27 Dezember 2016

Wintermärchen - Trilogie in den Zinnen

Weihnachten einmal anders - Christoph Hainz und Simon Kehrer begehen die Klassiker an den Drei Zinnen an einem Wintertag ...

Drei Zinnen, drei Touren - Abenteuer und Spaß beim Klettern hoch drei!

Nun liege ich in meinem warmen Bett und kann nicht einschlafen. Meine großen Zehen kribbeln wie verrückt, sie haben mir die Strapazen des vergangenen Tages noch nicht verziehen…! Aber solch kleine, lästige Nebenerscheinungen können einem die Freude nach so einem wahnsinns-Tag nicht verderben! Außerdem habe ich so reichlich Zeit, um den unglaublich tollen Klettertag – ein wahres Wintermärchen – in Ruhe revue passieren zu lassen.

Vor einigen Tagen rief ich mit einer verrückten Idee, die mir schon lange im Kopf herum schwirrte, bei Christoph an. Ich musste ihn auch nicht lange überreden, denn für ein Abenteuer ist er immerzu bereit und für mein Vorhaben, an den Zinnen eine Winterbegehung zu wagen, war er sofort Feuer und Flamme!

Noch vor dem Morgengrauen trafen wir uns an der Abzweigung ins Antholzer Tal und waren uns einig, dass unser Abenteuer nicht ohne den traditionellen Pflichtstopp auf einen Kaffee, bei Mama- Erna, an der Agip Tankstelle in Toblach, beginnen konnte! Sie gab uns ihre besten Wünsche mit auf den Weg und zudem jedem von uns eines ihrer legendären belegten Brote - als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Nun stand unserem Abenteuer nichts mehr im Weg.

Nachdem wir den Lago d´Antorno erreicht hatten, schulterten wir unsere Rucksäcke und strampelten uns auf unseren E-Bikes die Muskeln warm! Wir wollten keine Zeit verlieren und so ging es auf teils leicht schneebedeckter und vereister Straße zügig hinauf zum Patern Sattel. Als wir vom Radl stiegen, mussten wir beide lachen, denn uns tat der Hintern höllisch weh und unsere Waden waren blau vor Kälte! Kletterer sind halt keine Biker und wir wissen sehr wohl, dass wir mit Sicherheit in der Vertikale besser als auf dem Drahtesel aufgehoben sind …!

Obwohl es in diesem Winter kaum geschneit hat und verhältnismäßig wenig Schnee liegt, brachen wir immer wieder knietief ein. Es ging zu Fuß nur sehr mühsam voran. Als wir endlich am Wandfuß der Großen Zinne angekommen waren, verspürten wir nur wenig Lust, uns weiter bis zur Westlichen Zinne vorzuarbeiten, wo wir ursprünglich mit dem Klettern beginnen wollten. Kurzerhand entschlossen wir zuerst in die Comici Führe einzusteigen. Die Cassin an der Westlichen Zinne sparten wir uns für später auf! Das Material, welches wir dafür benötigen würden, deponierten wir und machten uns fertig für die Comici.

Den Vorbau und die erste Seillänge bewältigten wir seilfrei, dann räumten wir  den kleinen Absatz vom Schnee frei und knoteten uns ins Seil. Voll Enthusiasmus startete Christoph und stieg in flottem Tempo voran. Bereits nach 2,5 Stunden erreichten wir das Ringband, wo wir hüfttief im Schnee versanken. Ein kräftiger Händedruck…, Freude…! Die Zeit drängte und ohne Zögern machten wir uns an den Abstieg. Den Gipfelausblick sparten wir uns, zumal wir ihn bei unserer Arbeit als Bergführer zigmal genießen durften!

Über den Normalweg erreichten wir den Sattel zwischen Großer und Westlicher Zinne. Dann ging es über den verharschten Schnee der ungemütlich rutschigen Nordrinne abwärts. Da hieß es wachsam sein! Weiter unten teilten wir uns. Während Christoph bereits zum Einstieg der Cassin unterwegs war, eilte ich dorthin zurück, wo wir das Material gelagert hatten, welches wir nun für unsere nächste Etappe benötigten. Erschöpft und etwas außer Atem holte ich meinen Seilpartner ein und überließ ihm großzügig den Vortritt. Nach 5 Seillängen hatte ich mich erholt und fühlte fit für den Vorstieg. Schon während Christoph die erste Seillänge im luftigen Quergang in Angriff nahm, zwängte ich mich in meine Kletterschuhe und machte mich bereit, sogleich die Führung zu übernehmen.

Im Übereifer startete ich kurz darauf die Wand hoch und querte beim sogenannten Wasserstreifen die Wand statt 10 Meter, fast 30 Meter, in immer schwierigerem Gelände. Ich hatte die Tour zuletzt vor 15 Jahren geklettert und konnte mich nur noch vage an den Routenverlauf erinnern. Auch Christoph hatte die Tour schon länger nicht mehr geklettert, steuerte mich aber wie ein Tom Tom wieder in die Tour zurück…! Mein Fehler kostete uns einige Minuten wertvoller Zeit. Verärgert über mich selbst, wühlte ich mich auf das schneebedeckte Band vor und gab nun auch noch Christoph, der die nächste Seillänge führte, falschen Anweisungen (ich hatte das Topo einfach falsch gelesen!) zum Glück dauerte es nicht lange und er hatte die richtige Linie wieder gefunden!

Im oberen Teil wurde dann das Gelände heikler. Hier, wo die Wand nicht mehr so steil war, lag einiges an Schnee. Der abgeschliffene Fels war glatt und verdammt rutschig. Mit Kletterschuhen an den Füßen musste hier jeder Schritt gut überlegt sein. Wir kamen nun wesentlich langsamer vorwärts, erreichten aber nach 3 Stunden und 25 Minuten das Band, das zum Abstieg über den Normalweg führt.

Ein sensationeller Sonnenuntergang zauberte eine unbeschreibliche Stimmung und belohnte uns reich für unsere Mühe und ließ uns Kälte und Strapazen fast vergessen. Wir gönnten uns einige Minuten Pause, dabei saugten wir die Wärme der letzten Sonnenstrahlen regelrecht in uns auf. Unsere Schuhe waren nicht durchnässt, sondern tiefgefroren! Den Abstieg noch bei Tageslicht in Angriff nehmen zu können, beflügelte uns und ließ uns wieder an unser Projekt, alle drei Touren an einem Tag klettern zu können, glauben. Schnell ein paar Fotos und rein in die kalten Schuhe …, so eilten wir schon den verschneiten Normalweg hinunter und zielstrebig der Kleinen Zinne entgegen.

Nach fast genau einer Stunde, wechselten wir erneut von den inzwischen leicht angetauten Zustiegsschuhen, auf unsere nassen Kletterschuhe. Unsere Füße waren davon wenig begeistert, aber die Motivation, unser Projekt zu Ende zu bringen, war nun so stark, dass sie das Gefühl von Unbehagen erfolgreich verdrängen konnte.

Nach 2 Seillängen in der Gelbe Kante war es bereits dunkel und während ich Christoph nachsicherte, montierte ich meine Stirnlampe am Helm. Romantisches Stirnlampenlicht begleitete uns nun. Stirnlampenlicht mit Wackelkontakt! Immer wieder musste ich an ihr rütteln, denn, Dank des Einsatzes meiner beiden Kinder, ist das gute Stück in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigt!

Nach 1 Stunde und 28 Minuten standen wir überglücklich und erfüllt von unbeschreiblicher Freude am Gipfel der Kleinen Zinne. Dankbar für diesen erfolgreichen Klettertag und mit großer innerer Zufriedenheit betrachteten wir den nächtlichen Sternenhimmel und lauschten fast andächtig hinaus in die Stille der Nacht. In der Ferne die Lichter von Auronzo.

Auch unsere erneut völlig gefrorenen Schuhe konnten unser Glücksgefühl nicht schmälern und so zwängten wir uns noch einmal in sie hinein und machten uns etwas ungelenkig aber mit voller Konzentration auf den Weg zur Abseilpiste. Nach einer Stunde hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen und unsere E-Bikes brachten uns an unseren Ausgangspunkt am Lago d’Antorno zurück, wo wir uns vor 13 Stunden auf den Weg gemacht hatten.

Nun wollten wir nur noch nach Hause, denn wir wussten, dass bei Gerda, Christophs Lebensgefährtin, bereits ein paar warme Socken, eine Flasche Prosecco und eine vernünftige Portion Pasta mit Peperocino auf uns warteten!

…wie man sieht, lässt sich mit genügend speed und power Familie und Bergsteigen recht gut kombinieren ;-)…!

… und außerdem kann man nach solchen Aktionen die Weihnachtszeit mit all ihren Anforderungen (…) in Ruhe begehen und genießen.

Text: Simon Kehrer, Gerda Schwienbacher

Webtipp:
www.christoph-hainz.com

www.simon-kehrer.it

Routeninfos

Große Zinne Nordwand / Comici (500 m/7)
Westliche Zinne Nordwand / Cassin (650 m/8)
Kleine Zinne / Gelbe Kante (350 m/6+)



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