Beim Aufstieg auf die Wildspitze. Beim Aufstieg auf die Wildspitze.
31 Dezember 2020

Sufferfest - Austria 9 Summits

Die Geschichte von zwei Freunden, die auszogen um 9 Gipfel, meist abseits der Normalwege, in 21 Tagen „by fair means“ zu besteigen ...

Am 5. September 2020 beenden David Koller und Christoph Sniesko nach 21 Tagen, 1.426 Kilometern und 28.037 Höhenmetern bergauf ihr Projekt „Sufferfest Österreich“ erfolgreich. Ihr Ziel: Die Besteigung des jeweils höchsten Berges jedes österreichischen Bundeslandes von Westen nach Osten – macht insgesamt 9 Berge hintereinander. Die Strecken zwischen den Bergen absolvieren sie „by fair means“ mit dem Gravelbike (Gelände taugliches Rennrad) und die gesamte notwendige Ausrüstung, inklusive Biwak-Equipment, transportieren sie ebenfalls selbst auf zwei Rädern. Ein derartiges Projekt wurde in Österreich, so zeigt die eingehende Recherche, bislang noch nicht durchgeführt.

Die Idee für das Sufferfest entstand bereits vor etlichen Jahren. 2014 hatte ich ein Video des Sufferfestprojektes der beiden Ausnahmekletterer Alex Honnold und Cedar Wright gesehen. Ihr Ziel war es, alle Berge in Kalifornien über 4.000m ohne Seil zu besteigen bzw. zu erklettern und die Zwischenwege „by fair means“, also mit dem Fahrrad bzw. zu Fuß zu absolvieren. Ich fand damals umgehend Gefallen an der Idee und dem Reiz, ein ähnliches Projekt umgelegt auf Österreich zu realisieren. Alle 3.000er in meinem Heimatbundesland Salzburg hintereinander zu besteigen (96!) und dazwischen mit dem Fahrrad zu fahren, erschien mir aus vielerlei Gründen unmöglich. Nach reichlichem Brainstorming war das Projekt, die höchsten Berge jedes Bundeslandes zu besteigen und die Zwischenetappen „by fair means“ mit dem Fahrrad zu bestreiten, geboren.

2016 der erste Anlauf für das Projekt „Sufferfest Österreich“, doch es sollte alles anders kommen, denn aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung meines damaligen Projektpartners kam es erst gar nicht zum Start. 2020 dann der zweite Anlauf, diesmal mit meinem sehr guten Freund David, der im Berg- und Radsport zu Hause ist und damit perfekte Voraussetzungen für ein Projekt wie dieses mitbringt.

Am Beginn unseres Projektes steht viel Recherchearbeit. Schnell ist uns klar, dass wir unser Projekt vom Westen Österreichs ausgehend starten wollen. Ausgehend von Bludenz in Vorarlberg planen wir in 21 Tagen in jedem Bundesland den höchsten Berg zu besteigen und sämtliche Zwischenwege, inklusive benötigtem Gepäck, mit dem Gravelbike zu absolvieren. Als Steigerung legen wir für uns fest, wenn es das Wetter zulassen sollte, die Berge abseits der Normalwege zu besteigen. Nach der Präzisierung unserer Projektidee folgen unzählige Stunden der Planung, um unserer Idee ein klareres Bild zu geben. Es gilt viele Fragen zu klären, etwa welches Fahrrad sich am besten eignen würde, welche Aufstiegswege auf die Berge interessant wären und wie lange die Etappen mit dem Fahrrad sein würden. Und nicht zuletzt beeinflusst auch die aktuelle Corona-Pandemie unsere Planungen, müssen wir doch klären, welche Einschränkungen uns auf Hütten erwarten werden. Die Planungen sind intensiv, auch zeitlich, doch sie sollten sich lohnen.

Begonnen wird mit dem Piz Buin 3312 m

Am 16. August 2020 war es soweit, unsere Tour konnte beginnen. David und ich starten um 12 Uhr in Bludenz Richtung „Bielerhöhe“, unserem Ausgangspunkt für den „Piz Buin“. Das Wetter ist uns zu Beginn noch wohl gesonnen, doch mit zunehmender Höhe beginnt es zwischenzeitlich zu regnen und die Temperatur ordentlich zu fallen. Trotzdem erreichen wir schneller als gedacht unser Tagesziel, die Wiesbadener Hütte. Der Wetterbericht für den folgenden Tag ist leider sehr bescheiden und so legen wir uns mit einer großen Portion Hoffnung auf besseres Wetter und müde vom ersten Tag in unser Lager. Um 4:30 Uhr läutet unser Wecker – das Thermofrühstück steht an. Draußen ist es noch dunkel und so bekommen wir von unserem bevorstehenden „Glück“ noch nichts mit. Der Morgen stellt uns vor eine erste Entscheidung. Das Wetter ist schlecht, nass und kalt. Gehen oder nicht? Nach kurzer Absprache entscheiden wir, den Gipfel in Angriff zu nehmen. Es beginnt immer stärker zu regnen, bis wir nach ca. 2h völlig durchnässt und frierend auf unserem ersten Gipfel stehen. Das Glücksgefühl schwindet schnell, zu kalt ist uns bei der Ankunft am Gipfel auf 3.312m. Wir sind uns einig, vom Gefühl her war es eher wie beim Eisklettern als bei einer Hochtour. Schnell wieder hinunter vom Gipfel. Der Abstieg bis zur Bieler Höhe gelingt problemlos. Kurz bevor wir wieder losfahren wollen, beginnt es aus allen Wolken zu regnen. Vor uns liegen 80km und 1.500 Höhenmeter bergab bei strömendem Regen und das auf einer viel befahrenen Passstraße mit einigen Tunneln. Eine Herausforderung, die wir trotz mieser Wetterbedingungen mit unserem Anfangselan gut hinter uns bringen, ehe wir uns etwas müde erstmal ein Bier gönnen.

Wildspitze 3768 m - auf das Dach Tirols

Nächstes Ziel ist die Wildspitze, höchster Berg Tirols in den Ötztaler Alpen. Für die Anfahrt nach Vent im Ötztal, den Aufstieg und die Rückfahrt nach Ötz haben wir drei Tage eingeplant. Nicht berücksichtigt hatten wir, dass in Zeiten von Corona der Drang vieler in die Berge derart groß ist, dass die Hütten sehr gut ausgelastet sind. Wir bekommen auf der Bresslauer Hütte kein Zimmer, müssen, ob wir wollen oder nicht, die Wildspitze in einem Tag besteigen und anschließend so weit wie möglich Richtung Ötz radeln. Vielleicht war es aufgrund dieser Umstände, dass uns der Wettergott dafür einen Traumtag beschert. Nach einer langen Hochtour mit 16 km und 2.050 Höhenmetern und einer Radfahrt von 45 km erreichen wir mit unserem zweiten Gipfel im Gepäck Ötz.

Auf die "weltalte Majestät", den Großvenediger 3666 m (Nordgrat)

Vor uns liegt nun der höchste Gipfel Salzburgs, die „weltalte Majestät“, der Großvenediger mit seinen 3.666m. Da ich den Großvenediger schon einmal im Winter mit den Skiern und einmal im heurigen Sommer mit dem Fahrrad bzw. zu Fuß bestiegen habe, weiß ich um unsere bevorstehenden Strapazen. Nach zwei Gewalttagen am Fahrrad mit insgesamt 183km und 3.140 Höhenmetern zu Fuß und am Rad erreichen wir gegen 17 Uhr müde und erschöpft durch die Hitze die Kürsinger Hütte. Der Wecker läutet – Blick aus dem Fenster – sternenklar – yes! Ein herrlicher Tag für den Nordgrat, den unserer Meinung nach schönsten Gipfelanstieg unseres Projektes. Obwohl das Wetter traumhaft ist, wählen mit uns nur zwei Zweierseilschaften diesen Anstieg. Der Granit des Großvenediger Nordgrates ist ein absoluter Traum, die in der Literatur oft beschriebenen brüchigen Abschnitte nehmen wir in unserer Klettertrance nicht wirklich wahr. Nach nicht ganz drei Stunden ist die Kletterei leider schon wieder vorbei und wir dürfen uns über unseren dritten Gipfelsieg freuen. Im Laufe des Abstieges verschlechtert sich das Wetter wie angekündigt und kurz nach Ankunft auf der Kürsinger Hütte beginnt auch schon ein kurzes Gewitter. Zum Glück hält der Regen nicht lange an und wir können unseren Abstieg fortsetzen. Im Tal erneut ein heftiger Wolkenbruch, der uns zu einem schnellen Umpacken und einer neuerlichen Weiterfahrt im Regen zwingt. Diesmal haben wir allerdings einen Lichtblick vor uns, denn aufgrund unseres schneller als geplanten Vorankommens erwartet uns ein Tag Pause!

Über den Stüdlgrat zum Großglockner 3798 m

Nicht ganz sicher, ob uns der Pausentag gutgetan hat, steigen wir in den Sattel und machen uns auf zum höchsten aller österreichischen Gipfel, dem Großglockner. Zu Beginn bringen unsere Beine noch nicht die gewünschte Leistung auf die Pedale. Doch das ändert sich schnell, als wir uns Stück für Stück den Felbertauern hochschrauben. Nach einer kurzen Taxifahrt durch den Felbertauerntunnel (andere Durchfahrt ist nicht gestattet) geht es hinauf Richtung Kals und weiter Richtung Luckner Haus. Die Auffahrt zum Luckner Haus hat es noch einmal ordentlich in sich. Zwischenzeitlich fühlt es sich an als würde man gegen Beton treten. Abgekämpft erreichen wir nach doch wieder 1920 Höhenmetern in den Beinen das Tagesziel. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Zimmer und einem tollen Abendessen legen wir uns unter prasselndem Regen schlafen. Zu unserem großen Glück liefert der Wettergott am nächsten Tag noch einmal schönes Wetter ab. Nach ca. 5,5h und 1.850 Höhenmetern erreichen wir über den Stüdelgrat den Gipfel des Großglockners. Jawoi! Wir werden mit einem herrlichen Panorama und unglaublichem Weitblick belohnt. Der letzte Hochtourengipfel ist geschafft, auch wenn wir wissen, dass der Abstieg über den Normalweg mit viel Stau noch vor uns liegt. Am Luckner Haus gibt es erstmal eine Stärkung und dann heißt es wieder für 53km und weitere 550 Höhenmeter aufs Gravelbike. Müde beziehen wir in der Dämmerung unseren Biwak Platz an einer Hausmauer am Iselsberg. An diesem Abend gönnen wir uns noch ein kulinarisches Highlight: Ein Bier und eine Leberkäsesemmel – ein Traum!

Nach der Überwindung der Großglockner Hochalpenstraße und dem Ende der Hochtouren in den Ostalpen geht es nun vom Westen Österreichs in Richtung Norden, Süden und Osten des Landes, wo wir unseren Schwerpunkt auf das Klettern legen.

Südwandkletterei via Steinerweg auf den Hohen Dachstein 2995 m

Zunächst steht der Hohe Dachstein mit dem traumhaften und ebenso legendären Steinerweg (UIAA 5+) durch die Südwand auf dem Programm. Der Wecker im Gasthof Hunerkogel läutet – 4:00 Uhr! Heute stehe ich sehr schwer auf, da meine Freundin gestern zu Besuch gekommen ist. Nichts desto trotz heißt es frühstücken und dann den Zustieg zur Südwand hinter uns bringen. Nach der eher heikleren Querung des Schneefeldes vor dem Einstieg starten wir auch gleich los. Anfängliche Orientierungsschwierigkeiten sind schnell vorbei und es geht Seillänge für Seillänge Richtung Ausstieg und hinauf auf unseren fünften Gipfel! Während dem Abstieg über den Schulteranstieg zieht es zu und der Himmel wird bedrohlich schwarz. Mit den Worten der Hunerkogel Wirtin in den Ohren, dass das Seil der Seilbahn bei Gewitter ein wahrer Blitzmagnet für darunter gehende Wanderer ist, nehmen wir für den sicheren und schnelleren Abstieg die Bahn. Danach legen wir auf den Bikes noch den Weg bis Öblarn zurück, wo uns Davids Frau empfängt.

Großer Priel 2515 m im Regen

Unser sechster Gipfel, der Große Priel in Davids Heimat, verläuft wettertechnisch leider nicht nach Plan. Eigentlich hätten wir eine alpine Kletterei namens Stella mit anschließen-der Fortsetzung des Südgrates (UIAA 5-) angedacht, doch es regnet am Vortag bis spät in die Nacht hinein. Das Wetterfenster für den nächsten Tag ist zu unsicher und deshalb entscheiden wir uns für den Normalweg. Wir sind uns einig, dass diese Anpassung leichter zu akzeptieren ist, wenn man das Wetterglück der letzten Wochen betrachtet. Vollkommen durchnässt kommen wir in Begleitung von Davids Vater und Davids Frau Katrin nach sehr zügigem Aufstieg am Gipfel an. Wuhu! Nach dem Ab-stieg und der Übernachtung bei Davids Eltern legen wir am nächsten Tag „nur“ den Weg nach Bruck an der Mur zurück, von wo aus wir mit dem Zug nach Graz fahren, um unseren zweiten Pausentag zu genießen.

Auf den Schneeberg 2076 m über den Gamsgartlgrat

Voll regeneriert und motiviert für den Abschluss unseres Projektes starten wir in Richtung Schneeberg in Niederösterreich. Die Zeit vergeht seit den Hochtouren wie im Flug und somit liegt bereits unsere letzte Klettertour vor uns. Für den Schneeberg haben wir den bekannten Gamsgartlgrat (UIAA 4-) ausgewählt. Ein herrlicher Sonnentag lässt uns über die leichte Kletterei des Grates fliegen und hinauf die letzten Meter Richtung Gipfel. Gipfel Nr. 7 ist geschafft! Nun kommen die ersten zarten Gefühle auf, dass wir es geschafft haben könnten. So richtig traut es sich aber noch keiner von uns auszusprechen.

Zum Ausklang Geschriebenstein 879 m und Hermannskogel 542 m

Zum Abschluss unseres Projektes radeln wir weiter in den Osten Österreichs, wo mit dem Geschriebenstein im Burgenland und dem Hermannskogel in Wien die letzten beiden Berge auf uns warten. Oder doch eher Hügel, wenn man sie mit den hinter uns liegenden Bergen im Westen vergleicht. Beide Berge können wir ohne große Mühen bis zum Gipfel mit dem Gravelbike befahren. Geschafft, wir sind am Ziel! Am Hermannskogel können wir uns zusammen mit Davids Frau, einem Teil meiner Familie und meiner Freundin über ein tolles und gelungenes Sufferfest 2020 freuen!

Abschließend möchte ich mich bei meinem guten Freund David für seine Zeit und die unvergesslichen Berg- und Radmomente bedanken! Auch wenn es während solchen großen Projekten zu Meinungsverschiedenheiten kommt, ist am Ende nur eines wichtig, dass man sich nach wie vor als Freunde begegnet und zusammen auf ein Bier gehen kann. Ein weiterer großer Dank gilt meiner Freundin Tanja, die mein Projekt mit unterstützt hat und mir immer mit einem offenen Ohr zur Seite gestanden ist. Mein Dank gilt außerdem noch dem Team von „Rad Aktiv“ Graz und „Bergfuchs“ Graz, die uns bei der Ausrüstung unterstützt haben

Text: Christoph Sniesko

Sufferfest - Austria 9 Summits

17.08.2020 - Großer Piz Buin 3312 m (Vorarlberg): Normalweg über Westflanke und Nordwestgrat: II, Gletscher bis 30°

19.08.2020 - Wildspitze 3768 m (Tirol): über Ötztaler Urkund + Ostgrat (Jubiläumsgrat): III, Firngrat bis 50°

22.08.2020 - Großvenediger 3666 m (Salzburg): Nordgrat: IV-, Gletscher bis 35°

25.08.2020 - Großglockner 3798 m (Kärnten): Stüdlgrat: III+

28.08.2020 - Dachstein 2995 m (Steiermark): Steinerweg: 5+ (5 obl.)

30.08.2020 - Großer Priel 2515 m (Oberösterreich): Normalweg über die Brotfallscharte

03.09.2020 - Schneeberg – Klosterwappen 2076 m (Niederösterreich): Gamsgartlgrat: 4- (3+ obl.)

04.09.2020 - Geschriebenstein 879 m (Burgenland): Auffahrt mit dem Gravelbike

05.09.2020 - Hermannskogel 542 m (Wien): Auffahrt mit dem Gravelbike

Sufferfest Österreich 2020 in Zahlen

2 Männer, 2 Räder, 55kg Gepäck

9 Bundesländer

9 Gipfel

1425 km auf dem Fahrrad und zu Fuß

28037 Hm bergauf + 28184Hm bergab

Emissionen (Berechnung für 2 Personen: Fahrrad: 42g CO2 / km; Zug: 62g CO2 / km; Auto: 190,66 g CO2 / km)

Sufferfest 2020: 165,12kg CO2

Projekt mit Auto: 403,63kg CO2

Wir verbrauchten bei unserem Projekt 238,51 kg CO2 weniger – entspricht einer Einsparung von ca. 60 %!

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