09 April 2018

Vergessene Skitouren und Steilrinnen in den östlichen Niederen Tauern

Die Seckauer/Gaaler und Triebener Tauern bilden zusammen die östlichste Tauerngruppe, in der zahlreiche steile Bergflanken und enge Couloirs auf eine Befahrung warten...

Die Seckauer/Gaaler und Triebener Tauern bilden zusammen die östlichste Tauerngruppe und liegen im Bundesland Steiermark. Mit ihren nach Süden ausgerichteten Tälern (Feistritzgraben, Ingeringgraben, Gaalgraben- Hintertal, Pölstal) bietet diese obersteirische Gebirgsregion noch Geheimtipps für Bergsteiger für jede Jahreszeit. Aufgrund der geringeren Anzahl an Publikationen aber auch aufgrund der wenigen Hütten und langen Zugangswege hält sich die Bekanntheit dieses Gebirgszuges (im Gegenteil zu seinen Nordseiten – Triebental, Liesinggraben) in Grenzen.

Dadurch ergeben sich lange Touren, in dieser noch nicht überlaufenen, überaus wildreichen Landschaft, bei denen wir die Hektik des Alltags vergessen und die Schönheit der Natur besonders intensiv erleben können.

Der Kamm der Seckauer und Triebener Tauern erstreckt sich von St. Michael in der Obersteiermark über ca. 40 km nach WNW bis zum Hohentauernpass. Dieser Pass wurde bereits von Kelten als Handelsweg benutzt und die Römer gründeten auf der Passhöhe im Bereich der heutigen Gemeinde Hohentauern die Poststation Tartursanis. Der Hauptkamm erreicht nördlich von Seckau (sehenswerte romanische Basilika) bei der Lamprechthöhe erstmals 2000m Seehöhe (südöstlich gegenüber liegt knapp unter 2000m die Seckauer Hochalm mit dem Wallfahrtskirchlein Maria Schnee) und unterschreitet diese Höhe danach nur an einigen Törln bevor er zum Hohentauernpass auf ca. 1200m absinkt. Dazwischen liegen viele sanfte Rücken mit aussichtsreichen Gipfeln bis über 2400m, aber auch wilde Felsgrate.

Fährt man mit dem Auto entlang des Murtales und dann über Pöls bis Hohentauern erahnt man kaum, dass diese wunderschönen Grasgipfel sehr oft eine wesentlich steilere Seite mit schwierigen Rinnen aufweisen.

Die Landschaft bietet - wie auch andere Gegenden in der Steiermark – somit im Winter auch eine Ansammlung von Steilabfahrtsmöglichkeiten, die sich abgesehen von ihrer Steilheit auch durch meist lange Anstiege auszeichnen. Immerhin starten viele der Touren unmittelbar in der Nähe von Seckau, im Ingeringgraben, am Beginn des Gaalgrabens oder in den Seitentälern des Pölstals. Auffahrtsmöglichkeiten auf Almen, wie man sie anderswo in den Niederen Tauern häufig findet, sucht man hier vergeblich. Somit kommen zu den alpin- und schitechnischen Anforderungen der Steilabfahrten in diesem Gebiet auch logistische und konditionelle Anforderungen: Nur wer einigermaßen ausgeruht und zeitig am Morgen auf einem der höheren Gipfel steht, kann davon ausgehen, eine bereits frühmorgendlich Sonnen beschienene Steilabfahrt einigermaßen risikoarm durchführen zu können.

Gerade dieses Phänomen (einerseits steile Rinnen und scharfe Grate andererseits die Möglichkeit auch über sanfte Rücken dieselben Gipfel zu erreichen) haben sich drei steirische Skitourengeher zu Nutze gemacht und einen Skitourenführer, der in dieser Aufmachung einzigartig in Österreich ist, publiziert.

78 Gipfel mit insgesamt 156 Touren

Die Autoren des im Dezember 2012 im Alpinverlag erschienenen Ski Extrem Guide, Michael und Hannes Pichler und Peter Kolland, haben sich speziell mit teils vergessenen Abfahrten auseinander gesetzt. Natürlich nicht nur in dieser Region, sondern in der gesamten Steiermark und in den angrenzenden Gebieten Niederösterreichs und Salzburgs. Der Guide beschreibt 78 Gipfel mit insgesamt 156 Touren, die allesamt von den Autoren begangen, befahren und genauestens dokumentiert wurden. Das Besondere daran und der große Unterschied zur bereits vorhandenen Führerliteratur ist einerseits die detaillierte Beschreibung von bisher vernachlässigten oder noch nie publizierten Anstiegen und Abfahrten, und andererseits die hohe Dichte an schwarzen, sprich „sehr schwierigen“ Routen: Von den 156 Touren sind 87 schwarz bewertet, 47 rot und 22 blau. Ein Verhältnis, das in keinem anderen ostösterreichischen Schitourenbuch zu finden ist. Warum überhaupt „normale“ rote und blaue Touren in das Buch aufgenommen wurden, liegt auf der Hand: Einerseits wollten die Autoren nicht nur Steilhangspezialisten ansprechen, sondern auch „Normaltourengeher“, die im vorliegenden Buch neben schitechnisch ganz harmlosen Anstiegen diverse Steilabfahrts-Schnupperrouten finden, welche ein geringeres Gesamtrisikopotential aufweisen als die „Extremrouten“. Andererseits bedarf es zur kalkulierbaren, risikoarmen Befahrung einer Extremroute meist sehr guter bis ausgezeichneter Schneeverhältnisse und guten Wetters. Und da diese Verhältnisse nicht immer vor Tour-Beginn einschätzbar sind, kann es auch einem Steilhang-Spezialisten das eine oder andere Mal passieren, dass er im Aufstieg in der Steilwand feststellt, dass die geplante Abfahrtsroute alles andere als sicher ist. Für solche Fälle muss es eine zweite, risikoärmere Abfahrtsvariante geben, der in diesem Buch abgesehen von zwei Gipfeln (dem Grimming und dem Kasereck) durchwegs Rechnung getragen wurde.

Zurück in den Seckauer/Gaaler/Triebener Tauern

Neben den gerne unternommenen, leichten und kurzen Anstiegen auf die Seckauer Hochalm und den Rosenkogel ist der bekannteste Skitourenberg wahrscheinlich der Seckauer Zinken (2397m). Sowohl im Hochwinter über den Südrücken als auch bei sicheren Firnverhältnissen (die sich bereits oft im Februar einstellen) über die südseitigen breiten Rinnen, bietet der Berg eine wunderbare Aussicht auf das Murtal und das Palten/Liesingtal. Kaum jemand kennt die steile Anstiegsmöglichkeit von Liesing über die direkte Nordrinne (ca. 45 Grad) auf den Gipfel. Der Zugang von beiden Seiten ist aber lange und man benötigt schon ca. 4 -5 Stunden und eine gute Kondition für die 1350 Höhenmeter.

Anschließend reihen sich der Maierangerkogel (2356m), der Branstätterkogel (2234m) und die beiden höchsten Berge der Gebirgsgruppen der Hochreichart (2416m) und das Geierhaupt (2417m). Alle genannten Gipfel sind durch den Ingeringgraben gut erreichbar, wobei stets darauf zu achten ist, dass die zu bewältigenden Höhenmeter über der 1000m – Grenze liegen. Die Zufahrt zum Ingeringgraben beginnt in Knittelfeld und führt durch den Hammergraben über Bischoffeld nach Ingering II, wo das dem Stift Heiligenkreuz gehörende Schloss Wasserberg steht.

Neben den Normalanstiegen zählt die westseitige Abfahrt vom Hochreichart in das Dürrtal zu den absoluten Highlights des Ingeringgrabens. Nordwestlich des Hochreichhartgipfel befindet sich für Freunde der winterlichen Gratkletterei der Hirschkarlgrat (Kletterstelle II) mit herrlicher Steilabfahrt ebenfalls in das Dürrtal.

Der Ingeringbach trennt Seckauer und Gaaler Tauern. Während der Große Ringkogel (2277m) und die Pletzen (2345m) noch relativ häufig besuchte Skigipfel sind, bietet der Sonntagkogel (Sunterkogel 2343m) allseits anspruchsvolle Anstiege. Alle diese Gipfel sind sowohl vom Ingeringgraben als auch vom Gaalgraben- Hintertal besteigbar. Den Gaalgraben erreicht man auf gleicher Zufahrt wie den Ingeriggraben, also von Knittelfeld – Ingering II und von dort nach GaaL Fährt man nun im Gaalgraben weiter, erreicht man den bekannten Ghf. Wachter und nach weiteren 800m die Forststraße die uns in das Hintertal führt. Neben den erwähnten Gipfeln ist dieser Parkplatz der Ausgangspunkt für das Lahneck (2216), das Glaneck (2262m), das Kesseleck (2308m), den Amachkogel (2312m) und die Südabfahrten von Gamskogel (2386m), Mödringkogel (2142m) und Speikleitenberg (2124m). Gerade diese Südabfahrten kann man aber nur genießen, wenn man das gesamte Hintertal sehr flach einwärts geht, da der Winterparkplatz bereits am Beginn des Tales ist und ein Schranken die Zufahrt verwehrt.

Noch extremer bitte!

Wer´s noch extremer als am Hochreichart sucht, dem bietet sich von hier die steile Ostflanke des Kesselecks an, deren Ausstieg bis zu 70 Grad steil ist.

Das Pölstal schließlich dient mit seiner Passstraße über den Triebener Taueren als wintersichere Verbindung aus dem Raum Judenburg nach Trieben und somit als Verbindung des Murtals mit dem Paltental. Außerdem ermöglicht es ua. ebenfalls Zufahrten zu den Gaaler/Triebener Tauern, da hier der Lerchgraben sowie das Bärntal abzweigen. Vom Lerchgraben aus ersteigt man die sanfteren Seiten des Kesselecks, des Amachkogels und des Lärchkogels (2258m). Das Bärntal, welches man von St.Johann am Tauern erreicht, bietet eine Vielzahl an Tourenmöglichkeiten: Schleifeck (2048m), Lärchkogel Nordrinne, Amachkogel, Hochleitenspitze (2329m), Knaudachkogel NW-Flanke (2227m), Kl.Griesstein (2175m), Sonntagskogel (2229m) und als Highlight den Großen Grießstein (2337m). Neben der bekannten Westrinne bietet der Berg eine wunderschöne Südflanke mit steilen Stellen um die 40 Grad und als Steilabfahrt die selten befahrene Südwestrinne, die sich kaum wahrnehmbar zwischen der breiten Südflanke und der Westrinne einbettet.

So unangenehm der frühe, manchmal nächtliche Aufstieg auf einen dieser Gipfel auch sein mag: Wer zwischen 10 und 11 Uhr vormittags im Tal sein verdientes Krügel Bier genießt, und den Rest des Tages noch vor sich hat, weiß, warum er diese Mühen auf sich genommen hat.

Seckauer/Triebener Tauer-Tourentipps aus dem Ski Extrem Guide:

Hochreichart, 2416 m
Dürrtal
1260 Hm, 4 Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: Ingering II, 880 m
Startpunkt: Ingeringgraben bei P. 1156 m
Auf Forststraße und durch Hochwald in das Dürrtal. Kurz vor dessen Ende steil über die Westflanke zum Gipfel.

Kesseleck, 2308 m
Ostrinne
1140 Hm, 3 ½ Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: Gaal, 900 m
Startpunkt: P Hintertal, 1173 m
Entlang der langen, flachen Forststrasse zur Gaalwaldhütte und alten Skimarkierungen folgend in die Krausen. Links des Gipfels über die oben immer steiler werdende Ostrinne unmittelbar zum Gipfelkreuz

Großer Griesstein, 2337 m
SW-Rinne
930 Hm, 2 ½ - 3 Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: St.Johann am Tauern, 1056 m
Startpunkt: P im Bärntal, 1427 m
Über das Frattental beinahe direkt zum auslauf der Rinne in der breiten SW-Flanke. Über diese direkt zum Gipfel..

Ski Extrem Guide-Tourentipps in der Umgebung:

Hohenwart, 2363 m
NO-Flanke
1100 Hm, 3 ½ Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: Pusterwald, 1073 m
Startpunkt: Hinterer Härtleb, 1255 m
Auf Forststraße in Richtung Pölsenhütte. Auf ca. 1600 m nach rechts ins NO-Kar und sehr steil gerade aufwärts zum Gipfel.

Kreiskogel, 2306 m
Klettersteig und Ostflanke
550 Hm, 2 ½ Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: Judenburg, 737 m
Startpunkt: Parkplatz Winterleitenhütte, 1760 m
Am Kleinen und Großen Winterleitensee vorbei unter die Ostflanke. Aufstieg über den Lukas-Max-Klettersteig (E). Über den Ostrücken zum Gipfel. Einfahrt in die extrem steile Ostflanke knapp oberhalb des Klettersteig-Ausstieges.

Gamskogel, 2386 m
Direkte Gipfelrinne
1190 Hm, 3 ½ Std.
Schwierigkeit: Schwer
Talort: Trieben, 709 m
Startpunkt: Bergerhube, 1198 m
Auf Wanderweg zur Mödringalm und weiter bis unter die schattigen Felswände des Gamskogels. Links eines markanten Felsturmes durch die schmale Rinne extrem steil beinahe unmittelbar zum Gipfelkreuz.

Buchtipp: Ski Extrem Guide
Steilwände und Normalanstiege auf 78 Gipfel in der Steiermark, Niederösterreich und Salzburg
Michael Pichler, Hannes Pichler, Peter Kolland
336 Seiten, Format 15,4 x 22 cm, broschierte Fadenbindung, Kartenausschnitte, viele Fotos
Preis: 34,95
ISBN 978-3-902656-11-7

Text&Fotos: Michael und Hannes Pichler
Info: www.alpinverlag.at

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