Das Team 1971 (c) Klaus Hoi / Red Bull Content Pool Das Team 1971 (c) Klaus Hoi / Red Bull Content Pool
22 März 2018

Der Lange Weg - Eventtourismus versus Kreativität

Die längste Skitour der Welt, oder ein Event, das für einen schleichenden Wandel im Bergsteigen steht?

Am 21. März 1971 brachen die österreichischen Alpinisten Robert Kittl, Klaus Hoi, Hansjörg Farbmacher und Hans Mariacher in Edlach an der Rax zur Längsüberquerung des Alpenhauptkamms von Ost nach West auf. Ihr Ziel: Die Seealpen und der französische Badeort Nizza. Alles war akribisch geplant. Ein Begleitfahrzeug mit Fahrer Alois Schett, ein Mann auf Reserve, über 200 Kartenblätter und eine speziell gefertigte Skiausrüstung unterstützten die Athleten bei ihrem Vorhaben. 

Die unglaubliche Idee

Die gesamte Strecke nur zu Fuß und auf Ski zurückzulegen! Innerhalb von acht Wochen, also 56 Tagen, wollten sie die 1917 Kilometer lange Strecke meistern.

Insgesamt 85.510 Höhenmeter im Aufstieg – unfassbare 2137 Höhenmeter und 48 Kilometer Distanz pro Tag!

Und dabei hatten sie nicht einmal die kürzeste oder leichteste Route gewählt, sondern die dominantesten und berühmtesten Gipfel der Alpen angesteuert, darunter Großglockner (3798 m), Piz Palü (3900 m), Dufourspitze (4634 m) und Mont Blanc (4810 m) - eine extreme alpine Expedition, ausgeführt von, bis auf Hansjörg Farbmacher, sehr erfahrenen Bergführern. 

Gerade einmal 40 Tage später, am 29. April, erreichten sie ihr Ziel, ohne einen einzigen Ruhetag eingelegt zu haben. Eine Meisterleistung, die damals auch in den Medien entsprechenden Anklang fand.

Bergsteigen 50 Jahre danach

Irgendwann stieß ein auf Extremsport-Events spezialisiertes Unternehmen auf diese Durchquerung und machte nun für Red Bull ein Event daraus.

Die Geschichte muss sich heute aber schneller wiederholen. Sieben Athleten sollen mit moderner Ausrüstung die Zeit von damals auf gleicher Strecke, inkl. gleicher, teils auch sehr anspruchvoller Berggipfel unterbieten.

Ende 2017 startete die Athletensuche mittels Ausschreibung, in der eine Erfolgsprämie von 3000,- Euro /Athlet, Film- und Fotomaterial und die Übernahme der Kosten während der Tour versprochen wurden.

Die sieben vom Organisator auserwählten internationalen, vornehmlich aus dem Trailrunning/Skimountaineering stammenden Athleten starteten am 17. März bei der Rax. Davor mussten sie noch zwei Tage zum Shooting, Briefing und Getting Ready nach Wien. Die “Alpinisten“ sind mit einem einem Live-Tracker ausgestattet und laut RB-Pressemeldung während der ganzen Tour am Berg völlig auf sich alleine gestellt. Die gesamte Verantwortung und Entscheidungen liege einzig und alleine bei ihnen. Bei den Briefings ist aber der Veranstalter immer dabei, klärt die Abstimmung mit dem Filmteam und ist auch für Safety Aspects zuständig, denn auf die Sicherheit wird großen Wert gelegt.  

Das Team darf (wie 1971) insgesamt maximal 64 Kilometer mit dem Auto fahren. Es müssen (anders als 1971) von den sieben Teilnehmern nur vier das Ziel in Nizza in weniger als 41 Tagen erreichen, um die Erfolgsprämie zu bekommen.

Eventtourismus versus Kreativität

Der mediale Erfolg ist dem Projekt dank dem Marketing seines Hauptsponsors gewiss. Pressemeldungen, Facebookgruppe und Live-Tracking-Racemap verleihen dem Event Flügel. Doch hat das noch etwas mit (eigenständigem) Ski-Bergsteigen zu tun?

Die unglaubliche Idee, die Kreativität eines Bergsteigers, ist ein ganz, ganz wesentlicher Bestandteil dieses Sports. Dean Potter und Denis Urubko nennen diese Kreativität sogar Kunst.

Robert Kittel, Klaus Hoi und Co. hatten vor rd. 50 Jahren diese großartige Idee, den Spirit, und sie haben ihre Idee auch eigenständig umgesetzt. Heute sind es Event Manager und Marketing Abteilungen, die solche Leistungen für sich entdecken, ein Reglement für die Wiederholung festlegen, Athleten suchen, für sie die Infrastruktur aufstellen und für den sicheren, reibungslosen Ablauf garantieren. Das Ganze wird nach außen hin mit einer perfekten medialen Inszenierung als (extremes) Bergsteiger-Abenteuer verkauft.

Gut, in den Bergen ist schon vieles realisiert worden und die verbleibenden großen Projekte sind rar und extrem schwierig. Profialpinisten versuchen daher vermehrt, Besteigungen schneller zu wiederholen. Am Eiger und an der Nose werden fast jährlich neue Rekorde aufgestellt, Adam Ondra wiederholte die Dawn Wall in nur 8 Tagen und Alex Honnold und Colin Haley gelang 2016 die Torre Traverse an nur einem Tag. Die unglaubliche Idee hatten zwar auch hier die jeweiligen Erstbegeher, aber der Impuls für die Wiederholung der Tour kam von den Wiederholern selbst und nicht vom Sponsor oder einer Agentur. Sie haben ihr Projekt selbst geplant und durchaus mit Sponsorenhilfe eigenständig realisiert.

Red Bull möchte die großartige Geschichte des Langen Weges wiederholen und macht stattdessen aus dem Bergsteigen einen „Eventtourismus“ mit Athleten, deren Aufgabe heute primär darin besteht, ihre antrainierte physische Leistung abzurufen.

Quellen: RBDLW_Mediapräsentation und announcmt-DLW-18

Siehe auch: „Der Lange Weg“ von Red Bull, eine Analyse von Klaus Hoi

Schagwörter:


Kommentare

Neuer Kommentar
Zum Verfassen von Kommentaren bitte anmelden oder registrieren.