Der Glockner, das Objekt der Begierde Der Glockner, das Objekt der Begierde
16 Juli 2008

Gipfelgebühr für Großglockner

Thomas Bubendorfer und Bernhard Felderer über ein Besteigungsentgelt für den höchsten Berg Österreichs, das der Bergrettung zu Gute kommen soll. Diese ist empört...

Gem. einer APA Meldung fordert der Salzburger Extrembergsteiger Thomas Bubendorfer auf Anfrage der Salzburger Nachrichten für das Besteigen des höchsten Gipfels der Alpenrepublik eine "Gipfelgebühr" einzuführen - aber nur an Tagen mit sehr vielen Bergsteigern am Berg. Für die Besteigung des Mount Everest müsse man schließlich auch 15.000 Euro bezahlen.

Dies aber nur unter der Prämisse, das diese Gebühren der Bergrettung zur Verfügung stehen. "Die Bergretter müssen sich oft selbst in Gefahr begeben, um Alpinisten in Notsituationen helfen zu können. Sie opfern ihre Freizeit und zahlen zum Teil auch noch ihre Ausrüstung aus der eigenen Tasche. Da kann das nur ein gerechter Ausgleich sein".

Bernhard Felderer vom Institut für höhere Studien sieht darin Lenkungsmaßnahmen für überlaufene Gipfel und möchte neben Eintrittsgeldern „auch die Ausrüstung der Wanderer kontrollieren, damit nicht mehr jeder Amateur überlaufene und schwierige Gipfel besteigen könne denen er nicht gewachsen sei“.

Der Großglockner-Eigentümer Alpenverein, die Naturfreunde sowie die Salzburger Tourismusgesellschaft lehnten diese Überlegungen kategorisch ab. Eine Eintrittsgebühr in die Natur werde es nie geben, so der Tenor laut der Zeitung.

In eine ähnliche Kerbe schlagen dagegen die Überlegungen der Bundesforste: Pro Drehtag in ihren Gebieten wollen sie künftig 1.200 Euro verlangen, für die Einfahrt mit einem Kfz bei Foto- oder Filmaufnahmen 35 Euro täglich. Bei Veranstaltungen bis zu 40 Personen wollen sie künftig 500 Euro pro Tag kassieren. (Quelle APA 15.7.08)

Bergrettung empört und strickt dagegen

Christlich mitfühlend ist das alles laut Gerlad Lehner, dem Fachreferent für Öffentlichkeitsarbeit beim ÖBRD, nicht. „Beide Herren sind in neoliberalen Wirtschaftskreisen keine Unbekannten, nun durften sie für unsere Bundesregierung eine Studie über den Bergsport gemeinsam präsentieren, die diese in Auftrag gegeben hat. Herr Bubendorfer bewährt sich seit langem als Vortragender und Motivationstrainer bei Managern und solchen, die es werden wollen. Und Herr Felderer vom Institut für höhere Studien (IHS) ist bekannt für verschiedenste Vorschläge, wie man die Budgets der Republik und anderer Institutionen „sanieren“ könnte. Dazu gehört die Frage, ob wir eines Tages angemessene Pensionen bekommen oder eher nicht so sehr bis gar nicht, damit sich eh alles rechnet von der Wiege bis zur Bahre? Herr Felderer ist auch Präsident des "Staatsschuldenausschusses" beim IHS.“

Maximale Freiheiten statt Gewinnmaximierung

“Und der Großglockner ist Österreichs höchster Berg, gerade deshalb eignet er sich offenbar besonders gut für höhere Studien und Aussagen, die nicht überall für Begeisterungsstürme sorgen. Noch dazu sind diese Aussagen seit langem statistisch relativier- bzw. widerlegbar. Nun sind Bergretter oft alles andere als knallhart kalkulierende Wirtschaftskapitäne, schon gar keine Neoliberalen, die aus allem und jedem Kapital schlagen könnten oder zur Steigerung von Aktienkursen vielerlei Jobs "freisetzen" würden.

Aber eines wissen auch sehr viele in unseren Reihen: Bergretter treten wie viele andere Alpinisten bei Alpenverein, Naturfreunden oder anderen Organisationen für maximale Freiheiten im Gebirge ein. Vor wenigen Jahren wurde sogar eine wissenschaftliche Untersuchung mit Zählungen von Bergsteigern durchgeführt: Der Glockner ist nicht so überlaufen, wie es an Stammtischen von Managern offenbar geschildert wird. 150 Leute an einem Tag ganz oben waren das Maximum bei dieser Studie. Und generell ist der hochalpine Sommertourismus in Gletscherregionen rückläufig. Niemand spürt das so stark wie alpine Vereine, deren hochgelegene Hütten chronisch unterbelegt sind.“

Bergrettung als Feigenblatt für jeden Vorschlag?

„Nun lesen wir in der Zeitung aus dem Mund von Manager-Trainer und Extrembergsteiger Bubendorfer, er würde den Erlös aus den Gebühren für künftige Glocknerbesteigungen „der Bergrettung zur Verfügung stellen“. Bingo! Juhu, endlich Geldsegen! Andererseits wurden wir gar nicht gefragt, als Herr Bubendorfer und Herr Felderer ihren Vorschlag mit großem Getöse in renommierten Medien jüngst hinausposaunten.

Herr Bubendorfer beruft sich einmal mehr auf alte Klischees, wonach die Bergrettung sinngemäß ja so geplagt, gepeinigt und chronisch lebensgefährdet sei, weil sie immer wieder ausrücken muss zu ach so leichtsinnigen Irren, die das Gebirge unsicher machen. Mit Verlaub: So denken mittlerweile die meisten Bergretter längst nicht mehr. Und letztlich wollen wir nicht als potentielle Selbstmörder oder hilflose Helfer dastehen, wenn uns ewig gleiche Klischees umgehängt werden - obwohl die ehrenamtliche Arbeit mühsam und gefährlich genug ist.“

Wegelagerei, Raubrittertum, seriöse Lösung?

“Oder haben Herr Bubendorfer und Herr Felderer einige ÖBRD-Ortsstellen in der Glocknerregion befragt, ob diese vielleicht noch Geld brauchen könnten? Das wäre auch unseren Bezirksleitern und Landesleitern zu Ohren gekommen. Und mancherorts wäre wohl längst eine Diskussion entbrannt, ob das nun Wegelagerei sei oder nicht. Die ganz Bösen würden wohl schon von Raubrittertum reden.“

Bergrettung künftig als Sittenpolizei?

“Sollen wir uns als Ehrenamtler in Zukunft das Geld für unsere technische Logistik in Mauthäuseln und Kontrollzonen an Dreitausendern noch selbst eintreiben und die Abgezockten auf Korrektheit ihrer Ausrüstung kontrollieren?“ fragt Gerald Lehner.

Stellungnahme des Salzburger Landesleiters

„Die Bergrettung tritt wie andere alpine Vereine für freien und kostenlosen Zugang zu unseren Bergen ein", betont Estolf Müller, Landesleiter der Bergrettung in Salzburg, zu den jüngsten Vorschlägen der Herren Bubendorfer und Felderer:

"Für geordnete Bahnen auf dem Glockner sind intelligente Lösungen nötig. Die Bergrettung sollte generell keinesfalls als Inkassobüro missbraucht werden. Für uns wäre es wichtiger, wenn in Österreich alle Partner verstärkt Informationen für Unfallverhütung verbreiten würden. Unabhängig von Einkommen, Verschulden, Nichtverschulden, Herkunft oder ethnischer Hintergründe hilft die Bergrettung allen Menschen in Bergnot - auch im Interesse des Tourismus, der ein wirtschaftliches Rückgrat des ganzen Landes ist."

Anmerkung bergsteigen.at:

Wie man auf den von uns gemachten Fotos erkennen kann, ist zweifelsohne an schönen Sommerwochenenden am Glockner sehr viel los.

Eine Gipfelgebühr hat die Menschenmassen am Everest nicht reduziert, vielmehr bleibt dieser Berg jetzt nur betuchten Bergsteigern vorbehalten, die oft keine guten Alpinisten sind und trotz guter Ausrüstung 1996 im Rudel starben.

Der Glockner ist zwar um 5000 m niedriger, doch die Situation ist durchaus vergleichbar. Die Gipfelgebühr wird den Glockneransturm nicht bremsen.

Webtipps:

Österreichischer Bergrettungsdienst

Normalweg auf den Großglockner - mit Toposkizze

DVD: Everest – Spiel mit dem Tod

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