Ines und Amelie (c) Florian Czerny / Atelier Icarus Ines und Amelie (c) Florian Czerny / Atelier Icarus
19 Mai 2025

Mentoring-Programm

Ein Jahr des gemeinsamen Kletterns, des Teilens von Erfahrungen und Lebensgeschichten – der Beginn einer tiefen Freundschaft zwischen Amelie Kühne und Ines Papert

Die gemeinsame Reise von Amelie Kühne (23) und Ines Papert (51) endete mit einer Erstbegehung an der Nordwand des Breitinden auf der norwegischen Insel Senja – im Februar 2025.

Text: Ines Papert

Je länger ich in den Bergen dieser Welt unterwegs bin, desto stärker wird mein Wunsch, etwas an die nächste Generation weiterzugeben.

Frauen in großen alpinen Wänden waren früher eine Seltenheit. Heute beobachte ich mit Freude eine Entwicklung, die Mut macht: Die nationalen Alpin-Teams des DAV, SAC, ÖAV und anderer Organisationen fördern jährlich junge Talente – doch nur wenige von ihnen finden den Weg in den winterlichen Alpinismus.

Amelie Kühne aus Deutschland bringt genau diese seltene Begeisterung mit – und den unerschütterlichen Drang, gerade in der kalten Jahreszeit aufzubrechen. Schon bei unserer ersten Begegnung war klar, dass es auch menschlich zwischen uns passt – eine Grundvoraussetzung, die mir heute wichtiger ist denn je. Ich schlug ihr ein Mentoring-Programm vor – Amelie sagte begeistert zu. Anfang 2024 setzten wir unsere gemeinsame Vision in die Tat um.

Ohne starre Regeln, dafür mit vielen Ideen – flexibel, offen für spontane Entscheidungen und anpassbar an die jeweiligen Bedingungen. Unsere erste Tour führte uns an einem langen Winterwochenende in die Dolomiten.

Im April gelangen uns zwei große alpine Mixed-Klassiker: die „Mistica“ an der Innerkofler-Nordwand und das „Holzknecht-Couloir“ am Langkofeleck – beides Routen, an deren Erstbegehung mein langjähriger Freund Hubert Moroder beteiligt war.

Amelie beeindruckte mich von Anfang an mit ihrer Gelassenheit und ihrer positiven Ausstrahlung. Ihr Lächeln wich nie aus dem Gesicht. Unsere Freundschaft war schnell geschlossen – beste Grundlage für weitere gemeinsame Abenteuer. Ich selbst musste mich immer wieder daran erinnern, meine „mütterlichen“ Beschützerinstinkte abzulegen. Amelies Fähigkeit, alpine Gefahren realistisch einzuschätzen, ist bereits jetzt bemerkenswert.

Unser nächster Ausflug wurde zur Lektion: Schneemengen im Zustieg verzögerten den Start, ein Einstieg in die Route war zu spät – das Ziel mussten wir aufgeben. Doch Amelie blieb gelassen. Für sie war es kein verlorener Tag, sondern eine Erfahrung. Sie versteht: Scheitern gehört dazu – am Berg wie im Leben. Und gerade daraus lernen wir am meisten.

Der Sommer neigte sich dem Ende, als sie mir voller Freude schrieb:

„Ines, ich bin den Freerider am El Capitan frei durchgestiegen.

Ich war sprachlos – und überwältigt vor Freude. Amelie mangelt es nicht an Selbstbewusstsein – eine Qualität, die ich bei Frauen im Bergsport oft vermisse. Sie packt an, gibt alles – und das mit Herz und Verstand.

Was ich ihr mitgeben kann? Dass mit jedem Klettermeter die Erfahrung wächst, dass man lernt, mit weniger Zwischensicherungen auszukommen – und dass so der Weg zu einer großen Begehung damit immer wahrscheinlicher wird. Dass Scheitern ein Geschenk sein kann – wenn man bereit ist, daran zu wachsen.

Ein weiterer Aspekt meines Mentorings ist, Amelie ein Gefühl dafür zu vermitteln, was es bedeutet, als gesponserte Athletin unterwegs zu sein. Externe Erwartungen sind nie eine gute Grundlage für inneres Wachstum. Kooperationen mit Marken haben nur dann echten Wert, wenn sie aus einem authentischen, inneren Antrieb heraus entstehen. Es sind menschliche Werte, die in diesem Geschäft zählen – mehr als Zahlen, Fakten oder Schlagzeilen. Druck erzeugt selten Großes. Und wenn, dann nicht von Dauer.

Im Winter 2025 reisten wir gemeinsam nach Norwegen – voller Vorfreude aufs Eisklettern. Doch die Realität war hart: viel zu warm, die Eisverhältnisse katastrophal. Zwei Wochen auf Senja – einer Insel, auf der ich selbst schon zahlreiche Erstbegehungen gemacht habe – vergingen größtenteils im Warten. Doch Amelie blieb geduldig, optimistisch und voller Teamgeist. Am letzten Tag wurden wir belohnt: eine zarte Eislinie, entstanden aus Regenfällen, zeichnete sich an der Nordwand des Breitinden ab. Wir kletterten sie – und tauften sie: „Rainborn“.

Ich war tief beeindruckt, wie schnell Amelie sich im Eis weiterentwickelt hat – und mit welcher Ruhe sie die schwierigen Bedingungen annimmt. Geduld war nie meine Stärke – sie hingegen lebt sie. Die kurzen Eisschrauben (7 cm) reichen ihr mittlerweile völlig aus. Schwierige Seillängen im Vorstieg? Für sie längst Alltag.

Amelie bringt alles mit: Talent, Neugier, Mut und eine tiefe, natürliche Begeisterung für den Alpinismus. Und einen Teamgeist, der Freude macht. Ich bin gespannt, was wir noch von dieser jungen Alpinistin hören und lesen werden.

Unser Jahr wurde filmisch begleitet von Florian Czerny / Atelier Icarus. Im Herbst erscheint ein 20-minütiger Kurzfilm über unser Mentoring-Programm.

Danke an LOWA und unseren Gastgeber Bent (Senja lodge) für die Unterstützung.

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