linie durch einen klar definierten Wandbereich gefunden – ein kreativer Akt!"
Die Geschichte ist eine Geschichte ist eine Geschichte
Ereignisse werden erst dann zu Geschichte, wenn man sie rückblickend betrachtet, sie in eine Reihenfolge stellt, miteinander vergleicht und bewertet. Der Blick ins Geschichtsbuch der Bockmattli-Nordwand hat es gezeigt: Zwischen 1947 und 2016 wurde Klettergeschichte geschrieben – von den jeweils Besten ihrer Zeit, und die haben viele Geschichten zu erzählen.
Geschichtsschreibung wertet nicht, sondern zeichnet diese Geschichten auf: klassisches Klettern, der Beginn des "free climbing", die Jahre des Schwierigkeitsklettern und das Plaisir-Klettern von heute. Lassen wir Katherine Choong, einer Vetreterin der jungen Sportkletter-Generation, das letzte Wort: "Klettern ist ein Sport mit vielen Facetten! Da gibt es die leistungsorientierten Kletterer, die ihre Grenzen verschieben wollen, da gibt es diejenigen, die beim Klettern vor allem das Abenteuer und die psychische Herausforderung suchen, während andere einfach nur ihren Spass beim Klettern haben wollen. Aber am Ende teilen wir alle die gleiche Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die uns verbindet und die uns Werte wie Respekt und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen lehrt."
Region: | Glarner Alpen | Schweiz |
Erstbegehung: | 1980: Martin Scheel, Gregor Benisowitsch |
Wiederholung: | Juni 2016: David Lama, Katherine Choong |
Gestein: | Plattiker Kalk, teils mit wenig Eigenrauigkeit, sparsam saniert, nachdem eine "intensive" Sanierung wieder rückgängig (renaturiert) gemacht worden war. |
Art der Kletterei: | Vor allem technisch anspruchsvolle Wand- und Risskletterei, lange Runouts, teils psychisch fordernd, ohne wirklich gefährlich zu sein. Der Pendelquergang kann oberhalb des Pendelhakens frei geklettert werden (7b+). |
Schwierigkeitsgrad: | 3 Seillängen über die "Alte Nordwand", dann 6a+, 6c+, 6a, 6b, 6a, 5c+, 6c+, A1 (Pendelquergang, frei 7b+), 6a, 6b, 6a+, 6b, 5a |
Wandhöhe: | 400 m |
Fotos: Rainer Eder
Text: Andreas Kubin
Video: Nicolas Falquet
Drohnenpilot: Jérémie Heitz
Kommentare
AW: THE CLASSICS - SUPERTRAMP
So, so. Da feiern die "alten Herren" wieder den heroischen Alpinismus.
Und verdammen das Plaisir-Klettern: "Masse und Kommerz", "Tsunami namens Plaisir", "musste man sich nicht mehr psychisch mit seiner Lieblingstour auseinandersetzen", etc.
Wieso nur muss man ständig anderer Menschen Tun so runtermachen? Ich stell mich ja auch nicht hin und schreibe: "Diese Denkmäler der (früheren) Kühnheit alter Männer blockieren den Fels für heutige und zukünftige Generationen von Kletterern. Nur noch mediengeile Kletterprofis brauchen die, um mal wieder in die Schlagzeilen zu kommen."
Stattdessen schließe ich (auch alter Mann) mich der jungen Kletterin an: "Aber am Ende teilen wir alle die gleiche Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die uns verbindet und die uns Werte wie Respekt und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen lehrt." Schöner kann man es nicht sagen!! Hoffentlich begreifen das auch irgendwann mal die (restlichen) alten Männer.
AW: THE CLASSICS - SUPERTRAMP
Die Diskussion "Bohrhaken ja oder nein und wenn ja wie viele, wo wann und warum" scheint mir endlos, gerade auch deshalb weil jeder ganz individuelle Vorstellungen davon hat was wann wo wie abgesichert sein muss und das hängt letztendlich auch von der jeweiligen Tagesform und dem eigenen Kletterkönnen ab. Deshalb will ich mich gar nicht auf einen solchen "Grabenkrieg" einlassen und für oder gegen das Plaisirklettern argumentieren.
Drei Sachen sollten aber in der alpinen Gemeinschaft finde ich trotz allem respektiert werden, die leider anscheinend immer wieder in Vergessenheit geraten und bei denen ich dem Autor dieses Artikels vollkommen Recht gebe:
1. Ein Erstbegeher sollte das Recht haben zu entscheiden, wie seine Tour auch nachträglich abgesichert werden soll und ob er den moralischen Anspruch (positiv ausgedrückt) / die leichtsinnige Verletzungs- und Todesgefahr (negativ ausgedrückt) beibehalten möchte. Seine Meinung sollte respektiert und nicht einfach von einem lokalen "Hausmeister" übergangen werden. Wer eine Tour erstbegeht, tut dies in einem bestimmten Stil. Früher (und sicher auch heute was das angeht) war der Stil auch von der Zeit vorgegeben und deshalb ist es legitim heute über bessere Absicherung nachzudenken. Trotzdem sollte auch immer die Meinung des Erstbegehers eingeholt werden, soweit dies noch möglich ist. Es wird sicher einige geben denen eine Sanierung (wie umfangreich auch immer kann ja abgesprochen werden) sogar recht ist, verleiht es doch vielen in Vergessenheit geratenen Touren neuen glanz. Andere wollen ihre Touren und den Gesamtanspruch erhalten, auch das sollte ihr gutes Recht sein! Bei neueren Touren ist eine solche Absprache meiner Meinung nach meist hinfällig denn der Erstbegeher hat sich oft ganz bewusst für einen Stil entschieden! Ein absolutes No-go ist die leider all zu oft angetroffene und auch in diesem Artikel angesprochene Tatsache, dass Touren ohne Rücksprache mit den Erstbegehern einfach eingebohrt werden! Meiner Meinung nach sollte in einem solchen Fall viel öfter jeder Bohrhaken wieder entfernt werden um solchem Egoismus (denn genau das ist es eigentlich) den Wind aus den Segeln zu nehmen!
2. Man sollte bei jeglicher Sanierung oder beim Einbohren von Routen auch immer daran denken, dass sowohl heutige Kletterer/innen als auch zukünftige Generationen für jede Spielart des Kletterns genügend Raum zur Verfügung haben müssen um ihrer persönliche Auslegung des Kletterns und Bergsteigens nachgehen zu können. Die Alpen sind eben für alle da und es ist nunmal eine Tatsache, dass jeder der eine Tour einbohrt Spuren hinterlässt, die das Erlebnis langfristig verändern (für manche zum positiven aber auch manchmal für andere zum negativen). Alle Spielarten sollten ihren Raum haben und nur weil das Plaisirklettern heute so in Mode ist heißt es nicht dass sich das nie mehr ändern wird und wir jedes einigermaßen feste Stück Fels einbohren können was die Bohrmaschiene her gibt während die "cleanen" Routen nur noch in unlohnenden Schutthaufen zu finden sind.
3. Herausragende Kletterrouten, solche die zu ihrer Zeit Meilensteine des Kletterns waren, sollten meiner Meinung nach zumindest zum großen Teil in ihrem ursprünglichen Zustand bleiben, da stimme ich mit Martin Scheel überein. Es ist sicher in manchen Fällen legitim und aus Sicht der Bergwacht nachvollziehbar das die Standplätze eingebohrt werden um einen Seilschaftsabsturz möglichst zu vermeiden. Für mich sind jedoch solche Routen auch heute noch wichtige Denkmäler die einem beim Wiederholen vor Augen führen was damals geleistet wurde. Dank der heute besseren Ausrüstung, dem besseren Wetterbericht und Handyempfang ist es auch für den sportlichen Wochenendalpinisten heute möglich Touren wie die Eiger Nordwand die früher nur den Besten vorbehalten waren zu klettern. Aber die Tour an sich bleibt doch ein ernstes Unterfangen und Abenteuer und genau das soll so bleiben!
Wie man merkt ist dieses Thema ein sehr emotionales und ich habe mir einige Gedanken über das hier geschriebene gemacht, da es mich wie viele in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt. Ja Josef du hast Recht man sollte keinen "runtermachen" und der obige Artikel ist sicher provokant geschrieben und tritt so manchem Plaisirkletterer auf die Füße. Aber es lohnt sich sicher immer wieder auch die breitgetretenen Pfade zu hinterfragen und anderen Spielarten ihren Raum zu lassen denn wer weiß wie wir morgen klettern? Ich denke dazu kann der Artikel anregen!
AW: THE CLASSICS - SUPERTRAMP
Einfach nochmal genau Lesen.
Es geht gerade darum nicht jedem seine Meinung aufzuzwingen, sondern auch für Minderheiten ein Betätigungsfeld zu lassen. Da heute die Plaisirabsicherrung Norm ist, gilt es die alten Klassiker zu schützen, nicht alle aber zumindest die besonderen. Der Erstbegeher erschließt eine Route in einem gewissen Stil und es besteht kein "Recht auf Wiederholungseignung" (man muss auch mal akzeptieren wenn man etwas nicht gewachsen ist).
ps: sonst können wir gleich nen Klettersteig durch die Eiger noch legen wenn mer gerade dabei sind
AW: THE CLASSICS - SUPERTRAMP
wenn eine route aber 2 erstbegeher hat, die sich die "arbeit" teilen sollten auch beide zu einer möglichen sanierung herangezogen werden.
martins verhalten diesbezglich find ich eher mager bzw. ein klein wenig egoistisch.
ob es gut, super oder einfach nur spannend abgesichert wird - wie es dem erstbegeher beliebt - nur die infos darüber sollten passen.