Ein in Wirklichkeit weniger komplexes Thema, das aber sicherlich gleich, wahrscheinlich aber noch stärker diskutiert wird, als das Thema „was Steilwandskifahren jetzt eigentlich wirklich ist“. Warum? Weil es mittlerweile viele Firmen im Skitourenbereich gibt, die mit klugem Marketing und (teils vermeintlichen) Innovationen den Markt fluten und die KundInnen von ihrem Produkt überzeugen wollen.
Was aber waren die großen Innovationen der letzten Jahrzehnte? Zunächst ist mit klarem Abstand die Pin-Bindung zu nennen. Sie hat vor zwanzig Jahren die letzten Rahmenbindungen vom Platz gefegt und sich somit klar als System durchgesetzt. Mit dem Auslaufen des Patentschutzes 2016 sind die Konkurrenten von Dynafit wie Pilze aus dem Schnee geschossen und haben ihrerseits neue Wege eingeschlagen. Gerade in Sicherheitsaspekten wie der Auslösung der Bindung im Abfahrtsmodus kam es zu guten Neuerungen, so etwa bei Trab mit der TR 2 (aktuelle Version TR1) oder bei Fritschi mit der Tecton bzw. Vipec. Weiters im Bereich des Gewichts - so liegen die aktuell leichtesten Pin-Bindungen bei etwa 115 bis 120g (Dynafit LowTech Race 115g ohne Stopper, ATK Revolution Brake Lightweight WorldCup 120g mit Stopper) und reichen bei Hybrid-Bindungen bis 550/600g bei Fritschi Tecton und 675g bei ATK Hy.
Bei den Skiern haben neue Shapes in Kombination mit Hightechmaterialien für Furore gesorgt und im Bereich der Schuhe findet man vom abfahrtsorientierten Tourenschuh bis hin zum Einkilogramm-Carbon-Tourenschuh eine ganze Bandbreite an verschiedenen Modellen. Wie heißt es dann so schön? Wer die Wahl hat, hat die Qual!
Welches Setup ist das Richtige?
Wie immer lautet die Antwort, dass dies individuell zu entscheiden ist. Tendenziell sind die Skier aber kürzer als Körpergröße und schmäler, damit man in engen Rinnen und steilen Passagen leichter drehen kann. Weiters ist zu beachten, dass schmälere Skier sowohl im Aufstieg, als auch in der Abfahrt weniger Muskelkraft abverlangen, da sie weniger Drehmoment verursachen. Als Faustformel kann man die Körpergröße minus 10 Zentimeter und die Mittelbreite zwischen 85 bis 95 Millimeter angeben. Gerade bei der Mittelbreite variieren die Empfehlungen, da man heute steile Abfahren vielfach bei guten, weichen Schneebedingungen fährt und durch breitere Skier mehr Auftrieb generieren kann. Dieselbe Empfehlung geht in die entgegengesetzte Richtung, nämlich wenn harte oder eisige Bedingungen gegeben sind: dann ist man um jeden Millimeter dankbar, den der Ski schmäler ist.
Im Zuge der Gespräche mit Protagonisten dieser Sportart kam auch klar zum Vorschein, dass jeder mindestens zwei, meist drei oder sogar mehr Setups im Keller stehen hat. Im Gespräch mit Robert Zink, seines Zeichens begnadeter Führerautor, rastloser Jäger nach Neutouren und Kenner der Südalpen, und Thomas Gaisbacher ergaben sich einige Empfehlungen für das Material im Steilwandskifahren, die um eigene Erfahrungen ergänzt wurden.
-
Zwei Setups: einmal um die 85 Millimeter Mittelbreite für harte Schneeverhältnisse und einmal um die 95 Millimeter für die guten Tage.
-
Wechsel des Sets: Ausscheiden des Skis und der Bindung nach 120 bis 130 Touren, da der Ski an Spannung verliert. Manche Fahrer wechseln das Material aus Sicherheitsaspekten automatisch nach zwei Saisonen.
-
Solide Konstruktion: Man sollte auf einen soliden Aufbau des Skis achten. Ultraleichtskier mit hohen Carbonanteilen sind zu meiden, da sie zum Flattern neigen und schwerer kontrollierbar sind. Ein solider Holzkern mit ABS-Seitenwangen und gehärtete Kanten sind zu bevorzugen, auch wenn die Skier damit nicht die leichtesten am Markt sind.
-
Skischuh: Könnte einen eigenen Artikel vertragen. Antwort: Er muss der jeweiligen Fußform passen, muss definitiv nicht der leichteste sein, aber die Kraft auf den Ski übertragen. Der Trend der leichten, aufstiegsorientierten Skischuhe mit dünnem Kunststoff, dünnem Innenschuh, hohen Carbonanteilen etc. geht auf Kosten der Abfahrtsperformance. Zitat Thomas Gaisbacher: „Abrutschen kann ich mit einem leichten Schuh immer, ich will dort aber Skifahren. Dazu brauch ich einen Skischuh - und der hat mindestens 1,7kg pro Schuh.“
-
Skistöcke: Auch die Wahl der Stöcke sollte überlegt sein. Je mehr Teile ein Stock hat, desto anfälliger ist er. Obwohl die Verschlüsse in den letzten Jahren besser geworden sind, darf in manchen Situationen der Stock nicht versagen. Zweiteilige Stöcke oder sogar Fixlängenstöcke haben hier den Vorzug.
-
Steigeisen: Für Standardbedingungen im Hochwinter Skitourensteigeisen, die in den letzten Jahren auch immer kompakter und leichter geworden sind. Empfehlung BD Neve Pro: sie haben als Steg eine Kabelkonstruktion anstelle einer Schnur. Das Kabel dehnt sich im Gegensatz zu Modellen mit Schnüren nicht und hat somit keine Längenänderung! Für technisch anspruchsvollere Touren empfehlen sich Steigeisen aus Stahl anstelle von Aluminium.
-
Pickel bzw. Skistock mit Haue: Für harte Verhältnisse im Frühjahr oder stark exponierte Steilstücke ist ein Pickel sehr ratsam, auch als psychologischer Support. In den letzten Jahren sind auch Skistöcke mit im Griff integrierter Haue auf den Markt gekommen. Der BD Whippet Pole ist so ein praktischer Vertreter, dessen Haue man bei Bedarf rasch montieren kann. Auch als zusätzlicher Ankerpunkt im Aufstieg entlastet er die Beine etwas.
-
Seil und Gurt: Für Abseilpassagen sind kompakte Gurte und leichte Seile gefragt. Vertreter von hyperstatischen Reepschnüren wie Edelrid Rap Line oder Petzl Rad Line sind oftmals aufgrund ihres Gewichts (29g/m) die Favoriten, benötigen jedoch das richtige Sicherungmittel für den geringen Seildurchmesser (z.B. Edelrid Mago 8). Bei den Gurten sind kompakte Produkte mit großen oder öffenbaren Beinschlaufen zum Anziehen mit Steigeisen zu bevorzugen.
-
Rucksack: Im Bereich Skitouren sind spezielle Skitourenrucksäcke mit separatem Fach für die LVS-Ausrüstung mittlerweile Standard. Fürs Steilwandfahren ist ein Zusatzfach oder der seitliche Zugang für Steigeisen, Gurt etc. richtig praktisch. Kompakte Rucksäcke mit 25 bis 30 Litern haben zudem den Vorteil, dass der Schwerpunkt in der Abfahrt weniger beeinflusst wird.
-
Helm: Ob leichter Kletterhelm oder zertifizierter Skitourenhelm, etwas auf dem Kopf zu haben, kann nie schaden. Ein Steinschlag oder Aufprall auf hartem Untergrund hat immer unschöne Folgen. Helme mit verbauter MIPS-Technologie haben sicherheitstechnisch sicherlich die Nase vorne.
-
Powder-Adapter für Steigeisen: Coole Innovation fürs Stapfen in tiefem Schnee! https://auftriib.com/
-
Drohne: Jüngst kommen auch vermehrt Drohen bei der Tourenplanung zum Einsatz. Mit ihnen checkt man zB. ab, ob die Rinne durchgehend befahrbar ist, oder ob es sichtbare Blankeispassagen gibt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Gewicht an den richtigen Stellen gespart und an anderen nicht eingespart werden sollte. Das richtige Setup muss an den eigenen Fahrstil und die aktuellen Verhältnisse angepasst sein. Bewährtes Material sollte den Vorzug erhalten, ganz nach dem Motto „Never change a winning team“, und Neuerungen sollten vor riskanten Einsätzen ausführlich getestet werden. Regelmäßige Kontrolle des Materials bzw. rechtzeitiger Austausch erhöhen die Sicherheit.
Skitest: Plum Trou de la Mouche
Im Zuge des Artikels konnte ich vom französischen Bindungsspezialisten Plum das Skimodel Trou de la Mouche mit der Bindung Oazo 8 in einer Verleihversion (Oazo Rental) testen. Als Skischuh verwendete ich den Tecnica Zero G Tour Pro.
Als Freund von breiten Skiern - unter 105 Millimetern gehe ich selten außer Haus - war es zunächst wieder eine Umgewöhnung, mich auf einen Ski mit 86 Millimetern zu stellen. Bei meiner Körpergröße von 180 Zentimetern wählte ich den Ski in 170cm Länge. Bei einigen Skitouren, von Hochwinter bis Frühjahr, fand ich von Pulver über technischen Schnee bis Firn fast alle Schneearten vor. Nach einer kurzen Anpassungsphase, bei der ich akzeptieren musste, dass der Auftrieb bei kürzeren, schmäleren Skiern weniger gegeben ist - Gruß an die linke Schulter! - hatte ich mich auf die Fahreigenschaften eingestellt. Bei Skitouren mit Kollegen, die mit breiten Skiern gingen, sah ich die offensichtlichen Vorteile im Aufstieg. Sie hatten in Rinnen einen wesentlichen Nachteil bei den Kehren, waren langsamer und hatten bei harten Verhältnissen einen höheren Energieaufwand (Stichwort: mehr Haltearbeit der Beine durch höheres Drehmoment). Zudem mussten sie früher auf Steigeisen wechseln. Auch in der Abfahrt drehte der Plumski in engen Passagen viel leichter.
Mit 1200 Gramm bei 170 Zentimetern ist der Trou de la Mouche sicher nicht der leichteste Ski am Markt, dafür besticht er aber mit seinem Vollholzkern und den damit verbundenen guten Abfahrtseigenschaften. Er schlägt nicht, flattert nicht bei harten Verhältnissen und macht das, was man ihm über den Skischuh weitergibt. Vom Skiprofil her handelt es sich um eine klassische Camber-Konstruktion mit einem minimalen Rocker vorne, der dem Ski bei der gewählten Länge einen Radius von 14 bis 18 Metern verleiht. Die gehärteten Kanten greifen bei harten Bedingungen gut, auch beim Präparieren der Kanten merkt man, dass keine billigen Materialien verwendet wurden. Die leuchtendgelbe Seitenwange und das transparente Topsheet verleihen dem Ski optisch auch das gewisse Etwas.
Die Oazo 8 ist eine sehr kompakte Bindung, die den Spagat zwischen Sicherheit und Gewichtsersparnis gut vereint. Einen eigenen Artikel dazu haben wir hier: https://www.bergsteigen.com/produkte/test-plum-oazo-8-bindung/
Summa summarum ein sehr empfehlenswertes Setup, das bei unterschiedlichsten Verhältnissen in engen und steilen Situationen einen gute Arbeit leistet.
Text und Bilder: Hannes Haberl IVBV Berg- und Skiführer/bergsteigen.com
Den ersten Teil: Einführung ins Thema Steilwandskifahren findet ihr hier: https://www.bergsteigen.com/news/neuigkeiten/ist-steil-geil/

BD Whippet Pole und ein gutes Tragsystem für die Ski machen alles leichter


Kommentare