3. Seillänge klassisch M6, mit Betonung auf klassisch. 3. Seillänge klassisch M6, mit Betonung auf klassisch.
07 März 2024

It isn’t over, til it‘s over!

Eine ecopoint Erstbegehung der „Last Exit 4146“ (600m, M7, WI 4, 50°, clean) an der Muttenkopf Nordwestand durch Martin Feistl und David Schneider

It isn’t over, til it‘s over! Unter diesem Motto steht die ecopoint Erstbegehung der „Last Exit 4146“ (600m, M7, WI 4, 50°, clean) an der Muttenkopf Nordwestand in den Stubaier Alpen.

Nach einigen Jahren der Ski-Abstinenz wegen vielen Knieverletzungen, entflammte dieses Jahr meine alte Liebe für Skitouren wieder. Ähnlich wie beim Klettern schlägt mein Herz hier für abgeschiedene Touren ohne Spuren und die Verwendung von Autos. Die perfekte öffentliche Anbindung um Innsbruck bietet hier wahnsinnig gute Möglichkeiten und ein Nebeneffekt davon ist, dass man wunderbare Überschreitungen mit Abfahrten in andere Täler abseits vom Ausgangspunkt machen kann. Bei einer dieser Überschreitungen entdeckte ich die weit hinten im Tal versteckte Nordwestwand des unter Skitourengehern von der anderen Seite aus sehr bekannten Muttenkopf (2638m).

In der verstecken Nordwestwand

3 Tage später saß ich zusammen mit David Schneider in der S-Bahn und Bus in’s Gschnitztal. Wir wussten nicht wie schnell wir vorankommen werden und hatten vorsichtshalber einen Schlafsack am Ausgangspunkt deponiert, falls wir den letzten Bus nicht mehr erreichen sollten. Nach dem knapp 1000 Hm langem Zustieg, den wir komplett spuren durften, erreichten wir früher als geplant den Einstieg. In der ganzen Nordwestwand findet sich viel Eis, eine bis zum Gipfel durchgehend logische Linie haben wir aber nur im rechten Wandteil gefunden, und genau da standen wir nun! Nach einem steilen Start über ein kompaktes Eisschild und eine Länge durch tiefen Pulverschnee standen wir unter dem Herzstück der Linie: 2 steile Mixed-Längen mit einem perfekten Zapfen als Abschluss. Die erste steile Seillänge beginnt ernst, lässt sich nach oben hin in einer Verschneidung aber absolut traumhaft gut absichern. Am Standplatz unter dem Zapfen musste ich den einzigen Haken schlagen, den wir auch wieder entfernt haben. David kletterte die Schlüsselseillänge an den Zapfen, nachdem er einige perfekte Sicherungen links davon anbringen konnte. Für weitere etwa 100 Meter kletterten wir immer wieder über kleinere Eisstufen, bis wir seilfrei durch den maximal 50° steilen und 300 Meter langen oberen Teil der Wand direkt zum Gipfelkreuz ausstiegen. Einen kurzen Blick konnten wir von hier direkt auf die mehrmals versuchte, aber nie wiederholte „Fear Control“ (800m, M8, WI 6, 2 Tage) mit Lukas Müller letztes Jahr erhaschen. Obwohl diese Linie wohl die beeindruckendste Eisformation der letzten Jahre in Österreich darstellt, sich dieses Jahr extrem massiv nahezu nur im Eis gebildet hat und von der Brennerautobahn zu sehen ist, hat sie kaum Aufmerksamkeit bekommen.

Etwa 2 Stunden später saßen wir wieder an der Bushaltestelle und beendeten dieses kleine alpine Abenteuer in bestem Stil und mit dem letzten Bus der Linie 4146, der aus dem Tal herausfuhr. Mit bestem Stil ist nicht nur die Anreise und der Stil der Kletterei gemeint, sondern vor allem auch die Tatsache, dass es sich um eine „echte Erstbegehung“ handelt: Weil zunehmend mehr Erstbegehungen als solche publiziert werden, dabei jedoch verschwiegen wird, dass sich nur um eine erste Winterwiederholung oder Kombination von existierenden Sommerlinien handelt, fühle ich mich dazu genötigt, den Wert einer tatsächlichen Erstbegehung explizit hervorzuheben.

Es versteht sich für mich von selbst, dass eine Wiederholung der Linie nur dann zählt, wenn sie zumindest ab Innsbruck ebenfalls ohne Auto gemacht wird. Es ist möglich und ein wunderbares Gefühl seine Grenzen zu erweitern, nicht nur beim Klettern.“

Text: Martin Feistl



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