Günther B., ehemaliger Kinderkrebspatient, im steil aufsteigenden Klettersteig Günther B., ehemaliger Kinderkrebspatient, im steil aufsteigenden Klettersteig
24 September 2009

Vom Kinderkrebs zum Gipfel des Großglockners

Vom Kinderkrebs Geheilte erklimmen höchsten Berg Österreichs. Ganz normal.

Am 6. September starteten acht junge Menschen von Kals in Osttirol aus eine fünftägige Großglocknertour. Sie alle sind Geheilte von Kinderkrebserkrankungen, wie Leukämie, Hodenkarzinom und Tumoren an der Niere (Wilms-Tumor), den Weichteilen (Rhabdomyosarkom), Lymphdrüsen (Lymphom) und aus entarteten Nervenzellen (Neuroblastom).

Im Team der Langzeitüberlebenden, die man weltweit „Survivors“ nennt: Mitarbeiter des St. Anna Kinderspitals, der St. Anna Kinderkrebsforschung, Bergführer, eine Psychologin und ein Kamerateam. Die Tour wurde als Aktion des EU-geförderten Projektes „Forschen heilt Krebs“ von der St. Anna Kinderkrebsforschung organisiert.

Alpinabenteuer Großglockner

Hochmotiviert bewältigten die Alpinneulinge Steilhänge, Felsstufen, Klettersteige, vereiste Grate und Hängegletscher. Klettergurte, Steigeisen und weiteres Sportequipment wurden vom Österreichischen Gebirgsverein und Hervis bereitgestellt. In Seilschaften bewältigten die ehemaligen Patienten gefährliche Hindernisse. Hier liegt auch die Symbolik des Projektes: Ebenso unterstützen Klinikpersonal und Familien Kinder und Jugendliche mit Krebs während deren oft langwierigen und belastenden Chemo- und Strahlentherapien, Knochenmarkstransplantationen und Operationen.

„Das, was ich durch den Krebs und die Therapie gelernt habe, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, Antihoffnungslosigkeit, versuche ich im Alltag zu nützen. So habe ich all das wenigstens nicht umsonst durchgemacht“, erklärte Lisbeth. Ihre Neuroblastomerkrankung im Alter von zwei Jahren konnte geheilt werden. Die Folgen: eine Hochtonschwerhörigkeit. Dennoch meistert die Siebzehnjährige ihr Leben wie „normale“ Jugendliche, geht Mountain biken, bergwandern, macht gerade ihren Führerschein und ihre Matura.

„Normalität“ durch Akzeptanz der Gesellschaft

Die Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Polen und der Slowakei im Alter von siebzehn bis sechsunddreißig fordern „normale“ Behandlung und gleichberechtigten Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, Privat- oder Zusatzkrankenversicherungen und Lebensversicherungen.

„Als Kleinkind hatte ich Krebs. Heute habe ich einen Job, bin geheilt und keinesfalls ein Risikofall. Meine Wahrscheinlichkeit, erneut an Krebs zu erkranken, ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung gleich hoch“, so Günther. Mit wackeligen Knien, aber überaus stolz erklomm er mit seinen Bergkollegen den 3.798 Meter hoch gelegenen Gipfel.

Sebastian verlor nach Therapieabschluss seinen Job. Oberflächlich, ignorant und mit grässlichen verbalen Beschimpfungen zeigte sich ihm die Arbeitswelt bei seiner Rückkehr ins normale Leben. Oft fühlte er sich als Mensch zweiter Klasse.

Verbesserung der Langzeitnachsorge

Die meisten „Survivors“ in Europa sind nach fünf bis zehn Jahren nicht mehr in einem einheitlich koordinierten Nachsorgesystem erfasst. Zu klären ist, wer beim Auftreten möglicher Therapiespätfolgen zuständig ist. „Dank rasanter Fortschritte in der Medizin und Forschung können drei von vier Kinderkrebspatienten wieder geheilt werden. Weltweit gibt es heute mehrere hunderttausend Überlebende. Wir Forscher, Ärzte und die Gesellschaft müssen uns den damit verbundenen Problemen stellen“, erläuterte Doz. Dr. Dworzak, St. Anna Kinderkrebsonkologe und -forscher

Gipfelsturm mit und ohne Handicap

Zuzana, die an einem Osteosarkom, Knochenkrebs, erkrankt war, trägt seit vier Jahren eine Endoprothese, einen künstlichen Unterschenkelknochen. Die siebenstündige Generalprobe auf die Rax war für die junge Slowakin, motiviert und unterstützt durch die Gruppe, eine Grenzerfahrung. Nach Tirol kam sie nicht mit, aber ihren persönlichen Großglockner habe sie für dieses Jahr ohnehin erreicht.

Bergführer Hans Thurner zeigte sich von der geballten Willenskraft, Zielstrebigkeit und Ausdauer der „Survivors“ tief beeindruckt.

„Raus aus dem Alltag, rauf auf den Gipfel, das ist auch ein Ausbruch aus den Klischées und der Rolle eines Krebsopfers“, so der Tübinger Thomas, als er ausgepowert, aber überglücklich ins Tal zurückkehrte. Manuela, aktives Mitglied der österreichischen „Survivors-Gruppe“ resümierte: “Sich intensiver mit der Krankheit auseinanderzusetzen, gibt uns Kraft und Mut, dem Verlauf der Krankheit eventuell mit mehr positiver Lebenseinstellung entgegenzutreten und eine Erleichterung der Situation für Betroffene zu schaffen.“

Anschließend besuchten die stolzen Gipfelstürmer die Grazer Kinderkrebsstation, um den jungen Patienten und deren Eltern Hoffnung und Mut zuzusprechen, dass sich der harte Überlebenskampf auf alle Fälle lohne.

Mehr Infos unter: www.forschenheiltkrebs.eu

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