Vor der langen Nacht Vor der langen Nacht
30 Mai 2006

In 16 Stunden auf den Mount Everest

Skyrunner Christian Stangl gelingt der Skyrun seines Lebens - er erreicht in 16:42 Stunden den Gipfel des Everest und das OHNE Flaschensauerstoff...

Eine “gewoehnliche” Besteigung des Mount Everest hatte ihn nie interessiert, eine Schnellbesteigung hingegen beherrschte schon seit längerem sein Denken.

Am 25.May 2006 steht Christian Stangl nach 16 Stunden 42 Minuten am Gipfel des höchsten Berges der Erde. Keine sechs Stunden später ist er bereits wieder im Basislager und degradiert die höchste Erhebung der Erde förmlich zur TAGESTOUR.

Stangl kam erst am 5.Mai im Basislager an der Nordseite des Berges an. Bedingt durch das gute Wetter startete er bereits einen ersten Versuch in der Nacht vom 15.ten auf den 16.ten Mai, den er aber dann nach 11 Stunden auf 8.300m auf Grund der starken Winde wieder abbrach. Ausserdem hätte er laut seinen Angaben “noch nicht die richtige Form gehabt”.

Mount Everest – die Tagestour - ein Kurzbericht via Mail aus Kathmandu

Christian Stangl:

Am 25.Mai 17:00h verliess ich das Basislager. Ich trug leichte Daunenbekleidung, 4x 0.8 Liter zum Trinken, Kohlehydrategels und ein paar Salzkekse. Ich nahm nur einen Skistock, dafuer keinen Pickel und auch keine Steigklemme. Ich hatte auch kein Funkgeraet und kein Satelittentelephon.

Ich machte gute Fortschritte. Ich war viel schneller als bei meinem ersten Versuch vor 10 Tagen. Die Kälte der Nacht machte meinen Füssen zu schaffen und um ca. 3h morgens fand ich auf 8.200m die Reste eines verlassenen Zeltes. Notdürftig vor dem Wind geschützt, massierte ich meine Füsse. Eine ganze Stunde verging wie im Flug um endlich wieder die Zehen spüren zu können.

In Höchstform bei Tagesanbruch

Im ersten Licht des neuen Tages lief ich zur Höchstform auf. Mein Körper arbeitet perfekt. Den “first step” hatte ich kaum registriert, da stand ich schon vor der Aluminiumleiter am “second step”.

An der Gipfelpyramide erkannte ich einen Bergsteiger mit zwei Sauerstoffzylinder am Rucksack. Als ich bemerkte dass ich den Abstand zu ihm verringern konnte, legte ich noch extra an Tempo zu. Richtige Renneuphorie kam auf. Ich fühlte mich grossartig, ich war in Bestform.

An den felsigen Passagen gewann ich zusätzlich Zeit da ich die Fixseile nicht benützte sondern ungesichert und auch teilweise in direkterer Linie emporstieg. Der Kletterer mit den Sauerstoffflaschen schien mich bemerkt zu haben. Er drehte sich nun öfters um und erhöhte das Tempo.

You’re climbing without O’s?

Er erreichte den Gipfel eine Minute vor mir. Erst als er bemerkte dass ich KEINEN KÜNSTLICHEN SAUERSTOFF verwendete, riss er sich die Maske vom Gesicht und hechelte: “Holy God, you’re climbing without O’s!?

Euphorie liess ich nicht aufkommen da mein Denken noch ganz klar strukturiert war. “Schnell absteigen” lautete die nächste Anweisung aus meinem Gehirn. Ungefaehr zehn Bergsteiger hatte ich bis zum “first step” hinunter überholt. “Lebende “ wohlgemerkt, den an mindestens ebenso vielen Toten bin ich bis dahin vorbeigegangen. Ein wahres Leichenfeld.

Zusätzliche Hilfe von Oben

Als ich schon auf 7.500m herunten war fing es stark zu schneien an. Das verwandelte den Nordgrat, eigentlich ein ungefährlicher Schneerücken, in eine tolle Rutschbahn. Mit den Händen am Fixseil und am Hosenboden abrutschend, konnte ich hier noch gewaltig an Zeit und Energie sparen.

Atemphänomene

Um ½ 4 kroch ich in mein Zelt. Es schneite noch immer und was mir im Augenblick am meisten Sorgen bereitete war meine Atmung. Ich musste im Sekundentakt ganz tief ein und ausatmen (eigentlich hyperventilieren) und ich konnte diesen Zustand nicht willentlich stoppen. Da ich aber auf 6.500 m war und ich wusste das hier eine Regeneration möglich war, setzte ich mich mit dem Oberkörper senkrecht ins Zelt und atmete und atmete und atmete………

Der Stil

Was mich abgesehen von der Zeit besonders stolz macht ist der Umstand dass ich keinerlei Fremdhilfe benutzte. Ich war während des gesamten Auf- und Abstieges auf mich allein gestellt und ich hatte es auch von vorhinein zum festen Grundsatz keine – wie auch immer geartete Hilfestellung- in Anspruch zu nehmen. Ich möchte keine “modifizierte Rennstrecken” an den Bergen. Es lebe der faire Stil!

Bisherige „Speedrekorde“ Christian Stangl:

2006 Mt. Elbrus, 5642m: Neuer Speed Rekord

2005 Zehn 6000er: Zehn 6.000er in sieben aufeinander folgenden Tagen

2004 Kilimanjaro, 5895m: 5 Stunden 36 Minuten über die Umbwe Route, 4445Höhenmeter

2002 Aconcagua, 6956m: 4 Stunden 25 Minuten vom Basislager (4300m)zum Gipfel, 2656 Höhenmeter



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