Das Abseilsystem Beal Escaper am Felsen ausprobiert
Es war schon eine kleine Revolution, als im Sommer 2017 der renommierte Seilhersteller Beal ein Abseilsystem für ein Kletterseil (Seile ab einem Durchmesser von 7,3 mm werden vom Hersteller empfohlen) vorstellte, mit dem man die volle Seillänge abseilen kann - nach ca. 5-8 mal ziehen löst sich das System wie von Zauberhand von selbst und fällt mit dem Seil die Felswand hinunter. Wir haben damals auf der Outdoormesse ein Video (
) gemacht – dieses wurde rd. 20.000 mal aufgerufen, das Interesse an diesen Teil dürfte also groß sein.Ende Dezember 2017 war es dann soweit, ein Serienmodell des Escaper wurde uns von Beal geschickt. Schon anhand der Gebrauchsanweisung - auf einem etwas über A3 großen Papier – lässt sich erahnen, dass man sich mit dem Teil doch etwas genauer beschäftigen muss. Wir haben aber trotzdem beschlossen, den Escaper ohne vorheriges ausprobieren bei unserem ersten Klettergartenbesuch der Saison zu testen.
Die Location ist der Klettergarten Grattenbergl in Kirchbichl (nahe Wörgl), die Tour ist die Aufwärmroute „Kante“ (6-), ca. 30 m hoch, bei der es am Ende eine Kette mit einem Abseilring gibt. Die Route ist plattig und die Wand legt sich oben etwas zurück. Den Standplatz würden wir als recht gut bezeichnen. Beim Klettern gibt es dort mit dem Seilabziehen recht selten ein Problem. Wir haben diesen Versuch gefilmt, den kompletten Film seht ihr unten.
Erster Fluchtversuch mit dem Escaper
Wir haben uns eine Petzl Connect Adjust (Standschlinge, damit man möglichst sicher hängt – Infos dazu gibt es hier...), ein zweites Seil (der Kletterpartner, der das Video gemacht hat, musste ja auch wieder hinunter) und den noch nie verwendeten Beal Escaper mitgenommen. So war alles angerichtet, um mit dem Versuch zu beginnen. Eines sei aber vorweg gesagt: Sich das erste Mal in den gefädelten Escaper zu hängen (ohne Sicherheitsknoten), bringt schon ein etwas mulmiges Gefühl mit sich und wir haben das Teil zumindest am Anfang immer genau beobachtet.
Das Durchfädeln im Standring und das Nachstecken des Seils im Bandschlingenmaterial ging eigentlich recht einfach. Am Ende schiebt man die Sache über die schwarze Markierung am blauen Seil und knüpft das Abseilseil in die dafür vorgesehene Schlinge. Dann hängt man das Abseilgerät ein (wir haben ein Grigri verwendet, da man damit am Einfachseil gut abseilen kann) und los geht es.
Beim Abseilvorgang an sich war kein merklicher Unterschied zu einer Verankerung des Seils zu merken und alles ging sehr gut. Unten sind wir sogar in eine leicht überhängende Wandzone gependelt, auch dabei war keinerlei Ruck oder ähnlich zu spüren. Der erste Teil der Aktion – Durchfädeln und Abseilen – ist also ganz gut gelaufen und wir haben den sicheren Boden problemlos erreicht.
Unten angekommen sind wir dann etwas von der Wand weggegangen, damit das Seil nicht so am Felsen scheuert (so weit dies in unserem Fall überhaupt zu verhindern war). Dann begann der mühsame Teil der Übung. Wir haben sehr, sehr oft am Seil gezogen, zwischenzeitlich sogar fast aufgegeben, dann endlich gab es einen kleine Ruck und das Seil kam inklusive Escaper herunter.
Was ist beim Escaper zu beachten?
Schon in der Gebrauchsanweisung wird in einer Grafik darauf hingewiesen - Achtung: Kanten, Buckel oder Felsvorsprünge können den Abziehvorgang blockieren. Das haben wir auch bei unserem Versuch recht eindrucksvoll gemerkt. Am Einfachsten geht es, wenn das Seil vom Abseilpunkt komplett frei herunter hängt (Aber wie oft hat man das schon in der Realität?). Fazit: Dort, wo das Seil beim Abseilen mit einem Doppelseil schwer zum Abziehen geht, wird es mit dem Escaper überhaupt nicht funktionieren.
Die Abziehtechnik könnte man vermutlich etwas perfektionieren. Wichtig: Weit nach unten ziehen und dann das Seil komplett loslassen (so steht es in der Gebrauchsanweisung). Das haben wir bei unserem Versuch nicht ganz korrekt gemacht, deshalb hat es vermutlich so lange gedauert. Fazit: Das korrekte Abziehen sollte man ein paarmal üben, bevor man den Escaper in einer großen Alpenwand im Notfall einsetzt.
Beim alpinen Klettern seilen in der Regel zwei Kletterer ab. Wenn sich der erste Kletterer abseilt wird unten ein Knoten in den Escaper gemacht (der erste Kletterer seilt immer mit Knoten ab!). So kann der Escaper nicht auslösen und der erste abseilende Kletterer kann das Seil entwirren und optimal hinlegen. Es ist zu empfehlen, dass der erste Kletterer unten gleich mal ein paar Abziehversuche macht. Dann sieht der Kletterpartner oben am Stand, ob der Escaper überhaupt funktioniert. Der untere Kletterer kann so etwas besser abschätzen, wie aufwändig der Abziehvorgang wird.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Escaper funktioniert. Man muss sich aber sehr genau mit dem Teil beschäftigen bevor man dieses in einer größeren Felswand einsetzt. Am besten, man nimmt den Escaper mit in den Klettergarten und probiert an verschiedenen Abseilständen aus, wie er sich abziehen lässt – denn das Abziehen ist aus unserer Sicht der Schlüssel des erfolgreichen Abseilens mit dem Escaper.
Für wen eignet sich der Escaper? Das Einsatzgebiet des Abseilsystems liegt primär beim erfahrenen Alpinisten. Wegen des geringen Gewichts kann man den Escaper für den Notfall mitnehmen – ohne vorher das Abseilsystem im Klettergarten sehr ausgiebig getestet zu haben, sollte man es aber nicht in alpinen Touren einsetzen. Für Bergführer, die mit Gästen Touren machen, bei denen man beim Abstieg abseilen muss - bei denen sie die Abseilstellen genau kennen – könnte der Escaper eine Hilfe sein (Bergführer seilt als letzter ab). Bei manchen Shops wird der Escaper auch für Canyoning und Freeridetouren empfohlen – wie sich das System aber bei vereistem Seil oder bei Nässe verhält, können wir nicht sagen.
Komplette Gebrauchsanweistung als PDF hier: Beal Escaper Manual
Pro und Contra Escaper
+ klein und leicht
+ solide verarbeitet und verpackt
+ einfach einzufädeln
+ verblüffendes Konzept
+ kann in Notfällen helfen
- Kanten und Vorsprünge sind problematisch
- Abziehvorgang vermutlich nicht immer ganz einfach
- Wie oft hat man wirklich eine optimale Abseilstelle?
- für den Einsteiger etwas zu komplex
Daten Beal Escaper
Gewicht: Mit Hülle 122 Gramm (ohne Hülle 100 Gramm)
Lieferumfang: Abseilsystem, Beutel, Gebrauchsanweisung
Preis: rd. 43 Euro
Webtipp: Beal
Video Erster Test Beal Escaper
Kommentare
AW: Erster Test Beal Escaper
Spannend, spannend...aber hält ja. Trotzdem würde ich zuerst das Seil belasten, um zu checken, ob alles richtig eingehängt ist (dabei feststellen, dass ich den Schrauber noch schließen muss!) und erst dann meine Selbstsicherung lösen. Beste Grüße
AW: Erster Test Beal Escaper
OHNE knoten! cooler als die Hersteller selbst! :-)
... bleibt das Halbseil dann zukünftig im keller?
AW: Erster Test Beal Escaper
Irgenwie gruselig.
Was ist, wennst beim Abseilen mehrmals stehen bleibst oder stehen bleiben musst, um z. B. einen Seilverhau zu lösen. Da wippst ja möglicherweise mehrmals als 6 - 7 x ....
AW: Erster Test Beal Escaper
wenn der erste abgelassen wird sollte es weder seilverhau geben noch sollte der seilverlauf geändert werden müssen.
wenn dieser noch das seil im stand fixiert kann sich der zweite ja sogar noch mit einem prusik "hintersichern" - im fall des falles ( :-) ) - sprich versagen des escapers wäre dann nur mehr ein faktor 2 sturz in den stand zu überstehen (wieviel hält eine 6 mm kevlar-prusikschlinge?) ... oder mittels dynamischer sicherung am stand zu verbessern ...
es schaut aber im video ganz danach aus, als ob das seil wirklich komplett entlastet und ruckartig freigegeben werden muss - das "passiert" doch nun wirklich nicht beim abseilen.
das teil schaut schon interessant aus.
AW: Erster Test Beal Escaper
Das Video ist wirklich gut. Da kann man ganz genau sehen, wie das Ding funktioniert. Um das Seil abzuziehen, ist es dann wichtig, dass sich der schwarze Gummi am Escaper bei jedem Ruck möglichst weit zusammenziehen kann. Das kann der Gummi am besten, wenn das Kletterseil, das dranhängt, nichts wiegt. Deshalb muss man ja nach dem Abseilen unten ganz fest am Kletterseil ziehen und dann loslassen, damit aufgrund der Seildehnung das Kletterseil nach oben schnellt und für kurze Zeit den schwarzen Gummi am Escaper entlastet. Das funktioniert besser, je neuer der Gummi ist, je leichter das Kletterseil ist, je kürzer das Kletterseil ist, je weniger Hindernisse beim Kletterseil sind (= steiler ist besser) und je weiter die Hindernisse (z.B. Kanten) vom Escaper entfernt sind. Eigentlich ist das ideal im Klettergarten. Dann braucht man dort nur noch ein 35m-Seil, den Escaper und etwas Mut. Das Abseilen belastet die Umlenker auch nicht so, wie das Ablassen.
Wie viel Gramm Gewicht dürfen denn maximal am Escaper hängen, damit sich der schwarze Gummi so weit zusammenzieht, dass das blaue Seil vom Escaper durch den Prusik rutschen kann?
AW: Erster Test Beal Escaper
„Dann braucht man dort nur noch ein 35m-Seil, den Escaper und etwas Mut. Das Abseilen belastet die Umlenker auch nicht so, wie das Ablassen.“ - bevor ich mir im Klettergarten nach jeder Route die lange Fummelei mit dem Escaper antue lasse ich mich besser am Umlenker ab.
Im Manual steht:
AW: Erster Test Beal Escaper
Gruselig, nie im Leben häng ich mich da rein, Unfälle absolut vorprogrammiert, was man sich dabei denkt das auf den Markt zu bringen, kann ich nicht verstehen...
Axal, EN 795: definitv genormt bzw. zugelassen und abgenommen nach EN 795 oder eben nur " getestet" (Werksintern von BEAL ?) ?
AW: Erster Test Beal Escaper
Nachdem ich die idee des ganzen systems sehr spannend find hab ich mir den escaper bestellt und heute in der praxis (jubiläumsweg göll ost) getestet. Fazit: das aktuelle modell ist mm nach zum abseilen unbrauchbar.
Wie auch im bericht von Axel beschrieben gestaltet sich das fädeln am stand recht einfach. der erste seilt redundant ab (sei es mit einem knoten im escaper oder einer zusätzlich eingehängten bandschlinge).
Ist der escaper einmal belastet rührt er sich keinen mm. auch wenn der erstabseilende stopt, das seil entwirrt oder sogar wieder etwas aufsteigt und das seil dabei minimal unter belastung bleibt.
als 2. abseilender hat man beim ersten mal natürlich ein beschissenes gefühl, das geht aber weg.
Abziehen des seils: hier wirds richtig problematisch. bei 4 abseilern (danach wurde es uns einfach zu blöd und wir haben wie üblich mit einem 2. seil abgeseilt) mussten wir zwischen 25 und 43 (!) mal am seil ziehen ehe sich der escaper gelöst hat (wir haben wie im manual das seil sehr stark angezogen und dann ganz losgelassen)
Hauptproblem mm nach: Der gummi am escaper hat zu wenig kraft. wir haben heute ein petzl volta 50m verwendet, wenn der erste abgeseilt hat und das seil frei ist, tut sich bzgl gummi garnichts. wenn er wie im manual beschrieben das seil zieht und loslässt bewegt er sich minimal. Je schwerer das seil, desto schwerer wird es den escaper abzuziehen (das volta fällt wohl eher nicht unter schwer ;-)). Man stelle sich jetzt noch vor das es zu regnen beginnt und das seil sich mit wasser ansaugt... viel spass.
Problem nr 2: Der escaper bietet extrem viel potential sich beim abziehen irgendwo zu verhängen (seht euch ein foto von dem teil an und denkt euch noch den knoten dazu an dem euer seil eingebunden ist)
Problem nr 3: Der gummi vom escaper ist nicht gänzlich abgedeckt und schäuert in den meisten fällen am fels. irgendwann wird er also reissen. Wenn der gummi durch ist, ist kein abziehen des seils mehr möglich!
Fazit: Bei laborbedingungen wie im KG oben beschrieben (schöner stand, senkrechte wand, 35m (=weniger seilgewicht), von der wand weggehen beim abziehen) wird der escaper wohl mehr oder weniger gut funktionieren. für den täglichen alpinen gebrauch kommt er mir so aber nicht an den gurt. Eventuell überarbeiten die jungs von beal das ding nochmal, verwenden einen stärkeren gummi und ummanteln diesen (wie zum beispiel bei einer startshoot beim windsurfen)
Sicherheitstechnische bedenken bzgl. ungewolltes lösen des escapers hätte ich keine.