Barbara Raudner in „Tom et je Ris“, 8b+ (c) Hannes Raudner-Hiebler Barbara Raudner in „Tom et je Ris“, 8b+ (c) Hannes Raudner-Hiebler
29 April 2015

Tom et je Ris

Barbara Raudner berichtet von ihrer Begehung des vielleicht besten Sinters der Welt...

„Tom et je Ris“ ist eine unglaublich schöne 60 Meter lange Route direkt gegenüber vom Aussichtspunkt Belvédère in der Verdonschlucht in Frankreich. Es ist die ästhetischste Sintersäule, die ich jemals gesehen habe, eine absolute King line!

Der Zustieg beträgt eine Stunde und 20 Minuten, die Route selbst erreicht man durch Abseilen. „Tom et Je Ris“ ist extrem ausgesetzt, startet mitten in der Wand, hoch über der Verdon und die Kletterei ist sehr anhaltend. Mit einem Wort: ein Psychotrip!

Dem leicht überhängenden ersten Teil, vorwiegend an kleinen Leisten, folgt eine außergewöhnliche Sinterkletterei auf fast 40 Metern. Auch wenn die Einzelstellen auf den ersten Blick für diesen Schwierigkeitsgrad nicht ganz so knackig erscheinen, summieren sich die vielen Klettermeter im Verlauf der Route beachtlich, weiters ist die Tour technisch sehr anspruchsvoll. Es ist schwierig sich - einmal oben angekommen - noch an den Anfang der Route zu erinnern, so viele Züge, wie man auf diesen 60 Metern absolvieren muß. Die Sintersäule ist sehr rauh und mehr wie ein, bis maximal zwei Versuche pro Tag sind nicht machbar, denn die Haut an den Fingerspitzen ist rasch durch, auch ist die Audauerbelastung extrem.

Nachdem ich letzten Winter in Oliana die Sinterroute „Humildes Pa Casa“ 8b+ gemeinsam mit Roger Schäli geklettert bin, entstand in mir rasch der Wunsch die bekannteste aller Tufalinien, nämlich „Tom et Je Ris“, zu versuchen. Ich wußte um das Mythos dieser Route und kannte sie von zahlreichen Fotos und Videos. Letzten Frühling war der Andrang auf die Tour jedoch zu groß, also beschloß ich, mein Vorhaben auf Herbst zu verschieben, denn mehr als eine Seilschaft pro Tag verträgt die Route aufgrund der Länge und Logistik nicht. Im September war es schließlich soweit, gemeinsam mit Andrea Polo, einem guten Kletterer aus Italien und Hannes seilte ich das erste Mal die 60 luftigen Meter ab.  Als eingefleischte Sportkletterin schüchterten mich die extreme Ausgesetztheit und die Run-outs der Route anfangs total ein! Ich war damit beschäftigt, mich an das Ambiente zu gewöhnen. Rasch war ich jedoch von der Schönheit der Tour fasziniert und so sehr auf die Züge konzentriert, daß ich mich immer besser an die neue Herausforderung gewöhnte. Starke Regenfälle beendeten jedoch rasch meine ersten Versuche: der Sinter wurde naß und ich mußte mein Vorhaben, die Tour zu punkten,  verschieben.

Im Dezember wollte ich mein Abenteuer im Verdon fortsetzen, leider machte mir das schlechte Wetter jedoch erneut einen Strich durch die Rechnung und so flogen wir stattdessen nach Spanien (Oliana). Nach Ostern erreichte mich eine sms von

Bruno Clement, Lokal und Erschließer von“ Tom et Je Ris“. Er informierte mich, daß die Route nun perfekt trocken sei und ich ins Verdon kommen solle!

Gemeinsam mit Roger Schäli und Hannes stand ich also Anfang April erneut am Abseiler von „Tom et Je Ris“. Meine Motivation und Freude waren schier grenzenlos, es ist ein echtes Privileg diese Route zu versuchen! Auch ist es immer wieder motivierend mit unserem guten Freund Roger zu klettern. Leider endete gleich einer von Roger’s ersten Versuchen mit einem spektakulären 15 Meter Sturz! Mich hat es durch die Wucht seines Sturzes im Hängestand hart gegen die Wand geschleudert, und ich konnte mich gerade noch mit der linken Hand abstützen, sodaß außer einem blutigen Daumen nichts geschehen ist und Roger sanft und unverletzt im Seil landete. Die darauffolgenden Tage versuchte ich mir, mit einem getapten Daumen, die für diese Route nötige extreme Ausdauer aufzutrainieren. Ich wollte keine Pause einlegen um das gute Wetter zu nützen.

Am Tag meines Durchstieges, einem meiner ersten Klettertage, an dem der Daumen wieder völlig verheilt war, lag eine positive Spannung in der Luft. Beim Abseilen dachte ich gar nicht über Erfolg oder Niederlage nach, ich freute mich einfach nur darauf zu klettern! Nachdem ich bereits ein paar Stellen beim Abseilen zum Aufwärmen geklettert war, startete ich los. Die ersten schweren Züge gelangen erstaunlich gut, und plötzlich befand ich mich beim ersten Raster. Die nächsten 15 Meter pumpten gewaltig, Sintersäule rechts zangeln, Dropknee, Sintersäule links zangeln ... und schließlich ein Knieklemmer, an dem ich mich gut erholen konnte. Nach all der Anstrengung wurde ich an dieser Stelle  sehr nervös, denn zu dem Zeitpunkt wollte ich logischerweise nicht mehr fallen. Glücklicherweise gelang es mir, auch die kleingriffige Schlüsselstelle in der Mitte recht stabil zu klettern. Das Seil wurde immer schwerer und die Beine begannen zu schmerzen. Ich biß die Zähne zusammen und rettete mich bis zum letzten Raster der Tour. Die abschließenden leichteren Züge zum Top konnte ich auch noch konzentriert klettern, und als ich den Stand klippte, machte sich eine unbeschreibliche Freude breit, das Gefühl ist mit nichts vergleichbar. Ich war gerade diese perfekte Linie geklettert, und hatte mir einen großen Traum erfüllt!

Mein Dank gilt vorallem Hannes, sowie Roger Schäli und Andrea Polo, ohne die dieses Abenteuer nicht möglich gewesen wäre, meinen Sponsoren E9, Metolius, Sterling und La Sportiva für das beste Material und weiters Martina Cufar, der als erster Frau die Begehung dieser Route gelang, für ihre Inspiration.  Am Tag nach meiner Begehung kletterte Martina zum Abschluß unseres Trips, mit mir den Mehrseillängen-Klassiker „Fete de Nerfs“, und ich muß gestehen, meine aktuellen Verdon-Erlebnisse haben mir nun so richtig Lust auf weitere luftige Abenteuer gemacht!

www.barbararaudner.at

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