Tommy Aguilo, Thomas Huber und Andi Schnarf (c) Thomas Huber Tommy Aguilo, Thomas Huber und Andi Schnarf (c) Thomas Huber
22 Mai 2015

Torres

Thomas Huber über ein Projekt, das Teil seines Herzens geworden ist.

Thomas Huber über ein Projekt, das Teil seines Herzens geworden ist.

Es gibt Berge, die will man besteigen und  das Erlebte bereichert dein Leben. Es gibt aber auch Berge, die will man besteigen und sie verändern Dein Leben! Einer dieser Berge erweckte in mir eine Begeisterung, eine Begierde! Ein Berg, aus unserer Sicht am anderen Ende der Welt.  Feurig, temperamentvoll, ein argentinischer Berg oder besser eine 1500 Meter aufragende Felsnadel, leidenschaftlich, fordernd, von Stürmen umschlungen. Cerro Torre, so heißt er. Dieser Name ist mit einer lebenslangen Liebeserklärung gleichzusetzten, falls das Gegenüber ein Bergsteiger ist. Ich bin so einer und seit über 10 Jahren habe ich mit diesem Berg eine innige Verbindung. Sie lenkt mich, lässt mich träumen, zeigt mir Grenzen, lässt mich scheitern und motiviert mich, den nächsten Schritt zu gehen!

Verrückte Linie

 Vor 10 Jahren hatte ich die Idee, den Torre über eine Verrückte Linie zu besteigen: Nicht der direkte Weg zum Gipfel war in meinem Focus, sondern der schönste aber auch längste war mein Ziel: An den Gratkanten, oder besser ihrer Skyline wollte ich klettern, über den Cerro Standhardt, Punta Heron, Torre Egger auf den Gipfel meiner Freiheit, dem Cerro Torre.

 2005 war meine erste patagonische Saison. Anfangs waren wir mit unserer Idee noch  allein. Mit Andi Schnarf, einem jungen Schweizer kam ich sehr weit, bis zum Torre Egger. Dann zwang uns typisch stürmisches Wetter zum Abbruch. Ich wurde süchtig nach mehr, ich wollte sie, die Traverse, aber auch das Leben in Patagonien. Fast jedes Jahr erlebte ich mal ein kleines, auch mal ein großes Bergabenteuer und einen schmerzlichen Moment, als ein amerikanisches-argentinisches Team als erster die Traverse der Torres kletterte. Diese Idee ist jedoch ein Teil meines Herzens und dadurch ist es egal, ob erster, zweiter, schnellster oder was auch immer. Ich möchte den Moment erleben, ich möchte ankommen! 10 Jahre bereise ich jetzt das Land, aber die Traverse ist mir noch nicht gelungen! Dafür stand ich in den letzten Jahren 3 mal auf dem Cerro Standhardt, einmal am Torre Egger, zweimal auf dem Punta Heron, einmal am Cerro Torre und das im Winter, einmal auf dem Fitz Roy,  auf der La Silla, dem Saint Exupery, hab einige Asados bei Don Gerra gegessen, viele neue Freunde gefunden, Patagonien erlebt und gelebt!

10 Jahre später

Wir haben das Jahr 2015 und ich bin wie vor 10 Jahren mit Andi  Schnarf unterwegs und Tommy Aguilo aus Argentinien verstärkt unser Team. Verschiedene Wettermodelle geben uns eine gute Chance, endlich die Traverse realisieren zu können. Diese Motivation nehmen wir mit und steigen in der Nacht ins Col Standhardt am Klemmblock, der Start unserer ersten Route.  7 Stunden später erreichen wir den Gipfel des Standhardt und beim Abseilen ins Col Sueno peitscht uns ein starker Wind ins Gesicht. Wir seilen auf die Windgeschütze Ostseite ab, finden ein kleines Eisband für ein enges ungemütliches Biwak. Über uns an den Gipfeln der Torres pfeift ein Orkan, von den Eispilzen hagelt es Faustgroße Eisbrocken auf unser Biwak und später kam noch der Regen, perfekt, was für eine Nacht!

Nach dieser stürmischen Nacht am Morgen endlich Windstille, die Dämmerung verschluckt den Sternenhimmel, Ruhe, endlich. Wir schlafen  eine Stunde bis die ersten Sonnenstrahlen uns motivieren. Es geht weiter und wir klettern so schnell es geht!  3 Stunden später stehen wir am Gipfel des Punta Heron und um 3 Uhr am Torre Egger!

Wieder nimmt der Wind an Stärke zu, wie am Vortag. Das abseilen ins Col Conquista wird zum stürmischen Abenteuer. Schwierig die Seile zu bändigen, erreichen wir 2 Stunden später das Col, es stürmt, keine Chance bei dem Wind hier zu Biwakieren, geschweige in die Nordwand einzusteigen. Wir seilen ab, wieder auf die windgeschützte Ostseite und sehr bald sind wir uns einig, dass hier unser Abenteuer enden muss. 6 Uhr morgen sind wir zurück im Camp. Der Torre zeigt  sich im schönsten Morgenlicht. Weit oben am Berg scheint alles ruhig zu sein, aber keiner von uns stellt sich die Frage… ja, vielleicht hätte es doch funktioniert!  Wir legen uns in unsere Schlafsäcke und schlafen ein. Gegen Mittag wachen wir auf und  um den Torre fegen die ersten Wolken! Stunden später war der Berg nicht mehr zu sehen. Jetzt wissen wir, unsere nächtliche Entscheidung war richtig, Gottseidank! Andi und ich schauen uns an und erzählen Tommy, dass wir fast zur selben Zeit vor 10 Jahren ähnliches erleben durften! 

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Text und Fotos: Thomas Huber



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