Heinz Zak Highline solo auf der Zugspitze Heinz Zak Highline solo auf der Zugspitze
04 August 2013

Aufs Herzblut kommt´s an

Der Tiroler Heinz Zak ist als Extremkletterer einer der weltbesten Berg- und Kletterfotografen und hat sich auch im Slacklinen einen Namen gemacht. Er erzählt, was ihn antreibt, warum er auch ungesichert klettert, und wie er sich mit der heutigen Konsumgesellschaft arrangiert.

Der Tiroler Heinz Zak ist als Extremkletterer einer der weltbesten Berg- und Kletterfotografen und hat sich auch im Slacklinen einen Namen gemacht. Er erzählt, was ihn antreibt, warum er auch ungesichert klettert, und wie er sich mit der heutigen Konsumgesellschaft arrangiert.

In Interview von Ulrike Rubasch, Journalistin bei den OÖNachrichten

Frage: Wir sind hier im Stubaital. Was bedeutet dieses Tal mit seiner Bergwelt für dich*?

Zak: Das ist für mich ohne Übertreibung einer der schönsten Plätze der Welt. Da fühl' ich mich daheim, in der Nähe bin ich aufgewachsen, das ist meine Ur-Bergheimat. Das Besondere hier ist die gute Erreichbarkeit von wunderschönen Bergen, ein toller Höhenweg, top Hütten. Ich fotografiere und klettere viel hier. Eine Erstbegehung einer wilden Tour im oberen achten Grad ist mir hier in der Gegend gerade gelungen, da musste ich richtig hart kämpfen. Sie heißt nicht umsonst „Herzblut“! In dieser Tour muss man in teilweise brüchigem Gelände mit wenig Sicherungshoffnungen in einer komplett blanken Wand senkrecht und überhängend klettern.

Frage: Als Fotograf hast du die weltbesten Kletterer wie Wolfgang Güllich, die Huber-Buam oder Lynn Hill begleitet, etliche Fotos von dir sind um die Welt gegangen. Wie hast du das geschafft?

ZAK: Für mich war jeder Einsatz eine Herausforderung. Das hat mit Wolfgang Güllich Mitte der 1980er-Jahre begonnen, wo wir in Australien vor Sonnenaufgang in die Route „Punks in the Gym“ einstiegen sind (10.Schwierigkeitsgrad, war damals die schwierigste Route der Welt, Anm.), um die bestmögliche Lichtsituation zu haben. Auch für den Film über die Huber-Buam (bayrische Weltklassekletterer) „Am Limit“ sind wir um 3 Uhr früh am El Capitan mit Ausrüstung 600 Meter in einer Stunde hochgejummart (mit Steigklemmen am Seil mit Muskelkraft aufgestiegen, Anm.). Das Fotografieren in solchen Wänden ist eine extreme Knochenarbeit und mit unglaublicher Ausgesetztheit verbunden, die man erst einmal verkraften muss. Ich hab auch das Glück gehabt, dass die guten Kletterer Lust gehabt haben, sich von mir fotografieren zu lassen. Und so sind viele meiner Bilder mittlerweile legendär und historisch wichtig geworden.

Frage: Dein Bild von Wolfgang Güllich in der Tour „Separate Reality“  ist so eines. Du hast ja diese Route ebenfalls free solo, also ohne Sicherung, 19 Jahre später auch – als zweite Begehung ohne Seil -  geklettert. Wieso?

ZAK: Das hab ich gleich einmal gedacht, wie es der Wolfgang gemacht hat, dass ich das auch will. Aber ich hätte sie damals vom Kopf her nicht klettern können. Für mich ist die Tour ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Der Grund, warum ich 1979 nach Amerika gefahren bin, war ein Foto von Ray Jardin in dieser Tour. Wir haben das nicht glauben können, dass jemand ein waagrechtes Dach hinaus klettert. Bei uns gab es ja Klettern jenseits der Vertikalen nicht, bei uns ist kein Überhang geklettert worden. Aber als wir das gesehen hatten, sagten wir: Was die Amerikaner können, können wir auch und sind ins Yosemite Valley in Kalifornien gefahren. Wir hatten ziemlich Angst und sind keinen Meter geklettert (grinst). Immerhin haben wir 1979 schon drei „Friends“ (mobiles Absicherungsgerät für Risse) dabei gehabt (lacht). Damit sind wir die „Nose“ (1000 Meter Paraderoute am El Capitan) geklettert. Später erst hab' ich Wolfgang Güllich kennengelernt.

Frage: Jemanden zu fotografieren, der ungesichert klettert, muss schrecklich sein, weil der jederzeit in den Tod stürzen könnte.

Zak: Wolfgang Güllich hat mir das ein halbes Jahr vorher gesagt, dass er die Separate Reality free solo gehen will. Aber das war eine neue Dimension, weil das halt so grausig war vom Zuschauen her. Wolfgang ist direkt an mir vorbei geklettert, in das Dach raus, wo ich zuerst nie gedacht hätte, dass das so wild ist zum Zuschauen, ja, so unmittelbar; er war auch relativ aufgeregt, das ist übergesprungen, das war heiß eigentlich. Ich hab gleichzeitig mit zwei Kameras fotografiert.

Frage:  Wie ist es dir da ergangen beim Klettern in dieser Route, in der eine falsche Bewegung den sicheren Tod bedeutet?

Zak: Mir ist es besser gegangen als ich mir vorher vorgestellt habe. Vor allem habe ich mir während des Kletterns gar nichts dabei gedacht. Ich hab vorher schon Angst davor gehabt, weil ich nicht genau gewusst habe, wie die Schlüsselstelle (aus dem Dach hinaus, Anm.) funktioniert, wie ich mich dort fühle, oder ob ich genau an der blödesten Stelle vielleicht Angst krieg', - und du musst es halt doch machen, weil du schon dort bist. Von dieser Stelle hätte ich nicht mehr zurück klettern können. Doch alles ist ganz anders gekommen, weil ich komplett irgendwo anders war, komplett losgelöst, ich war vollkommen ohne Angst, eigentlich ohne jeglichen Gedanken. Ich habe keine körperliche Kraft gebraucht. Das Einzige, das ich wirklich registriert habe, war der Bach 200 Meter unter mir, ich habe einfach wie automatisiert mein Programm durchgezogen. Eigentlich habe ich mich ohne Seil sicherer gefühlt wie mit Seil.

Frage:  Ist das völlige Aufgehen in dem, was man tut, der große Reiz des ungesicherten Kletterns?

ZAK: Was den Reiz genau ausmacht und warum ich das mache, habe ich vorher eigentlich gar nicht so genau gewusst. Aber für mich war es ein ganz wichtiges Schlüsselerlebnis in meinem Leben, weil ich da gesehen habe, dass ich irgendwann bereit bin, alles loszulassen, also das heißt auch beim Sterben, ganz sicher sogar. Das war für mich die größte Erfahrung.

Frage: Du hast den Tod mit einkalkuliert?

ZAK: Ich wollte nicht sterben. Aber irgendwie ist mir das nachher so bewusst worden. Ich denke, nachher wird es auch einmal so sein – und das ist ein gutes Gefühl für mich, weil ich keine Angst mehr vor dem Sterben habe.

Frage: Ist das Kapitel „Klettern ohne Sicherung“ für dich damit abgeschlossen?

ZAK: Na, warum denn nicht – ich finde immer wieder Ziele, die für mich in meinem Leben als Kletterer und Bergsteiger wichtig sind, es tut mir gut, Ziele zu haben. Was mir wahnsinnig taugt, sind Gratüberschreitungen bis zum fünften Grad, wie etwa meine  Karwendel-Hauptkamm-Winter-Überschreitung mit 36 Gipfeln in drei Tagen mit pausenloser Anstrengung. Das mache ich auch ohne Seilsicherung.

Frage: Was treibt dich, solche Strapazen und Gefahren auf dich zu nehmen?

ZAK: Weil es mir taugt. Das ist so, wie Edumund Hillary (Erstbesteiger des Mount Everest, Anm.) auf die Frage geantwortet hat, warum man auf den Everest steigt: „Weil er da ist.“ Und ich wollte nie auf den Everest, weil mir dort zu viele Leute sind und mir dieser kommerzielle Alpinismus nicht besonders gefällt. Ich sehe nicht ein, warum ich für die Besteigung eines Berges zahlen soll. Außerdem gilt für mich: Wenn ich mit jemandem am Berg bin, dann ist mir dieser Mensch wichtig, er ist mein Kamerad, mein Freund. Wenn sich jemand verletzt, werde ich möglichst alles tun, um zu  helfen. Ich könnte da nicht bei jemandem vorbei gehen, der da sitzt und um sein Leben kämpft. Das zeigt eigentlich, wie weit man sich schon von dem, was ich unter Bergsteigen verstehe, entfernt hat.

Frage:  Bergsteigen kann etwas Meditatives haben – auch für dich?

ZAK: Man taucht da in eine andere Welt ab, es wird vieles relativ unwichtig – das ist auch das, was mir so taugt. Ich habe mir zwar jahrelang Zeit für Meditationsübungen genommen - mache es mittlerweile aber nicht mehr – und kann mich sehr gut auf etwas konzentrieren. Meditation finde ich super – doch die Übungen brauche ich nicht mehr. Wenn ich über den Karwendelgrat dahin balanciere, wird der Kopf noch leerer, weil da hab ich nicht nur eine Stunde Mediation, sondern gleich 27 am Stück. Die Rahmenbedingungen, in denen wir leben, werden beim Gehen unwichtig. Ich lebe nur noch im Moment.

Frage: Was bedeutet Freiheit für dich?

ZAK: Ich selbst fühle mich ja als unglaublich freier Mensch – das ist eine der wichtigsten Sachen, die ich vom Klettern mitgenommen habe. Freiheit heißt für mich, zu spüren, dass ich souverän bin,  Eingesperrtsein habe ich auf vielerlei Weise erlebt bis hin zum Gefangensein in einem ägyptischen Gefängnis. Ich kann mit Extremsituationen wunderbar umgehen. Ich treffe auch jeden Tag meine Entscheidungen, wie ich mein Leben gestalte – das ist eigentlich Freiheit. Ich bestimme jeden Tag, wo mein Leben lang geht. Und ich stehe jeden Tag in der Früh auf und freu mich, dass ich am Leben bin. Sobald irgendwas nicht mehr passt, jammere ich  nicht, sondern ändere es. Manchmal braucht es aber auch Unentschiedenheiten.

Unabhängigkeit heißt für mich auch, keinen Euro Schulden zu haben.

Frage: Wie siehst du denn die heutige Jugend, mit der du ja etwa bei der sehr jungen Trendsportart Slacklinen zu tun hast.

ZAK: Ich glaube, die Jungen haben heute viel mehr Stress als wir früher, durch Facebook und Internet und mehr Leistungsdruck. Die Erwartungshaltung der Leistungsgesellschaft durch das Elternhaus wird relativ früh schon an die Kinder weitergegeben, auch getarnt als „Frei-Unterricht für Harfe“ oder so ähnlich. Sie haben viel weniger Freiraum wie wir damals. Wir mussten nicht die neueste Mode von XY haben, um nicht gemobbt zu werden von den Klassenkammeraden, wie das heute so ist, wir haben auch nicht gezittert, ob wir ein iPhone kriegen oder nicht.

Frage: Wie hat sich denn der Naturbursch Heinz Zak mit der Konsumgesellschaft arrangiert?

ZAK: Schau mich an, wie ich ausschaue (grinst). Mich interessiert das nicht. Ich hab halt fünf Jahre die gleiche Hose, und habe eine ungewöhnliche Frisur, die mich an meine Freiheit erinnert... Ich hab den Joker oder besser: Ich BIN die Freikarte, weil die Leute mich akzeptieren, wie ich bin. Ich hab das Glück, relativ unkompliziert das leben zu können, worauf ich Lust habe.

Frage: Was fasziniert dich an der Arbeit mit Jugendlichen und was willst du vermitteln?

ZAK: Ich arbeite gern mit Jugendlichen. Mir taugt das, wenn ich jemandem meine Träume weitergeben kann – und jemandem seine guten Seiten zeigen kann. Mir hat das in meinem Leben so viel Glück, Kraft und Sicherheit gebracht, weil ich eigentlich in meinem Leben immer das gemacht habe, was mir am meisten Spaß gemacht hat. Es ist wahnsinnig wichtig für  uns, dass wir etwas finden in unserem Leben, was uns gut tut und wo wir gut sind. Ich hab halt für mich das Klettern und Fotografieren gefunden – das sind immer noch meine größten Leidenschaften.

Frage: Ist die Klimaveränderung, die du im Gebirge z.B. am Gletscherrückzug ablesen kannst, wirklich so dramatisch oder eher Panikmache?

ZAK: Die Veränderung IST dramatisch, auch wenn man bei diesem Sommer eher an die Eiszeit denkt (grinst – das Interview fand noch vor der Juli-Hitzewelle statt...). Das ist keine Eintagsfliege, die da hochgespielt wird. Momentan weist alles darauf hin, dass wir Menschen hauptverantwortlich sind. Wir sollten früh genug für uns selbst das Ruder in die Hand nehmen – ich würde zum Beispiel für saubere Energie auch mehr Geld ausgeben. Auch esse ich Nahrungsmittel aus der Region oder bei Fleisch Hirsch aus dem Karwendel, jedenfalls kein Tier, das in Massentierhaltung leben musste – das finde ich unwürdig für den Menschen. Im Alltag kann jeder einzelne wirklich viel Energie sparen bei Verkehr, Heizung und Wasser.

Frage: Welche Ziele hast du noch?

ZAK: Ich habe viele große Ziele, aber ich rede nur über das, was ich gemacht habe.

OÖN: Vielen Danke für das Gespräch.

* in den Bergen gilt das DU-Wort

Tipps für Hobbyfotografen vom Profi Heinz Zak für gute Naturfotografie:

* Die Betriebsanleitung der Kamera lesen und selbst die Blende und die Zeit verändern können. Das Verständnis des (umgekehrten) Zusammenhangs zwischen der Größe der Linsenöffnung (Blende) und der Belichtungszeit ist essentiell. Ein Beispiel: Damit sowohl nahe als auch ferne Punkte auf dem Foto scharf sind (hohe Tiefenschärfe) braucht es eine kleine Blende (z.B. 22)

* Das Um und Auf ist der Bildaufbau. „Vordergrund macht Bild gesund“ ist etwa eine beliebte Hilfestellung, um Tiefe in das Bild zu bekommen. Bilddiagonalen sind wichtige Spannungserzeuger. In der Mitte zentrierte Motive sind oft langweilig.

* Es ist nicht die teure Kamera, die gute Bilder macht. Ab 300 bis 500 Euro sind Hobbyfotografen gut aufgestellt.

* Das schönste Licht ist oft am Morgen oder am Abend. Doch für Wasserfälle eignet sich die Mittagssonne oft besser, um das Glitzern und Leuchten des Wassers auf den Chip zu bannen.

Heinz Zak: „Natur hat mehr als Kraft genug. Es braucht für ein gutes Foto keine Inszenierung und keine Kasperleien. Die Intensität, die ich selber spür', muss ich im Foto rüberbringen.“

„Ich will mit meinen Bildern Träume weitergeben.“

Heinz Zak bietet Fotokurse an. Infos auf www.heinzzak.com

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